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Wieso, weshalb, warum: Wie die Gründungslandschaft  inklusiver werden könnte 

Die Gründungsdynamik in Deutschland bleibt verhalten.  Auch weil die Rahmenbedingungen zu wenig menschliche Vielfalt und Begabungen berücksichtigen. Doch bislang fehlt es auch an Wissen, welche sozialen und diversen Konstellationen Gründungen behindern oder fördern, vor allem aber wie sie besser gestaltet werden können.  

 Das Gründungsgeschehen in Deutschland ist – kurz gesagt – ausbaufähig. Darüber besteht Konsens zumeist auch noch über die wichtigsten Ursachen und positive Erfolgsfaktoren. Weniger beachtet und diskutiert werden dagegen die häufig ungehobenen Potenziale. Vor allem durch jene Gruppen, die im Gründungsgeschehen eine nachgeordnete Rolle zu spielen scheinen. Dabei würde sich eine intensive Beschäftigung mit ihnen besonders lohnen, auch ökonomisch  – wie schon ein kursiver Blick durch die diversen Gruppen aufzeigen kann.  

Durch Elterngeld zu mehr Startups? 

Der Anteil weiblicher StartUp-Gründerinnen liegt bei knapp unter 20 Prozent. Die Anzahl der weiblichen Beschäftigten in diesen Unternehmen bei immerhin 37 Prozent. Und unter den Personen, die eine eigene allgemeine Existenz gründen, sind mit 35 Prozent ebenfalls mehr als ein Drittel Frauen. Damit liegt die Interpretation nahe, dass es nicht an einer grundsätzlichen Ablehnung des Sektors durch Frauen liegt, wenn Frauen weniger gründen, sondern eher an den besonderen Herausforderungen für sie. 

Eine dieser Herausforderungen ist die Finanzierungsproblematik. Weibliche StartUps finanzieren sich nur zu einem Bruchteil aus Risikokapital. Diese Finanzierungsform in einer frühen Phase der Gründung führt in folgenden Finanzierungsrunden zu größeren Summen, die der Gründung zur Verfügung gestellt werden. Wie eine Studie der BCG zeigt wird hier viel Potential verschenkt. Danach erzielen von Frauen gegründete StartUps vielfach einen  höheren Umsatzerlös als vergleichbare, allein von Männern geführte StartUps.  

Eine zweite Ursache zeigt sich beim Blick auf gesellschaftliche Rahmenbedingungen für Startup-Gründerinnen. Die fehlende Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Ein Problem, das sich dadurch verschärft, weil viele Gründerinnen zwischen Ende 20 und Anfang 30 gründen und diese Phase zeitlich mit der möglichen Familiengründung kollidiert. Um diese Rahmenbedingungen zu verbessern, bedürfte es einer ressortübergreifenden Zusammenarbeit zur Verbesserung des Mutterschutzes für Gründerinnen und Selbstständige, einer Anpassung des Elterngeldes für Gründer:innen und Selbstständige, die der Arbeits- und Lebensrealität gerecht wird sowie einer steuerlichen Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten. Diese komplexen Defizite will das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in seiner neuen Startup Strategie angehen. Allerdings kommt es dabei weniger auf Willensbekundungen als auf die smarte Umsetzung an.  

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Soweit nur zwei offensichtliche Hürden, die Frauen hindern ebenso häufig  Startup- Unternehmerinnen und Gründerinnen zu sein wie Männer.  Um den genauen Ursachen auf den Grund zu gehen und dezidierte Empfehlungen auszusprechen, wie diese überwunden werden können,  besteht weiterhin Forschungsbedarf. Forschungseinrichtungen, öffentliche Hand und private Initiativen sind aufgefordert, sich hier noch mehr zu engagieren.  

Sind migrantische Gründer auch international erfolgreicher? 

Die Gründungsquote der migrantischen Bevölkerung in Deutschland ist doppelt so hoch, wie die der nicht-migrantischen Bevölkerung (GEM 2022). Ihre Gründungen sind zudem stark international ausgerichtet, mit  deutlichen Wachstumsambitionen ausgestattet und die Gründenden haben fast immer einem akademischen Hintergrund. Diese Fakten stehen im Widerspruch zu dem Bild, das in der Öffentlichkeit von migrantischen Gründer:innen dominiert. Hier wäre es ein elementarer Erfolg, migrantisches Unternehmertum stärker als Wirtschaftsfaktor zu begreifen und Rollenmodelle sichtbarer zu machen, die zur Nachahmung anregen. Doch bislang ist über diese Menschen, ihre Motive und Erfolge, aber auch Hemmnisse, denen sie begegnen viel zu wenig bekannt; nicht nur im alltäglichen Diskurs, sondern auch in der wissenschaftlichen Wahrnehmung ihrer Initiativen. 

Gründer:innen mit und ohne Migrationshintergrund stehen gleichermaßen vor Hürden der Kapitalbeschaffung für ihre Unternehmung. Nur ein Drittel migrantischer Gründer:innen erster Generation können auf öffentliche Fördermittel zugreifen. Ähnlich dürftig werden sie mit Wagniskapital ausgestattet.  

Neben dem besseren Zugang zu Finanzmitteln sind es vor allem auch institutionelle Hürden, die es zugewanderten Gründer:innen schwer machen in Deutschland ihr Unternehmen zu gründen. So hat jede:r dritte Gründer:in mit Migrationshintergrund Diskriminierung oder Rassismus im Kontakt mit Behörden, Ämtern oder Finanzierungsinstitutionen erfahren.  Insbesondere Geschäftsmodelle, die außereuropäische Märkte in den Blick nehmen oder kulturell geprägt sind, haben es so schwer den hiesigen Markt zu bereichern.  

Ein wichtiger Erfolgsfaktor für diese Gruppe scheinen zudem fachbezogene Netzwerke zu sein, die Unternehmensgründungen unterstützen, aber insbesondere frisch Zugewanderten kaum zur Verfügung stehen. Vor allem diejenigen, die erst nach dem Hochschulabschluss nach Deutschland zuwandern und dann hier gründen wollen, brauchen deutlich niedrig-schwelligere Angebote. Bekannt ist, dass unter den gründungsnahen Studienfächer wie Ingenieurs-, Betriebs- und Naturwissenschaften überdurchschnittlich viele Studierenden mit Migrationshintergrund zu finden sind. Ihr Potenzial für das Gründungsgeschehen wird zu wenig berücksichtigt. 

Haben Ältere Angst vor dem Scheitern und die Jungen nur kein Geld?  

Ein weiterer limitierender Faktor für Gründungen stellt das Alter dar. Zunächst kaum verwunderlich, sind Gründende in Deutschland eher jung, im Schnitt rund 37 Jahre. Die Herausforderungen junger Menschen zu gründen sind im Vergleich zu Älteren allerdings noch einmal größer. Ihnen fehlen vor allem Netzwerke. Diese Netzwerke, bestehend aus anderen Gründer:innen und potenziellen Kapitalgebern, sind aber gerade für junge Menschen besonders wichtig. Insbesondere durch die Corona-Pandemie konnten junge Menschen ihre Verbindungen nicht weiter ausbauen.  Allerdings haben Gründungen in jungen Jahren auch Vorteile. Während die Angst vor dem Scheitern gerade bei Älteren groß ist, tritt diese bei jungen Gründer:innen eher in den Hintergrund. Bei ihnen existieren weniger familiäre oder finanzielle Abhängigkeiten, der Raum zum Manövrieren und die Flexibilität sind größer. Gleichwohl wiegen die Barrieren wie fehlende Vernetzung und schlechterer Zugang zu Kapital für junge Gründer:innen weitaus schwerer. Gerade junge Menschen benötigen daher noch einmal mehr Kompetenzaufbau, besseren Zugang zu Förderungen und weniger Bürokratie.  

Startup-Szene Deutschland – die Bildungsbürgerkinder unter sich? 

Ein sehr komplexer Faktor, der Gründungen fördert oder begrenzt, ist die soziale Herkunft. Gerade über diese Zusammenhänge existiert bislang das geringste gesicherte Wissen. Denn soziale Herkunft ist sowohl eine komplexe als auch eine facettenreiche Diversity Dimension. Sie umfasst unter anderem das gesamte finanzielle und soziokulturelle Erbe einer Person. Nur wenige davon und auch nur die hervorstechenden Erfolgskriterien sind bislang erfasst. So entstammen Gründer:innen in Deutschland in der Regel höheren Einkommens- und Bildungsschichten. Beispielsweise ist das Nettoeinkommen von knapp der Hälfte der Gründer:innen in den höchsten Einkommensklassen angesiedelt. Unter den „Nascent Entrepreneuren“, also denjenigen, die gerade erst dabei sind zu gründen aber demzufolge zunächst noch keinen Umsatz generieren, ist der Anteil in den oberen Einkommensklassen am höchsten. 

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Ein weithin erkennbarer Erfolgsfaktor ist das Bildungsniveau, das auch mit individuellem und gesellschaftlichem Status einhergeht. Über 50 Prozent der Gründer:innen in Deutschland haben einen Hochschulabschluss. Wie aus der Bildungsforschung hinreichend bekannt ist, hängt der Besuch einer Hochschule im Wesentlichen von dem Bildungsstand der eigenen Eltern ab. Hier bestätigt sich die Beobachtung, dass Gründen in Deutschland ein Privileg gut situierter Personen und die soziale Mobilität von Gründenden eher gering ausgeprägt ist. Diese Hypothese zu überprüfen und auf ein gesichertes, datenbasiertes Fundament zu stellen, würde die Ausgangslage zur Diskussion über die Chancen, die durch höhere soziale Mobilität der Gründenden für Deutschland entstünden, verbessern. Für Menschen, die gründen wollen, aber keine gründungsnahe soziale Herkunft aufweisen, bilden offensichtlich die Netzwerkbildung, Finanzierung und der Aufbau von Fachwissen entscheidende Hürden. Die fehlenden Kenntnisse über die wichtigsten Zusammenhänge gelten auch hier ebenso wie für die übrigen  Dimensionen von Geschlecht, Alter und ethnische Herkunft.  

Aber in welcher Weise diese Faktoren eine Rolle spielen, wie sie mit den Diversitätsdimensionen interagieren, vor allem, welche Möglichkeiten bestünden, diese Hürden zu überwinden, um dadurch die soziale Mobilität in Deutschland zu fördern, darüber besteht bislang deutlich zu geringes Wissen.  

Es wäre gesellschaftlich und ökonomisch ein großer Gewinn, gezielt in dieses Wissen zu investieren, beispielsweise mithilfe von Forschungsaufträgen, die einer entsprechend fokussierten Fragestellung nachgehen. Die Rendite daraus wäre wissenschaftlich sehr leicht zu bestimmen. Es ist das nicht gehobene Potenzial von verpassten Gründungen, der entgangene Gewinn für eine nachhaltige Wirtschaft aus fehlenden Gründungen. Es wäre eindeutig um ein x-faches größer als jede Investition in die sofort skalierbare Erkenntnis, wie mehr Gründungen durch diese Gruppe erfolgreicher werden können.  

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