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Brigitte Zypries
26. Februar 2021

Israel: Gelobtes Land der Kooperation

Deutschland schimpft, Israel impft - die Corona-Pandemie macht den Handlungsbedarf im Bereich Digitalisierung in Deutschland nochmal überdeutlich, während Israels Impfgeschwindigkeit weltweite Bewunderung auf sich zieht. In einem Gastbeitrag beschreibt Brigitte Zypries, Bundesministerin a.D. für Wirtschaft und Energie, das wirtschaftliche Kooperations- und Lernpotenzial in Sachen Innovation zwischen Deutschland und Israel.

Israel und Deutschland profitieren in vielerlei Hinsicht von einer engen Kooperation – insbesondere auf wirtschaftlicher Ebene. Deutschland ist Israels wichtigster Wirtschaftspartner in der EU und hat sich als alte Industrienation durch höchste Qualitätsansprüche und großes Knowhow einen Namen gemacht. Israel hat derweil seit der Staatsgründung vor knapp über 70 Jahren eine rasante Entwicklung durchlaufen und gehört heute zu den technologisch fortschrittlichsten Volkswirtschaften der Welt. Mit seiner hochdynamischen Innovationslandschaft wird Israel zurecht als Startup Nation gesehen.

Hier besteht ein enormes Potenzial für Zusammenarbeit, was bisher noch nicht ausreichend ausgeschöpft ist. Dies war einer der Gründe, weshalb ELNET Deutschland zum 55. Jubiläum der deutsch-israelischen Beziehungen im vergangenen Jahr das German Israeli Network of Startups & Mittelstand (GINSUM) gegründet hat. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert und von über 20 Partnern aus beiden Ländern unterstützt. Das Netzwerk wird außerdem von mehr als 50 ehrenamtlichen Botschafterinnen und Botschaftern aus Deutschland und Israel repräsentiert, die das Projekt beratend begleiten und den gegenseitigen Wissenstransfer voranbringen.

Im Mittelpunkt von GINSUM steht die Verknüpfung israelischer Startups mit dem deutschen Mittelstand und kommunalen Unternehmen sowie die Initiierung und Unterstützung von langfristigen Ansiedlungen israelischer Startups in Deutschland. Das Projekt ist auf der einen Seite darauf ausgerichtet, die deutsch-israelischen Beziehungen zu stärken, auf der anderen Seite dient es der gezielten Lösungsfindung für spezifischen Herausforderungen unserer Zeit und unterstützt damit die digitale Transformation des deutschen Mittelstands.

Eines der Hauptziele ist es daher, dazu beizutragen, vorhandene Defizite im Bereich der Digitalisierung in Deutschland abzubauen und bedeutende Synergien in der Zusammenarbeit mit Israel freizusetzen. Laut einer Studie des Bitkom stuft der deutsche Mittelstand seinen eigenen Stand der Digitalisierung mehrheitlich als nur befriedigend ein. Nur jedes dritte Unternehmen verfügt überhaupt über eine eigene Digitalisierungsstrategie. Dies bestätigte sich  erneut in einer aktuellen Umfrage (Ende 2020) des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK).

Tel Aviv im Aufbruch
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Israel dahingegen ist im Kontext Digitalisierung hervorragend aufgestellt. Mit seinen herausragenden Startups bietet es qualifizierte Talente sowie nachhaltige Innovationen und Lösungen. Start-Up Nation Central, strategischer Partner von GINSUM in Israel und Sprachrohr der Tech-Szene vor Ort, zählt über 6.500 Startups. Jedes Jahr kommen weitere hinzu und manche davon entwickeln sich schnell zu globalen Playern mit Milliardenbewertungen. Alleine 2020 kamen 15 Unicorns (Startups mit einer Bewertung von mehr als 1 Milliarde USD) hinzu, mehr als in jedem anderen europäischen Land.

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Das enorme Potenzial, das die israelische Tech-Szene bietet, ist schon länger kein Geheimnis mehr und dennoch gibt es weiterhin zentrale Hindernisse, welche die Kooperationen zwischen Deutschland und Israel erschweren. Die Studie „German and Israeli Innovation – the Best of Two Worlds“ der Bertelsmann Stiftung identifiziert drei Herausforderungen: fehlender Marktzugang, fehlende Transparenz über relevante Marktakteure sowie fehlende interne Ressourcen bei der Partnersuche.

Als unabhängige und neutrale Plattform widmet GINSUM sich ausdrücklich diesen Aspekten und bietet mit erfahrenen deutschen und israelischen Partnern an seiner Seite ideale Voraussetzungen, den enormen Mehrwert enger Kooperation für eine Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu nutzen. Israel profitiert hingegen durch den Aufbau starker Partnerschaften mit langjährig etablierten Unternehmen des deutschen Mittelstandes, die auch als Türöffner zu weiteren Kooperationen innerhalb Europas fungieren können.

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Das Projekt konzentriert sich auf vier Kernbereiche und relevante Zukunftsthemen:

    • Digital Health
    • Cyber Security
    • GreenTech
    • Safe & Smart City (mit dem Fokus auf Energie, Mobilität und Sicherheitsstrukturen)

Die israelische Regierung fördert diese genannten Branchen seit Jahren mit immensen Mitteln. Allein im Zuge der beginnenden Corona-Krise wurden bereits Mitte März 2020 13 Millionen USD für Startups bereitgestellt, die erfolgversprechende Lösungen im Kontext Corona entwickeln.

Darüber hinaus ist Israel auch beim Thema Cyber Security ein Vorreiter. Bereits 2002 wurde hier die National Information Security Authority ins Leben gerufen, die sich nicht nur dem Schutz kritischer Infrastruktur widmet, sondern auch den Schutz privater Akteure vor Angriffen von außen als eine zentrale staatliche Aufgabe wahrnimmt. Die Cybersicherheitsinfrastruktur Israels gehört mittlerweile zu den fortschrittlichsten der Welt – mehr als 300 Startups gibt es in diesem Bereich. Auch hier besteht größtes Potenzial zum Austausch mit Unternehmen aus diversen Kontexten oder auch kommunalen Akteuren.

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Die Themen GreenTech und Safe & Smart City bieten darüber hinaus ebenfalls sehr vielversprechende Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Israel. Für Deutschland als Wirtschaftsstandort werden nachhaltige, „grüne“ und effiziente Lösungen sowohl in unternehmerischen als auch staatlichen oder kommunalen Strukturen immer relevanter, wenn nicht bereits unabdingbar.

GINSUM setzt genau hier an. Gemeinsam mit seinen Partnern und einem hervorragenden Expertennetzwerk aus ehrenamtlichen Botschafterinnen und Botschaftern wird ELNET im Rahmen des Projekts zukünftig in all diesen Themenbereichen Austauschformate, wie beispielsweise Roadshows, Pitch Events und Workshops umsetzen. Außerdem sind Studien im Kontext deutsch-israelischer Innovationen und der Aufbau einer Online-Plattform zur Vernetzung geplant. Darüber hinaus sollen im Rahmen des Programms EXIST-Potenziale auch mit Universitäten Projekte im Kontext Entrepreneurship initiiert werden. Insbesondere beim Thema Internationalisierung verfügen israelische Gründerinnen und Gründer über hervorragende Erfahrungen, so dass sich für Studierende deutscher Entrepreneurship-Programme ein tiefergehender Austausch empfiehlt.

Zusammengefasst lautet meine Empfehlung daher: Die Startup Nation Israel hat ein großes Potenzial für Deutschland. Unsere Städte und der Mittelstand können von innovativen Ideen dort lernen – beispielsweise im Bereich Cybersecurity – und sich über die besten Verfahren austauschen. Gleichzeitig kann der Wirtschaftsstandort Deutschland für israelische Startups ein Türöffner in den europäischen Markt sein. Diese Synergien sollten gehoben werden. Deshalb sind Organisationen wie ELNET, die Brücken zwischen den Ländern bauen, sehr wichtig. Das German Israeli Network of Startups & Mittelstand (GINSUM) füllt eine Lücke und wird einen wichtigen Beitrag für die Zusammenarbeit beider Länder leisten.

Siehe dazu auch:

Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Dr. Joachim Rother: Innovation and Cooperation – Connecting German Mittelstand and Israeli Startups – Learnings and recommendations from an innovation exchange project, Gütersloh 2020

Blogbeitrag: Innovationen als Gesellschaftskitt? – Das Beispiel Israel

 

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