Will man die Gründungslandschaft in Deutschland mit einem Wort beschreiben, dann wäre es wohl dieses: ausbaufähig. Das gilt auch für die Vielfalt der Gründenden. Die Bundesregierung hat dies ebenfalls erkannt und zu Beginn der Legislaturperiode erstmalig eine Startup-Strategie ausgearbeitet, deren Ziele mit Meilensteinen unterlegt und deren Fortschritt in Ampelfarben überprüft wird.
Laut Anna Christmann, der Beauftragten der Bundesregierung für Startups, Luft- und Raumfahrt, sind 81 Prozent der Strategie bis jetzt erreicht. Um unter anderem die Freude darüber mit der Community zu teilen, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zum Startup Summit eingeladen. Eine Art Klassentreffen derer, die sich rund um das politische Berlin und die Startup-Szene tummeln.
Etwas Kongress, etwas Show, ein wenig vorläufige Abschlussveranstaltung und Neuanfang lagen im Raum. Unterlegt mit kleinen Möglichkeiten zur Partizipation und leiser Technomusik – erstaunlich leise für eine Startup-Veranstaltung in Berlin. Alles gut durchdacht und wohl in Szene gesetzt, bei näherer Betrachtung aber nicht zufriedenstellend, um Lösungen für die Herausforderungen im Gründungsökosystem zu präsentieren.
Brauchen wir in Deutschland noch eine weitere Startup Konferenz?
Man könnte meinen, dass es mit der Bits&Pretzels, Hinterland of Things oder OMR bereits ausreichend große Events gibt, die die Szene versammeln und genügend Raum zum Austausch bieten. Das kollektive Schulterklopfen könnte auch dort stattfinden, wo die Szene bereits ist. Aber dieser Bundesregierung sind Innovatoren in der Wirtschaft wichtig. Daher kann und soll der Erfolg ressortübergreifender Zusammenarbeit eine große Bühne bekommen.
Mit dabei schwingt auch ein Wunsch für die Zukunft: Denn Deutschland ist wirklich nicht bekannt dafür, viele große Startups, sogenannte Unicorns, hervorgebracht zu haben. Das sind Unternehmen, die mit über einer Milliarde US-Dollar bewertet werden. 2023 kam Deutschland auf 32 dieser Einhörner, besonders bekannt darunter sind DeepL (Übersetzungssoftware) und 1Komma5Grad (Virtuelle Kraftwerke). Im selben Zeitraum waren es in den USA über 700 dieser Art.
Um hier gegenzusteuern, wurden auch die Gewinner des „längsten Pitches der Startup Szene“ gekürt: 16 junge, innovative Unternehmen, die sich durch lokale und regionale Pitches gekämpft haben, um am Ende ihr Unternehmen und die wirtschaftliche Innovation ihres Bundeslandes in Berlin zu vertreten. So viel Föderalismus muss die Startup-Welt schon mitmachen.
Unter den Gewinnergeschäftsmodellen war viel Technologisches, einiges mit Mehrwert für die Umwelt, ein obligatorischer Roboter und bedauerlicherweise kein Unternehmen mit Zebra-Potential. Zebras sind Unternehmen, die einen nachhaltigen Ansatz verfolgen und großen Wert auf das Wohlergehen von Menschen UND Umwelt legen.
Die Vielfalt fehlt
Auch mit Blick auf die Vielfalt der im Wettbewerb erfolgreichen Gründer:innen ist noch deutlich Luft nach oben. Laut Fortschrittsbericht der Bundesregierung zur Startup-Strategie sind bereits 100 Prozent der Diversity bezogenen Maßnahmen zur Gründungsförderung erreicht. Die Innovatoren aus den einzelnen Bundesländern, die hier im Wettbewerb antraten, sind jedoch vornehmlich männlich, weiß, Anfang 30 und besser gebildet. Klar dauert es, bis eine implementierte Maßnahme Wirkung entfaltet. Doch sollte es nach Erreichen der ersten Maßnahmen nicht darum gehen, sich neue Ziele zu setzen – solange, bis ein Zustand erreicht ist, der zumindest annähernd die Diversität der Bevölkerung repräsentiert?
Dieses Bild bot auch die Konferenz an sich. Lucy Larbi, Co-Founder von AiDiA, dem ersten afrodeutschen Pitch-Event, wundert sich in ihrer Zusammenfassung zurecht: Zwei Wochen zuvor kamen zum AiDiA-Event rund 1000 PoCs – People of Colour – aus der Szene, während zum Startup Summit nur 6 People of Colour kamen. Und das, obwohl die Startup-Strategie erstmalig einen eigenen Förderstrang für migrantische Gründer:innen geöffnet hat. Gezählter strategischer Erfolg ist leider nicht gleichzusetzen mit sichtbarer Repräsentanz. Schade, denn immerhin gab es ein paar sehr gut besetzte Panel auf dem Startup Summit, die den Finger in die Wunde mangelnder Repräsentanz von Frauen und Menschen mit Migrationsgeschichte im Startup Sektor legten.
Hier wurden auch Lösungsideen entwickelt, wie den Problematiken begegnet werden kann. So ist es unumgänglich, dass im Zuge der digitalen Bearbeitung von Visaverfahren auch die dahinterliegenden Prozesse entschlackt werden und zum Beispiel an der Anerkennung von Berufsqualifikationen weitergearbeitet wird. Sich weiter Schritt-für-Schritt an einzelnen Branchen abzuarbeiten, erscheint sehr mühselig und langwierig angesichts der Möglichkeiten, die digitale Kompetenzauswertungen bereits heute bieten.
Ein Problem, auf das sich alle einigen konnten, war Geld. Zu wenig großes Geld: Die Tickets, wie es in der Szene heißt, die den richtig großen Scale ermöglichen, also dem Unternehmen einen richtig großen Wachstumsschub bieten. Eine Lösung für dieses Problem soll bis 2030 – und voraussichtlich darüber hinaus – WIN bieten.
„WIN“: Mehr Wachstums- und Innovationskapital für Deutschland
12 Milliarden Euro hat die KFW Capital mit dem Bundesfinanzministerium, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, verschiedenen Banken, Versicherern und mehreren großen Unternehmen eingesammelt. Sie sollen bis 2030 in Startups investiert werden. Das sind jährlich 2 Milliarden Euro für anwendungsbezogene Forschung, Entwicklung von Prototypen, Investitionen in Gebäude und Arbeitskräfte.
Geld für den Skalierungsschritt, für den Startups ab einer bestimmten Größe in der Vergangenheit oft das Land verlassen haben, um sich dort anzusiedeln, wo die großen Geldgebenden sind. Vorbild ist die französische Initiative Tibi, die 2019 in der ersten Runde 6,4 Milliarden Euro eingesammelt hat und 2023 bereits in die zweite Runde ging.
Um eine Startup-Nation zu werden, müssen laut Prof. Dr. Helmut Schönenberger, Gründer UnternehmerTUM, jährlich 25 Millionen Startups hervorgebracht werden. Aber reichen die 12 Milliarden Euro dafür? Wahrscheinlich eher nicht, wie die versammelten Spitzenkräfte der Startup-Szene zur Verkündung der Initiative direkt sagen, sie freuen sich auf die zweite Runde.
Wird das bereitgestellte Kapital auch dazu beitragen, dass mehr Menschen gründen und das Gründungssystem in Deutschland vielfältiger wird? Wenn das Programm wirkt, wird es sicher einen mittelbaren Effekt haben. Mehr Menschen können Jobs im Startup-Sektor finden und junge Unternehmen können wachsen. Solange jedoch keine expliziten Steuerungskriterien, die die bisher unterrepräsentierten Gruppen fördern, an die Vergabekriterien gebunden sind, ist wenig Entwicklung zu erwarten.
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