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Dr. h.c. Edelgard Bulmahn
24. November 2021

Eine Zukunft nur mit Transformation durch Innovationen

Am 28. Oktober hat die Bertelsmann Stiftung den nach ihrem Gründer benannten Reinhard Mohn Preis zum Thema Innovation verliehen. In einem Gastbeitrag bringt die ehemalige Bundesforschungsministerin Dr. Edelgard Bulmahn eine Kernbotschaft dieses Preises nochmal auf den Punkt: Wir können die Herausforderungen der Gegenwart nur bewältigen mit Bildung, Wissenschaft, Innovation und Innovationsbereitschaft.

Die anhaltende Corona-Pandemie hat die Grenzen der Belastbarkeit unseres Gesundheitssystems und unserer Wirtschaft nachhaltig vor Augen geführt. Sie hat dabei vielfach vergessen lassen, dass die Überwindung der Pandemiekrise nur eine der Herausforderungen ist, vor denen Politik und Gesellschaft stehen. Wir werden eine Zukunft nur haben, wenn uns die Transformation unserer ressourcenzerstörenden in eine nachhaltige Wirtschaftsweise gelingt, wenn wir es schaffen, den menschengemachten Klimawandel zu begrenzen, und wenn es uns glückt, die Lebensbedingungen in den Ländern der Dritten Welt grundlegend zu verbessern. Und noch etwas, wenn wir unseren eigenen Lebensstandard bewahren wollen, müssen wir die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft stärken.

Die Corona-Krise hat wie in einem Brennglas die Schwächen in vielen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen unseres Landes deutlich werden lassen, sei es in der Infrastruktur, in der Digitalisierung, in der Verwaltung oder in der Pflege. Sie hat mit der schnellen Entwicklung des mRNA-Impfstoffes aber zugleich aufgezeigt, wie wir die Herausforderungen bewältigen können, nämlich mit Bildung, Wissenschaft, Innovation und Innovationsbereitschaft.

Innovationen sind das Lebenselixier moderner Gesellschaften. Innovationen aber sind nicht einfach nur neue Erkenntnisse, Ideen oder Technologien, genauso wichtig ist die Fähigkeit neue Erkenntnisse und Technologien zu generieren und erfolgreich in neue Produkte und Dienstleistungen zu transferieren. Dies erfordert Kreativität, Ideenreichtum, das Denken über die Grenzen des eigenen Umfeldes hinaus, unternehmerischen Wagemut und ein Umfeld, dass die Innovationen ermöglicht und fördert. Um es konkret zu machen: Wenn man die Funktionsweise der messenger-RNA entschlüsselt und verstanden hat, hat man noch nicht automatisch ein Medikament oder einen Impfstoff. Man muss erst einmal Ideen entwickeln, wie man die Erkenntnisse in der Medizin nutzen und wie man sie in eine Therapie, ein Medikament oder einen Impfstoff überführen kann. Und man braucht den Mut, diese Ideen umzusetzen, Kapital, um sie zu realisieren, und die Risikobereitschaft, auch scheitern zu können.

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Ein leistungsfähiges Bildungssystem ist die elementare Voraussetzung, damit Wissenschaft und Forschung sich entfalten können. Eine breitangelegte und exzellente Forschungs- und Wissenschaftslandschaft wiederum ist die Quelle neuer Erkenntnisse und damit die Basis für ein erfolgreiches und dynamisches Innovationsgeschehen. Die Förderung von Wissenschaft und Forschung ist kein Luxus, sie ist dringende Notwendigkeit, wenn wir unsere Zukunft nicht verspielen und den eingangs angesprochenen Herausforderungen entschlossen entgegentreten wollen. Im Wettbewerb mit den führenden Ökonomien werden wir uns zudem nur dann behaupten können, wenn wir unsere Forschungsanstrengungen weiter verstärken. Staat und Wirtschaft sollten deshalb alles daransetzen, die FuE-Ausgaben auf 4% des BIP zu steigern.

Der Erfolg bei der Entwicklung des mRNA-Impfstoffes und die jüngsten Nobelpreise zeugen von Exzellenz der deutschen Forschung. Trotz aller Bemühungen der letzten Jahrzehnte gelingt es uns aber nach wie vor nicht ausreichend, neue wissenschaftliche Erkenntnisse zügig in erfolgreiche Produkte und Dienstleistungen umzusetzen.

Hier müssen wir deutlich besser werden. Hochschulen und Wissenschaftsorganisationen sollten ihre eigenen Aktivitäten auf den Prüfstand stellen, Schwachstellen und Hemmnisse ermitteln und überwinden, Ausgründungen und Technologietransfer ermutigen und befördern. Partnerschaften und Verbünde zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sollten weiter ausgebaut werden. Und alle gemeinsam Wissenschaft, Wirtschaft und Staat müssen Innovationsprozesse und Forschungsprogramme strategischer ausrichten und fokussieren. Zwar kann niemand die Märkte der Zukunft mit Sicherheit voraussehen, wohl aber können wir versuchen, jene Forschungsfelder zu identifizieren, die das größte Potenzial für Innovationssprünge und neue Anwendungsfelder versprechen. Gegenwärtig dürften dies u. a. die Künstliche Intelligenz, die Biotechnologie, die Quantentechnologie, die Gesundheitsforschung, die Wasserstofftechnologie und die Umwelttechnologien sein.

Erfolg werden wir vor allem dann haben, wenn es uns gelingt, die verschiedenen Akteure gezielt miteinander zu vernetzen und strategisch auf gemeinsame Ziele auszurichten. Es wäre gleichwohl ein Fehler, die Forschungsförderung in erster Linie auf programmatische und anwendungsorientierte Felder ausrichten zu wollen. Eine breit angelegte und finanziell gut ausgestattete Grundlagenforschung ist die Basis für Erkenntnisfortschritte. Wer die Grundlagenforschung vernachlässigt, trocknet letztlich die angewandte Forschung aus. Erfolgreiche Innovationspolitik ist im Übrigen eine Querschnittsaufgabe der gesamten Politik. Sie reicht von der Forschungsförderung, über die Gestaltung innovationsfreundlicher Rahmenbedingungen im gesamten Bereich der Gesetzgebung, in der Normierung und Standardisierung bis zur gezielten Nutzung der Beschaffungspotenziale der öffentlichen Hand, um neuen Märkten zum Durchbruch zu verhelfen. Eine kohärente Innovationspolitik stellt sich nicht von allein ein. Es bedarf gemeinsamer Ziele, gemeinsamer Zukunftsvisionen, um Ressortegoismen, Zuständigkeitsbarrieren und Einzel- und Gruppeninteressen zu überwinden. Es muss innerhalb der Bundesregierung aber auch eine klare Verantwortung geben, wer für die Moderation des Prozesses zuständig ist, wer dafür sorgt, dass Entscheidungen getroffen werden, wer den Erfolg verabredeter Strategien regelmäßig überprüft und für eine Nachsteuerung eingeleiteter Prozesse sorgt. Und diese Person muss bereit sein Konflikte einzugehen und auszuhalten, sie muss Ausdauer besitzen und konsequent das Ziel verfolgen.

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Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang den nötigen Transformationsprozessen hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise zu. Sie führt zwar einerseits zu einem Niedergang erfolgreich besetzter Märkte wie im Kraftwerk- oder traditionellen Kraftfahrzeugbau, bietet andererseits aber ein enormes Potenzial für die Erschließung neuer Märkte, wenn wir mit einer entschlossenen Forschungs- und Innovationspolitik dafür sorgen, dass deutsche Unternehmen zu den weltweit führenden Anbietern nachhaltiger und zugleich konkurrenzfähiger Produkte werden. Flankiert werden sollten diese Anstrengungen durch eine entschlossene Modernisierung der öffentlichen Verwaltung, bei der im übrigen besonders die Länder und Kommunen gefordert sind, denn sie sind verantwortlich für den größten Teil der öffentlichen Verwaltung.

Es geht dabei nicht nur um die immer wieder beschworene Digitalisierung, sondern um einen grundlegenden Mentalitätswandel, bei dem die Bürgerinnen und Bürger nicht länger als Objekte der Verwaltung gesehen werden, sondern als Kunden, für die Dienstleistungen auf hohem Niveau erbracht werden. Wie die Verwaltung sich dabei organisiert ist die eine Seite, Bürgerinnen und Bürger wie Unternehmen sollten sich aber nicht länger mit unterschiedlichen Zuständigen herumschlagen müssen, sondern für konkrete Anliegen einen einzigen Ansprechpartner haben, der verpflichtet ist, die nötigen Vorgänge zu koordinieren. Wir haben es in der Hand, ob wir die Zukunft nachhaltig gestalten. Wir können es und müssen es auch wollen.

Momentaufnahmen von Edelgard Bulmahn in ihrer Arbeit als Ministerin, Volksvertreterin und engagierte Politikerin
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Weitere Informationen zum diesjährigen Reinhard Mohn Preis und dem Festakt zur Preisverleihung.

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