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Dr. Andreas M. Rickert
17. März 2022

Deutschland: Weltmeister für Soziale Innovationen

Deutschland ist im Jahre 2030 Innovationsweltmeister. Diese Vision hat Andreas Rickert und denkt sich unser Land dabei auch Vorreiter sozialer Innovationen. Damit diese Vision Realität wird, benötigt es vier Bausteine, die zusammen eine hohe Eigendynamik und Synergien entfalten werden.

Deutschland ist das innovativste Land der Welt. Das besagt der Bloomberg Innovations-Index 2020, nach dem wir Top-Bewertungen in den Bereichen wertschöpfende Produktion, sprich hochentwickelter Maschinenbau, bei der High-Tech-Dichte und Patentaktivität erreichen. Alles traditionelle Branchen, in denen wir seit Jahrzehnten als Weltmarktführer etabliert sind. Meine Vision ist es, dass Deutschland auch im Jahr 2030 Innovationsweltmeister ist, und ich wünsche mir, dass wir besonders für unsere Aktivitäten im Bereich Social Innovation ausgezeichnet werden. Denn das ist es, was ich als wichtigstes zukunftsorientiertes Business-Modell betrachte. Wir leisten einen klaren Beitrag zur Lösung der lokalen und globalen Herausforderungen. Ich sehe dabei vier Elemente, die uns für den Titel innovatives, sozial und gesellschaftlich engagiertes Deutschland im Jahr 2030 ins Rennen schicken werden.

Deutschland steht für Werte

Wir haben einen globalen Ruf als eine moralisch integre Nation und Gesellschaft. Diesem normativen Anspruch werden wir zukünftig auch durch unser Handeln in der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft absolut gerecht. Damit schaffen wir nicht nur eine plurale, offene, wertebasierte und starke Gesellschaft, sondern wir ziehen auch Talente und Kapital nach Deutschland.

Deutschland ist radikal innovativ

Wir verstehen die Herausforderung unsere Zeit – gut zusammengefasst in den Sustainable Development Goals (SDGs) der UN – nicht primär als Probleme, sondern auch als Chancen, Chancen für eine bessere Welt und Chancen für wirtschaftliche Entwicklungen. Im Jahr 2030 haben wir eine neue Generation an Impact-Akteuren, die mit sozialen Innovationen Lösungsansätze für gesellschaftliche, soziale und ökologische Herausforderungen bieten. Ein maßgebliches Unterscheidungsmerkmal sozialer Innovationen gegenüber anderen Innovationsformen liegt in der Zielsetzung: Bei sozialen Innovationen geht es um die Schaffung eines klaren gesellschaftlichen Mehrwerts beziehungsweise einer sozialen Wirkung (Social Impact).

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Vorreiter sind hierbei Startups: Bereits 2019 war laut dem im Deutschen Social Entrepreneurship Monitor für 83,5 Prozent der Gründer die gesellschaftliche Wirkung bedeutsamer als finanzielle Rendite und für insgesamt 96,7 Prozent mindestens gleichwertig mit finanzieller Rendite. Ein starkes Zeichen, was in den nachfolgenden Jahren für viel Veränderung in der Startup-Szene gesorgt hat. Dabei sind wir mittlerweile Vorreiter in verschiedenen Bereichen wie Klimaschutz, beispielsweise mit Ecosia, Ed-Tech mit der Ready School, Food mit SirPlus und sehr vielen nachhaltigen Produkten aus den Bereichen Fashion und Beauty.

Und auch die Großkonzerne erkennen ihre Verantwortung und die Opportunitäten. So legte beispielsweise mit „value balancing alliance“ der BASF und anderer Konzerne einen strategischen Ansatz vor, um die ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen der gesamten Wertschöpfungskette zu messen. Damit wurden in der Folge bei der Bewertung von Unternehmen alle Kosten, also sowohl angerichteter Schaden wie auch positive Wirkungen, mit einberechnet. Wir treiben auch die deutsche Schlüsselindustrie Mobility nachhaltig voran. Circular Economy und Share Economy sind hierbei treibende Prinzipien. So war etwa „Share Now“ aus dem Zusammenschluss von Daimler und BMW nur der erste Schritt. 2030 sind Autos, Scooter und Roller elektrisch und miteinander verbunden und Mobility Apps zeigen uns das jeweils beste Verkehrsmittel an, um an unser Ziel zu kommen. Insgesamt haben wir in den 2020er Jahren verstärkt in Innovationen investiert und uns dabei darauf konzentriert den rapiden Fortschritt in digitalen Bereichen wie Big Data, IoT, Blockchain, aber auch in anderen neuen Technologiefeldern wie der Künstlichen Intelligenz oder der Biotechnologie zugunsten des Gemeinwohls zu widmen.

Was uns erfolgreich gelungen ist, ist die Verknüpfung aller relevanten Akteure in Wirtschaft, Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft, um radikal neue Fragestellungen und Antworten zu erarbeiten, anstatt an der inkrementellen Verbesserung bestehender (und oftmals mangelhafter) Lösungsansätze zu arbeiten. Diverse Programme zur Förderung von Sozialunternehmen, Inkubatoren und Hubs sowie das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND) und die Bundesinitiative Impact Investing als Interessenvertretung gegenüber der Politik, sind etablierter denn je.  Unser Fokus liegt heute darauf, das Potenzial neuer (disruptiver) Technologien für eine weitreichende positive soziale Wirkung auszuloten.

Impact Investing ist Mainstram

Spiegelbildlich zu der Impact-Realwirtschaft erlebt Impact-Investing eine enorme Dynamik. Grundsätzlich gibt es in 2030 nur nachhaltige Geldanlagen – d.h. Kapital darf nur angelegt werden ohne Schaden anzurichten; und der Anteil von Impact Investing – d.h. Investments mit beabsichtigten und messbaren positiven Wirkungen – hat sich ausgehend von € 6 Mrd. in 2020 innerhalb von zehn Jahren verzehnfacht. Private Investoren und VC investieren dabei noch gezielter in Ideen mit sozialer Wirkung und institutionelle Investoren speisen große Fonds z.B. für Klimainvestments.

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Ein großer Katalysator war in den 2020er Jahren die Mobilisierung von nachrichtenlosen Konten. Bis zu 9 Mrd. Euro von Konten, die keinen EigentümerInnen zugeordnet werden können, wurden für die Finanzierung sozialer Innovationen verwendet. Auf staatlicher Seite haben sich in Deutschland insbesondere das BMFSFJ, das BMWi und das BMBF zum Thema soziale Innovationen positioniert und stellen entsprechende Fördermittel zur Verfügung. Ob der übergeordneten Bedeutung des Themas hat das Kanzleramt aber eine koordinierende Funktion übernommen und dem Vorbild von NESTA in UK eine staatliche Agentur für die Stärkung von sozialen Innovationen ins Leben gerufen.

Diese staatlichen Maßnahmen und Mittel werden durch Stiftungen und private Philanthropen flankiert. Hierbei ist weniger das Volumen entscheidend, sondern der hohe Freiheitsgrad und die Risikobereitschaft dieser Gelder, womit sowohl durch Förderungen wie auch Impact Investing besonders innovative, aber auch risikoreiche Ansätze in der Frühphase angeschoben werden können. In keinem anderen Land wird so viel Kapital für Impact zur bereitgestellt und so geschickt die verschiedenen Finanzierungsquellen miteinander verzahnt wie in Deutschland.

Berlin: Social Innovation Capital

Damit Innovationen „on the ground“ entstehen, braucht es ein stimulierendes Umfeld, ein Cluster. Und Berlin hat hierfür alle Zutaten: Eine lange Tradition von sozial-ökologischer Wirtschaft, Forschung und Lehre an Universitäten mit Weltruf, Politik und Verbände, hohe Dichte an gemeinnützigen Organisationen und NGOs, eine plurale, kreative und agile Bevölkerung. Und eine besondere Bedeutung in diesem Ökosystem kommt der Social-Entrepreneurship-Szene zu, welche sich durch eine hohe Dynamik auszeichnet.

Und so hat sich Berlin in den 2020ern als globaler Vorreiter etabliert – aber auch in anderen Städten Deutschlands hat sich diese Entwicklung immer stärker gezeigt. Unser Erfolgsrezept: Wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz, in dem wir einerseits innovative und agile Startups fördern, gleichzeitig auch etablierte Wirtschaftsunternehmen und zivilgesellschaftliche Organisationen involvieren. Eine weitere wichtige Rolle spielen Universitäten und Forschungseinrichtungen, indem Forschungserkenntnisse mit hohem Potenzial zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen in Inkubatoren in die Praxis transferiert und skaliert werden.

Für die Entwicklung von Berlin als weltweit anerkannte „Social Innovation Capital“ sind neben dem Handeln der Innovationen schaffenden Akteure stimulierende Rahmenbedingungen von entscheidender Bedeutung: Ein „Social Innovation Hub“ hat eine koordinierende Funktion und verknüpft die einzelnen Player aus den verschiedenen Sektoren. Ein „Social Innovation Fund“ hebelt weiteres Kapital und finanziert besonders potenzialträchtiger innovative Projekte. Eine klare Kommunikationsstrategie koordiniert von Berlin Partner positioniert Berlin im globalen Kontext und zieht so Impact-Investitionen und Talente nach Berlin. Im globalen Kontext hat Berlin, hat Deutschland, hat die EU mit werbebasiertem Handeln, mit sozialen Innovationen und mit Impact-Kapital klar einen Wettbewerbsvorteil!

Meine Zukunftsbausteine:

  • Werte als Wettbewerbsvorteil nutzen. Deutschland handelt konsequent wertebasiert und erkennt beispielsweise in den Herausforderungen unserer Zeit auch Marktopportunitäten.
  • Radikal innovativ denken. Deutschland bietet Raum für radikal neue Fragestellungen und Antworten. Der Fokus liegt darauf, Potenziale neuer (disruptiver) Technologien für eine weitreichende positive soziale Wirkung auszuloten.
  • In Social Innovation investieren. Zur Finanzierung der Sozialen Innovationen werden alle Quellen – wie VCs, Privatinvestoren, institutionelle Investoren, Stiftungen, staatliche Mittel – mobilisiert und entsprechend der jeweiligen Stärken miteinander kombiniert.
  • Berlin als neue Hauptstadt für soziale Innovationen etablieren. Berlin als Social Innovation Capital ist ein Impact-Epizentrum wo Start-up-Szene, etablierte Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft Verwaltung und Politik zusammenarbeiten zugunsten des Gemeinwohls.

Der Aufsatz von Andreas Rickert ist Teil einer Sammlung, die er als Herausgeber zusammen mit 80 Autoren in der Publikation  Zukunftsrepublik veröffentlicht hat  (ZUKUNFTSREPUBLIK – 80 Vorausdenker/innen springen in das Jahr 2030, erschienen  im  Campus-Verlag). Das Buch versammelt eine Vielzahl von Zukunftsvisionen, persönlichen Einschätzungen und Wegweisern für die sechs Kategorien Bildung, Wirtschaft, Arbeit, Gesundheit, Politik und Gesellschaft.

 

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