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Professor Dr. Volker Quaschning
8. Mai 2020

Corona: Pause für den Klimawandel ?

Die Viruskrise darf kein Ende der Energiewende bedeuten. Denn gerade Innovationen gegen den Klimawandel bergen in der Rezession weltweit ungeheure Potenziale für neues Wachstum.

Beim jüngsten Petersberger Klimadialog hat Bundeskanzlerin Angela Merkel noch einmal auf die Bedeutung von Investitionen in Innovationen beim Klimaschutz gerade angesichts der Coronakrise hingewiesen und vor falschen Alternativen zu Lasten einer noch verhängnisvolleren Klimaerwärmung gewarnt : „Umso wichtiger wird es sein, dass wir nicht etwa am Klimaschutz sparen, sondern dass wir in zukunftsfähige Technologien investieren. Insgesamt ist es wichtig, wenn Investoren sehen können, dass es sich lohnt, in moderne Technologien zu investieren.“ Schon am Vorabend der Coronakrise sprach das Stiftungsprogramm Nachhaltig Wirtschaften mit dem anerkannten Klimaexperten Professor Volker Quaschning gerade über die Chancen von Innovationen durch Klimaschutz.

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Frage: Wie bewerten Sie das Potenzial von Innovationen bei der Bewältigung des Klimawandels?

Professor Quaschning: Das Potenzial ist gewaltig, denn wir werden einen enormen Switch von alten zu neuen Technologien erleben, wie zum Beispiel zu den erneuerbaren Energien. Dabei brauchen wir die Windenergie, die Photovoltaik oder die Speichertechnologien. Und was wir da erleben, ist enorm spannend. Bei der Photovoltaik haben wir Kostensenkungen um den Faktor 10 und mehr erlebt. Hier waren wir sogar einmal technologisch führend, doch leider hat Deutschland diese Technologien kampflos an Asien abgegeben. Das ist unsere Achillesferse. Wenn wir zu lange an den alten Technologien festhalten, dann wird es problematisch. Denn umgekehrt ist es ein gigantisches Feld mit enormen Potenzialen. So arbeiten in China inzwischen 1,2 Millionen Menschen in der Photovoltaik. Da müssen wir dranbleiben und schauen, ob wir etwas von diesem Kuchen abbekommen.

Für manche Politiker erscheinen Innovationen gegenwärtig die Zauberformel im Kampf gegen den Klimawandel. Ist das aus Ihrer Sicht eher eine Suggestion, um notwendigen politischen Änderungen auszuweichen?

Ganz klar ja. Die Erfindungen sind ja schon gemacht. Wir wissen ganz genau, welche Technologien wir brauchen. Diese Technologien sind bereits vorhanden und bezahlbar, mit Preisen etwa für Photovoltaik, die unter dem Börsenstrompreis liegen. Wenn wir jetzt sagen „Wir warten noch auf Innovationen“, was soll das dann sein? Eine Maschine, in die ich einen Verbrennungsmotor stecke und das emissionsfreie Auto dabei herauskommt? Das wird ja nicht funktionieren. Sondern wir müssen jetzt die alten durch neue, innovative Technologien ersetzen, die bereits klimaneutral sind. Und diese werden weltweit eine enorme Rolle spielen. Und es wäre gut, wenn sich Deutschland dabei ganz vorn positioniert. Doch leider sind wir in Bereichen, die für uns eine enorm große Rolle spielen, wie in der Automobilindustrie, leider nicht vorne dabei und das könnte langfristig auch ein Problem werden.

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Reichen beim Kampf gegen den Klimawandel allein technische-wirtschaftliche Innovationen, wo haben sie ihre Grenzen, was muss dazu kommen? Brauchen wir auch andere Geschäftsmodelle oder soziale Innovationen?

Wir haben ein Wirtschaftssystem, das auf unendliches Wachstum ausgerichtet ist, wohnen aber auf einem endlichen Planeten. Also werden wir irgendwann an unsere Grenzen kommen und wir werden das ausdiskutieren müssen. Doch bevor wir über Gesellschaftssysteme diskutieren, müssen wir die neuen Technologien an den Start bringen, von mir aus auch in den alten gesellschaftlichen Strukturen, damit wir schnell die Kurve bekommen. Denn es ist klar, dass wir in den nächsten zehn Jahren die Emissionen halbieren müssen.

Und wir müssen dabei die Frage der Gerechtigkeit im Blick behalten. Man kann das am Beispiel Auto zeigen: Hierzulande kommt auf 1,7 Einwohner ein Auto. Wollte man diese Quote auf die Welt übertragen, dann hätten wir dreimal so viel Fahrzeuge. Und unabhängig von der Antriebstechnik würde der Rohstoffbedarf den Planeten an die Grenzen treiben. Daher benötigen wir eine Lebensform, die uns einerseits einen hohen Lebensstandard gewährleistet, aber andererseits diese Grenzen nicht überschreitet. Das bedeutet aber auch weg von alten Mustern. Also weiterhin mobil sein, doch dabei mit wesentlich weniger Ressourceneinsatz.

Reichen dafür die Anreize und Lenkungswirkung des Marktes aus oder benötigen wir ergänzend auch gesellschaftlich formulierte innovationspolitische Ziele?

Dies reicht eindeutig nicht, wie man am Beispiel der CO2-Steuer sehen kann. Wir diskutieren derzeit sehr geringe Aufschläge, die keinerlei Lenkungswirkungen haben werden. Und selbst, wenn wir den Preis pro Tonne CO2 auf 200 Euro oder knapp 50 Cent pro Liter Benzin erhöhen würden, würden viele einfach weiterfahren. Was wir benötigen, ist eine Kombination aus Anreizen und Regeln. Auch klare Regeln, vor denen wir aber auch keine Angst haben dürfen, denn sie schaffen Orientierung und Ordnung. Nehmen wir das Beispiel der Regel an der roten Ampel, bei der übrigens auch niemand von Verboten spricht. Ein Aufschlag von ein paar Cent beim Überschreiten einer roten Ampel oder eine freiwillige Selbstverpflichtung, würde das totale Chaos schaffen. Eine wirksame Regel, die wir im Klimabereich schaffen, die auch durchgesetzt werden müsste, würde übrigens nach kurzem von jedem akzeptiert werden. So ein System funktioniert dann auch.

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Gibt es im Bereich der Energiewende genügend Innovationen und auch Technologien, für die hierzulande ein dringender Nachholbedarf besteht?

So richtig vermissen kann ich eigentlich nichts, aber wir müssen noch einige Hausaufgaben machen. Wir brauchen noch im Speicherbereich ein paar Innovationen. Aber auch hier ist abzusehen, dass wir in den kommenden zehn Jahren die erforderlichen Entwicklungen machen werden und daher können wir jetzt schon beherzt mit den neuen Technologien in den Markt gehen.

Als ich vor 30 Jahren im Bereich der Photovoltaik angefangen habe, kostete die Kilowattstunde Solarstrom zwei Euro, die jüngste Ausschreibung erbrachte dagegen weniger als vier Cent. An dieser Entwicklung hatte Deutschland ein großen Anteil mit der besten Forschung und Entwicklung. Als deutsche Ingenieure dürften wir auf solche Leistung eigentlich vor allem stolz sein. Doch leider haben wir den größeren Anteil der Technologien inzwischen an China abgegeben. Und im jetzt relevanten Bereich der Speichertechnologien ist Deutschland eher das Entwicklungsland und China eher führend.

Warum sollte sich die Wirtschaft verstärkt gezielt auf Innovationen zugunsten einer CO2freien Energieerzeugung fokussieren? Wo liegen die Vorteile und Potenziale aus ökonomischer Sicht?

Wir haben auf der Erde weit über eine Milliarde Autos, das sind alles Verbrennungsmotoren. Die werden wir in zehn Jahren nicht mehr betreiben können. Wir haben eine Menge Kohlekraftwerke, die wir in zehn bis 15 Jahren durch Windenergie, Solarkraftwerke und Speicher ersetzen müssen. Der Markt ist einfach gigantisch und Deutschland als Exportnation sollte auf diese neuen Märkte fokussieren. Wir erleben gerade, dass alle Länder im Bereich der Verbrennungsmotoren ihre Märkte dicht machen. Im Jahre 2030 werden wir Indien und China keine Verbrennungsmotoren mehr verkaufen können. Wenn Deutschland jetzt aber stur weitermacht und auf Verbrenner setzt, dann werden wir hier einen massiven Wirtschaftseinbruch erleben. Und wir sollten daher aus der Not eine Tugend machen. Unsere Position muss sein: Wir haben zwar die alten Technologien und wir müssen für den Klimaschutz viel verändern, aber wir können uns hier gut aufstellen, damit wir wieder führend bei den Zukunftstechnologien werden und um unseren Wirtschaftsstandort zu erhalten. Wir dürfen unseren Wohlstand nicht verlieren, indem wir auf die alten Technologien setzen, die wir in zehn Jahren nicht mehr verkaufen können.

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Was sagen Ihnen Investoren, wenn Sie so argumentieren?

Da hat sich mittlerweile auch sehr viel verändert. Bis etwa vor fünf Jahren galt noch die Meinung, „diese Spinner haben da doch überhaupt keine Ahnung von Wirtschaft.“ Inzwischen ist es ja so, dass die großen Investoren wie BlackRock sogar davon abraten in fossile Technologien zu investieren, weil sie genau diese Entwicklung erkennen. Wenn wir an die Grenzen kommen, werden wir zudem auch irgendwann viel schneller agieren müssen. In den Niederlanden wurde die Regierung jetzt verklagt, die Klimaziele einzuhalten, die sie ähnlich fahrlässig verfolgt hat wie in Deutschland. Dort diskutiert man gar nicht mehr über Tempo 130, sondern dort wurde per Gerichtsbeschluss Tempo 100 auf den Autobahnen erzwungen, weil man sonst die Klimaschutzziele eben einfach nicht einhalten kann.  Alles Zögern heute sorgt dafür, dass wir nachher ein böseres Erwachen haben werden.

Die Politik in Deutschland und Europa kann in der Regel nur einen allgemein förderlichen Rahmen für Innovationsförderung schaffen? Brauchen wir nicht aber auch eine Innovationspolitik, die einer gezielten Mission folgt und die relevanten gesellschaftlichen Herausforderungen in den Blick nimmt?

Ich sehe gerade sehr gute Zeichen aus Europa, wo Frau von der Leyen mit dem Green New Deal versucht, viel umzusetzen. Da gibt es noch viel Widerstand und wir müssen sehen, was davon übrigbleibt. Aber wenn es Europa gelingt, dies umzusetzen, dann wird es weltweit ein Vorbild sein, das von anderen wahrgenommen wird. Zum Beispiel Afrika: Hier hat man sich immer an Europa orientiert und natürlich dabei bislang an seinen alten Technologien. Der Kontinent mit seinen über eine Milliarde Einwohnern hat ein enormes Entwicklungspotenzial und ist auch als Markt von großer Bedeutung. Wenn Europa hier als Vorbild agiert, dann können wir solche großen Kontinente auch mitnehmen und einerseits einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten und andererseits auch wirtschaftlich attraktiv bleiben. Denn Afrika wird auch von asiatischen Ländern und besonders China gesehen und wenn wir als Exportnation nur ein bisschen erfolgreich bleiben wollen, dann dürfen wir das nicht aus den Augen verlieren.

Politik ist notwendigerweise sehr langsam, sie ist verzögernd, muss Kompromisse suchen. Wünscht man sich da aus der Perspektive der Wissenschaft einen größeren Einfluss von Experten, vielleicht sogar ein Art „Expertokratie“?

Ich wünsche mir erst einmal, dass die Expertenmeinung vor allem umgesetzt würde. In den letzten Jahren war das dagegen ein Stück weit kafkaesk. Die versammelten Klimaforscher haben dargestellt, was unbedingt geschehen muss und die Politik hat dies als richtig erkannt. Es ist also nicht so, als wenn die Politik nicht wüsste, was zu tun ist. Die Erkenntnisse aber wurden danach wohlwollend in den Schrank gestellt und genau das Gegenteil von dem gemacht, was getan werden müsste.

Das ist auf die Dauer nicht nur frustrierend, weil man sich als Wissenschaftler nicht mehr ernst genommen fühlt, was vielleicht eher ein persönliches Problem wäre. Sondern man weiß ja auch genau, welche Folgen auf einen zukommen werden. Denn wir zeigen auch, was passieren wird, wenn wir dieses und jenes nicht unternehmen. Und die Aussichten sind dafür sehr schlecht, sogar extrem trübe, bis hin, dass wir uns Sorgen, massive Sorgen über die Lebensgrundlagen der jüngeren Generation machen müssen.

Deswegen ist es einfach fatal, dass wir jetzt einfach so weitermachen. Das wird vielleicht noch fünf oder zehn Jahre so weitergehen, dann kommt das böse Erwachen und alle werden rufen: „Ach, das haben wir ja gar nicht gewusst.“ – Doch, das haben wir gewusst, aber alle Erkenntnisse darüber stehen bei uns mittlerweile im Schrank.

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