Eine auf Kreisläufe ausgerichtete Wirtschaftsweise kann die Achtung sozialer und ökologischer Grenzen ermöglichen, das ist soweit allgemein bekannt, wenn auch noch wenig realisiert. Ebenso bekannt ist die kurze Zeitspanne, die verbleibt, um die Klimakrise abzuwenden und unseren Planeten für alle jetzigen und alle kommenden Generationen lebenswert zu erhalten.
Der Circularity Gap Report 2022 zeigt, wie groß der Einfluss unserer Ressourcen- und Materialnutzung auf den Zustand unseres Planeten ist. Und zwar nicht nur auf das Klima, sondern zum Beispiel auch auf die Diversität von Tieren und Pflanzen, die Fähigkeit unserer Böden Nahrung zu produzieren und Verschmutzung jedweder Art. Die Transformation von einer linearen „take-make-waste“-Wirtschaft zu einer Circular Economy ist ein valider Ankerpunkt, um diese großen betriebswirtschaftlichen, politischen, sozialen, ökologischen und volkswirtschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen. Unter einer Circular Economy ist hier das Schließen von Material-, Energie-, Informations- und Wertschöpfungskreisen und einem einhergehenden systemischen Wandel zu verstehen.
Insbesondere in Unternehmen wird eine Transformation hin zu einer Circular Economy jedoch schnell mit großen Hürden in Verbindung gebracht. Es werden Vorbehalte gegenüber wieder genutzten Rohstoffen – sogenanntem Sekundärmaterial- geäußert, das fehlende Wissen bei Lieferant:innen und Kolleg:innen bemängelt oder die Lukrativität angezweifelt. Es sind solche Argumente und Mythen, die Pfade einer linearen Wirtschaft verfestigen und eine Transformation hin zu einer Circular Economy erschweren. Auch konzentriert sich derzeit der Löwenanteil des derzeit publizierten Forschungsdiskurses auf Schwächen und Definitionsansätze zu Nuancen einer Circular Economy.
Gleichzeitig kristallisieren sich klare Ansatzpunkte heraus, damit die Umsetzung einer Circular Economy gelingen kann. Insbesondere Kollaboration mit Partner:innen aus zirkulären Wertschöpfungsnetzwerken ist immer wieder gemeinsamer Nenner bei Lösungsansätzen, idealerweise innerhalb eines verlässlichen Rahmenwerks, in dem agiert werden kann.Diese Wertschöpfungsnetzwerke ermöglichen eine gewisse Verlässlichkeit in der Transformation, das Teilen von Learnings und die angemessene Begegnung unserer komplexen Welt.
Gleichzeitig braucht es eine gewisse gedankliche Offenheit, um Innovationspotential zu erkennen und umzusetzen. Dies kann auf Geschäftsmodellebene sein, indem langfristige Kund:innenbindung durch Verleih-Modelle entstehen oder auf Materialebene, wo eine unerwartete Unternehmenskooperation neue Wertschöpfung aus vorherigem Müll passiert.
Die existierenden Mythen, wie auch mögliche Lösungen, betrachtet der neue Sammelband ‘Mythen der Circular Economy’. Ein Buch für alle Interessierten, Skeptiker:innen aber auch Fürsprecher:innen der Circular Economy. Autoren und Autorinnen aus Wissenschaft und Praxis klären mit dem Buch darüber auf, was es mit dem Konzept der Circular Economy auf sich hat und wo heute schon Ansätze zirkulären Wirtschaftens zeigen, was für ein großes Potenzial in dieser neuen Form des Wirtschaftens für eine nachhaltige Zukunft liegt. Das Werk betrachtet sowohl die wissenschaftliche Perspektive als auch die Herausforderungen im unternehmerischen Handeln mit dem Ziel, Argumente und Mythen zu widerlegen. Es schlägt eine Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis, indem wissenschaftliche Erkenntnisse mit Good-Practices und unternehmerischen Erfahrungswerten verbunden werden.
Warum ist dabei von „Mythen“ die Rede? Wenn Neues entsteht oder Veränderung stattfindet, dann entstehen schnell Mythen. Kern dieser Mythen ist die Aussage: Das Neue ist nicht realisierbar, Wege der Veränderungen nicht gangbar. Fazit: Finger weg davon! So geschieht es auch heute in der Diskussion über Ansätze zirkulären Wirtschaftens oft. Allgemein heißt es dann etwa: „Langlebige Produkte sind schlecht für das Geschäft“. Branchenspezifisch wird zugespitzt: „Eine Ressourcenwende im Bauwesen lässt sich nicht umsetzen.“
32 Wissenschaftler:innen und Unternehmer:innen formulieren hier aber eine klare Botschaft: Es muss nicht gleich der große Wurf sein, viele Transformationen beginnen im Kleinen. Wichtig ist nicht die Größe des ersten Schrittes, sondern dass er überhaupt und zügig gegangen wird. In verständlicher Sprache führen Unternehmensgründer:innen und Wissenschaftler:innen in die Circular Economy ein und erklären, was im aktuellen Diskurs unter das Konzept fällt. Die Take Aways am Ende jedes Kapitels und Handlungsempfehlungen ermöglichen ein zielgerichtetes Lesen, das in die Umsetzung führt.
Der Sammelband wird von Alexa Böckel, Jan Quaing, Ilka Weissbrod und Julia Böhm herausgegeben, wurde von Indeed Innovation designt und von der Bertelsmann Stiftung gedruckt und gefördert. Die digitale open access Version kann hier kostenlos heruntergeladen werden.
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