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Prof. Philipp Cimiano
Prof. Dr. Philipp Cimiano
17. Januar 2020

„Unsere Intention ist das Leben von Menschen zu verbessern

Schon heute können sich Menschen mit Maschinen über Sprache "verständigen". Professor Dr. Philipp Cimiano lehrt und forscht an der Universität Bielefeld daran, wie Maschinen und Menschen wirklich umfassend und vielfältig miteinander kommunizieren können.

Schon heute können Menschen Maschinen im Internet eigenständig nach Dingen suchen oder Einkäufe erledigen lassen. Programme wie Siri, Alexa und Google Assistant sind für viele Menschen zu persönlichen, digitalen Assistenten im Alltag geworden. Prof. Dr. Philipp Cimiano arbeitet an der Universität Bielefeld zu Themen wie Sprachverstehen, Wissensrepräsentation und Künstliche Intelligenz . Er will die Kommunikation von Menschen und Maschinen besser verstehen und organisieren. Im Interview erklärt er, wie es funktioniert und welchen Einfluss seine Forschung in Zukunft auf verschiedene Wirtschaftszweige haben könnte.

Professor Cimiano, Sie lehren und forschen an der Universität Bielefeld im Bereich „Semantische Datenbanken“. Womit genau beschäftigen Sie sich im Rahmen Ihrer Arbeit?

Der Schwerpunkt meiner Forschung liegt auf dem Bereich der automatischen Verarbeitung von unstrukturierten Datenmengen. Insbesondere geht es dabei um große Bestände von Text-Daten aus dem Internet, Social Media und wissenschaftlichen Publikationen. Genauer gesagt entwickle ich Programme, die Computer in die Lage versetzen, große Mengen von Texten nicht nur zu überblicken, sondern auch den Sinn in diesen zu verstehen.

Wie sind Sie auf diesen Forschungsbereich gekommen?

Ich bin schon seit 20 Jahren in diesem Bereich aktiv. In den 90er-Jahren habe ich dazu an der Universität Stuttgart meine Diplomarbeit geschrieben. Sie müssen wissen: Stuttgart war in den 90er-Jahren eine Hochburg der maschinellen Sprachverarbeitung. Bis heute ist Deutschland Vorreiter in diesem Bereich, auch wenn andere Nationen momentan aufholen. Vor allem die großen IT-Konzerne aus dem Silicon Valley haben sich dem Thema in den vergangenen Jahren stark gewidmet und eigene Technologien auf den Markt gebracht: Siri von Apple, Alexa von Amazon, Google Assistant … Auch China holt auf, da investiert die Regierung Milliarden in die Erforschung von künstlicher Intelligenz. Aber: Auch heute kommen noch viele Innovationen und Forschungsergebnisse in diesem Bereich aus Deutschland. Darauf können wir stolz sein.

Sie sprachen eben von „unstrukturierten Datenmengen“, die ein Computer auf Grundlage Ihrer Forschung analysieren kann. Können Sie genauer erklären, um welche Daten es sich dabei handelt?

Strukturierte Daten befinden sich bereits in einer Form, mit der eine Maschine etwas anfangen kann. Denken Sie an eine Excel-Tabelle: Zelle A1 beinhaltet eine bestimmte Information, Zelle A2 eine andere. Die Daten sind klar strukturiert und können von Maschinen leicht verarbeitet werden. Sie können sich zum Beispiel die Summe aus zwei nummerischen Zellen ausgeben lassen. Unstrukturierten Daten folgen dagegen keiner bestimmten Form. Ein Post bei Facebook beinhaltet zum Beispiel unstrukturierte Daten. Genauso wie ein Video bei YouTube, auch wenn wir in der Regel Textdaten meinen, wenn wir von unstrukturierten Daten sprechen. Wir schätzen, dass heute rund 80 bis 90 Prozent der gesamten Daten unstrukturiert sind.

Die spannenden Fragen für mich und meine Forschungsarbeit sind nun: Was braucht ein Computer, um Textdaten nicht nur verstehen, sondern auch in einen größeren Kontext einordnen zu können? Wie können Maschinen von uns Menschen lernen und dieses Wissen einsetzen, um einen Kontext zu erfassen?


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Besteht dabei nicht die Gefahr, dass der Algorithmus Literatur nach bestimmten Kriterien selektiert und so ein von einem Menschen gewünschtes Ergebnis ausspuckt?

Klar. Jede neue Technologie bietet das Potenzial, missbraucht zu werden. Algorithmen können von Menschen so trainiert werden, dass sie bestimmte Präferenzen haben und so Ergebnisse verzerren. Das ist aber nicht unsere Intention als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Unsere Intention ist es, das Leben von Menschen zu verbessern, die Erhöhung von Transparenz und Objektivität. Wenn ein Mediziner mit Hilfe von unserem Algorithmus größere Publikationsmengen überblicken kann, kann er seine Patienten auch fundierter und ausgewogener beraten.

Abgesehen von der Pharmaindustrie und der Medizinbranche: Welche Anwendungsbereiche Ihrer Algorithmen sind noch denkbar?

Grundsätzlich beschäftigen sich fast alle Wirtschaftszweige mit der Frage, wie Prozesse automatisiert werden können. Für Unternehmen bieten neue Technologien vor allem dann einen Mehrwert, wenn mit ihnen Prozesse, die vorher manuell abgelaufen sind, automatisiert und damit effizienter gestaltet werden können. Die Automobilindustrie ist da in Deutschland sicher ein großer Vorreiter, mehr und mehr Teile der Produktionskette werden automatisiert und von Robotern oder anderen Maschinen abgewickelt.

Auch für andere Branchen bieten KI-basierte Technologien – auch unsere – sicher viel Potenzial. Wie bestimmte Innovationen in den Produktionsprozess integriert werden können, muss aber sicher immer branchenspezifisch bewertet werden: Wie eben angesprochen ist dafür viel menschliches Know-How in der entsprechenden Branche nötig.


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Was kann es für eine Stadt wie Bielefeld bedeuten, dass auch in Ostwestfalen KI-Innovationen entstehen – und nicht nur im Silicon Valley in Kalifornien?

Was die Innovationsbereitschaft angeht hat sich hier in Ostwestfalen meiner Meinung nach in den vergangenen Jahren viel getan. Die Forschung beschäftigt sich hier sehr intensiv mit dem Thema, es gibt viele junge Entwicklerinnen und Entwickler, die versuchen, Innovationen auf die Straße zu bringen. Das tut der Region sicher gut.

Von der Politik würde ich mir in diesem Bereich noch etwas mehr Mut wünschen. Zum Beispiel in Bezug auf das Thema Zukunft der Mobilität: Wie schließen wir Regionen an, die nicht gut an unsere Städte angebunden sind? Wie schaffen wir es, dass Menschen – unabhängig davon, wo sie wohnen – mobil bleiben und nicht zwingend auf das Auto angewiesen sind? Das sind Fragen, auf die wir bisher nicht wirklich antworten haben, denen wir uns aber unbedingt stellen müssen. Denn: Von den Antworten, die wir auf diese Fragen finden, hängt sicher auch ein stückchenweit der Wohlstand und die Produktivität in Deutschland in Zukunft ab.

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