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Transformation vorantreiben: Worauf es bei der Formulierung von Missionen ankommt 

Der Ansatz der Missionsorientierung gewinnt in der politischen Praxis an Bedeutung. Essentiell ist dabei die sorgfältige Formulierung von Missionen. Ein neuer Praxisleitfaden von Bertelsmann Stiftung und Fraunhofer ISI bietet Hilfestellung. 

In den letzten Jahren hat sich die missionsorientierte Politik zu einem prominenten und viel diskutierten Ansatz entwickelt. Weltweit setzen Länder vermehrt Politiken um, die auf dieser Handlungsstrategie basieren.

Auch in Deutschland gewinnt die Debatte um eine stärker transformativ ausgerichtete (Innovations-)Politik an Fahrt. Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung beispielsweise findet der missionsorientierte Ansatz Erwähnung. Auch mit der Hightech-Strategie 2025 sowie der darauffolgenden „Zukunftsstrategie Forschung und Innovation“ des BMBF in 2023 hat Deutschland bereits wichtige Schritte in diese Richtung unternommen.

Nun gilt es, endlich in die konkrete Umsetzung von Missionen zu kommen. Und diese beginnt mit dem Schritt der Missionsformulierung.

Was ist missionsorientierte Politik?

Gegenwärtig ist unsere Gesellschaft mit komplexen Herausforderungen konfrontiert, sei es der Klimawandel oder die demographische Entwicklung. Und die Zeit drängt. Allerdings können derlei komplexe und thematisch breite Herausforderungen nur durch ein ressortübergreifendes politisches Handeln und durch eine konstruktive Zusammenarbeit der unterschiedlichen Interessensgruppen angegangen werden.

Es braucht also neue Wege der Aushandlung, Entscheidung und Umsetzung. Eine Lösungsmöglichkeit dafür bietet die missionsorientierte Politik mit klar umrissenen Missionen, die Herausforderungen direkt adressieren.

Im Gegensatz zu traditionellen Politikansätzen ist dieser Ansatz stark transformativ ausgerichtet und zielt darauf ab, große gesamtgesellschaftliche Herausforderungen mit einem problemorientierten sowie sektor- und ressortübergreifenden Ansatz anzugehen und dabei über Legislaturperioden hinweg zu denken. Näheres dazu finden Sie auch in diesem Beitrag.

Auf EU-Ebene gibt es bereits erste Beispiele für Ansätze, die der Logik missionsorientierter Politik folgen. Darunter fällt die EU-Mission der „100 klimaneutralen Städte“. Dabei sollen in einer ausgewählten Gruppe an Städten bis zum Jahr 2030 neue Wege zur Erreichung von Klimaneutralität erprobt werden. Dies ist das übergeordnete Ziel, der Weg dorthin ist jedoch den Städten selbst überlassen – es bleibt also Raum für Kreativität und für ortsbezogene Lösungsansätze. Lediglich eine klare Vorgabe gibt es: Akteure aus allen betroffenen Bereichen sollen in den Prozess eingebunden werden. Neben Vertreter:innen aus der Politik wirken also auch Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft aktiv an der Mission mit.

Herausforderungen und Voraussetzungen der missionsorientierten Politik

Die Chancen der missionsorientierten Politik – wie etwa eine breite Stakeholder-Einbindung oder ressortübergreifendes Handeln – stellen gleichzeitig jedoch auch ihre Herausforderungen dar. Im Vergleich zu etablierten Ansätzen ist missionsorientierte Politik daher auch deutlich anspruchsvoller in ihrer Umsetzung.

Wie kann ihr politikfeld- und sektorübergreifende Anspruch umgesetzt werden? Wie können ihre scheinbar widersprüchlichen Handlungsanforderungen miteinander vereint werden? Wie kann das Spannungsverhältnis zwischen klarer Zielformulierung einerseits und Offenheit für verschiedene Lösungswege andererseits aufgelöst werden?

All dies verlangt eine sorgfältige Abwägung zwischen Missionszielen, Steuerungsmechanismen und Anreizstrukturen. Allerdings gibt es bislang noch wenig praktische Politikerfahrung – die Begleitforschung der aktuellen Initiativen ist in vollem Gange. Ein weiteres Hindernis für eine erfolgreiche Umsetzung ist die fehlende gemeinsame Orientierung der Akteure: Wie werden die Ziele einer Mission definiert? Welche Aktivitäten werden priorisiert?

Missionsformulierung als entscheidender Schritt

Der Erfolg missionsorientierter Politik steht und fällt mit der erfolgreichen Formulierung der Missionen. Dieser Prozess soll wesentliche Akteure mobilisieren, die Legitimität der Mission von Anfang an sicherstellen und dadurch klare Orientierung bieten. Es müssen realistische und handhabbare Ziele und auch Zwischenziele auf Basis spezifischer Probleme definiert werden. Dies ist die Grundlage, um dann geeignete Instrumentenmixe und Steuerungsmodi zu identifizieren.

Für politische Akteure, die einen Missionsformulierungsprozess designen, moderieren oder begleiten, bietet das von Bertelsmann Stiftung und Fraunhofer ISI veröffentlichte Papier „Missionen mit Wirkung: Ein Praxisleitfaden zu Formulierung erfolgreicher Missionen“ eine anwendungsbezogene Hilfestellung. Diese beinhaltet unter anderem eine Formulierungshilfe für die Kernaussage einer Mission und konkrete Beispiele. Den Ausgangspunkt bilden die folgenden Grundsätze und Komponenten, die während der Formulierungsphase Orientierung geben sollen:

Grundsätze einer erfolgreichen Missionsformulierung

  1. Perspektivenwechsel und problembasiertes Denken: Es ist ein ressort- und sektorübergreifender Handlungsansatz erforderlich.
  2. Realistische und handhabbare Zielsetzung: Es wird explizit ausgewiesen, welche konkreten Aspekte bearbeitet werden.
  3. Philosophie des Pragmatismus: Missionen sollten ambitioniert, aber erreichbar sein, um ihre Legitimität nicht zu untergraben.
  4. Klare Handlungsaufträge: Am Ende des Prozesses sollten allen Beteiligten inhaltlich abgestimmte und quantifizierbare Ziele vorliegen.
  5. Zeitliche Zwischenziele und Unterziele: Diese bieten Orientierung und helfen bei der konkreten Operationalisierung.
  6. Inhaltlich eng verknüpfte Zielsetzungen: Um eine lose Sammlung unverbundener Ziele zu vermeiden, sollten Zwischen- und Unterziele inhaltlich stark verknüpft sein.
  7. Diskussionsintensive Aushandlungsprozesse: Durch die Missionsformulierung werden die darauffolgenden Phasen des Instrumentendesigns und Implementierung vorbereitet.

Essenzielle Komponenten des Missionsformulierungsprozesses

  1. Rollen und Verantwortlichkeiten: Klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten und Rollen der Akteure.
  2. Stakeholderbeteiligung: Einbindung relevanter Akteure und klare Definition ihrer Funktion.
  3. Aushandlungs- und Entscheidungsformate: Festlegung von Regeln für die Aushandlung und Zielsetzung der Missionsformulierung.
  4. Einbettung der Zielsetzung in den Kontext: Berücksichtigung des Status quo und der verfügbaren Ressourcen.
  5. Bewertung der Plausibilität und Kohärenz: Sicherstellung der Legitimation und Kohärenz der Missionsziele.

Kontextbedingungen beachten

Missionsformulierungsprozesse finden natürlich nicht im politischen Vakuum statt, sondern müssen in bestehende politische Dynamiken eingebettet werden und diese beachten. Unterschiedliche Ausgangspunkte und Rahmenbedingungen erfordern daher angepasste Schwerpunktsetzungen in der Formulierung der Missionsziele sowie ihrer Zwischenziele.

Beispielsweise gilt es, die Budget- und Ressourcenverfügbarkeit für die Mission und ressortübergreifende Aktivitäten zu beachten. Sind diese ausreichend für die Zielsetzung? Außerdem muss sichergestellt werden, dass aktuelle politische Möglichkeitsfenster und gesellschaftliche Diskurse Berücksichtigung finden. Dafür muss die Zielsetzung mit dem Status quo abgeglichen werden. Die verantwortlichen Akteure müssen sicherstellen, dass Wissen von Expert:innen und Stakeholdern bei den Überlegungen zu möglichen Lösungspfaden eingebunden wird.

Design- und Implementierungsphase mitdenken

Ein erfolgreicher Missionsformulierungsprozess endet nicht mit der Festlegung der Ziele, sondern umfasst auch die Vorbereitung der Implementierung. Die Steuerungslogik muss dabei dem ressort- und sektorübergreifenden Charakter einer Mission gerecht werden. Demzufolge ist es entscheidend für die Akteure, die Missionsformulierung handlungsorientiert und vorausschauend zu denken. Einen Governance-Vorschlag für missionsorientierte Ansätze finden Sie hier.

Insgesamt bietet missionsorientierte Politik ein enormes Potenzial zur Bewältigung großer gesellschaftlicher Herausforderungen. Ihre erfolgreiche Umsetzung erfordert jedoch einen sorgfältig gestalteten und umfassenden Formulierungsprozess. Dieser sollte klare und realistische Ziele setzen, relevante Akteure einbinden, Kontextbedingungen beachten und die Implementierung von Anfang an mitdenken. Mit diesen Voraussetzungen kann missionsorientierte Politik zu einem wirkungsvollen Instrument der Transformation werden.

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