Deutschland steht im internationalen Wettbewerb. Die Wettbewerbsfähigkeit vieler heimischer Unternehmen spiegelt sich im hohen Wohlstandsniveau wider. Doch Innovationszyklen werden immer schneller und Innovationsanforderungen komplexer. Bahnbrechende Innovationen finden auf Feldern statt, in denen deutsche Unternehmen und Forscher aktuell wenig beitragen. Gleichzeitig wachsen im internationalen Wettbewerb neue Konkurrenten heran und die Nachfrage nach „Made in Germany“ kühlt zusammen mit der Weltkonjunktur ab.
Vor diesem Hintergrund haben wir uns gefragt:
- Wie sieht es mit der Innovationstätigkeit der deutschen Unternehmenslandschaft aus?
- Welches betriebliche Innovationsprofil bestimmt über eine erfolgreiche Innovationstätigkeit?
- Wie verteilen sich Innovationsprofile und innovativer Erfolg in der heutigen deutschen Unternehmenslandschaft?
- Welchen Einfluss hat das Innovationsprofil auf Aspekte wie den digitalen Reifegrad oder die Produktivität der Unternehmen?
Mit unserer Studie (Langfassung, Kurzfassung) die wir heute veröffentlichen, können wir Antworten auf diese Fragen geben. Mehr als 1000 Unternehmen aus dem Industrie-Dienstleistungsverbund haben unsere Fragen beantwortet. Auf dieser Grundlage haben wir die Innovationstätigkeit der deutschen Unternehmenslandschaft auf neuartige Weise vermessen. Wir haben das Konzept der innovativen Milieus entwickelt. Als innovatives Milieu bezeichnen wir branchen- und größenübergreifende Gruppen von Unternehmen, die sich hinsichtlich ihres Innovationserfolgs und ihres Innovationsprofils ähneln. Der Innovationserfolg ergibt sich aus den in den Unternehmen erreichten und umgesetzten Produkt-, Prozess-, Organisations- und Marketinginnovationen. Das Innovationsprofil wird auf der Grundlage von sechs Dimensionen definiert: Innovationsorganisation, Innovationskompetenz, Innovationskultur, interne Vernetzung, externe Vernetzung und Stellung im Wettbewerb.
Die Grafik zeigt, dass es zwei Schwerpunkte gibt, damit sich Innovationsaktivitäten entfalten. Einerseits ist dies über den technologischen Pfad, etwa Grundlagenforschung, Patentierungen oder hohe Forschungsetats, möglich, andererseits über den kulturellen Pfad, also über externe Netzwerke oder eine risikofreudige Unternehmenskultur. Die erfolgreichsten Unternehmen vereinen beide Pfade.
Die innovativen Milieus
Die innovative Spitze der deutschen Unternehmenslandschaft wird von den Milieus der „Technologieführer“ und der „Disruptiven Innovatoren“ gebildet. Das Milieu der „Technologieführer“ ist durch industrielle Großunternehmen geprägt. Die Branchenschwerpunkte liegen in den Bereichen Chemie, Pharma, Kunststoff sowie der Metall- und Elektroindustrie. Junge Unternehmen aus den Bereichen der unternehmensnahen Dienstleistungen und IKT/Medien prägen das Milieu der „Disruptiven Innovatoren“. Die „Technologieführer“ haben eine starke Technologie-, Wissenschafts- und FuE-Orientierung, die sich auch in hohen Patent-Aktivitäten widerspiegelt, während die „Disruptiven Innovatoren“ sich durch hohe Risikobereitschaft und dem Mut zu radikalen Innovationsprojekten auszeichnen. Bei ihnen spielt zudem die Einbindung und Motivation der Mitarbeiter eine große Rolle.
Die „Konservativen Innovatoren“ zeichnen sich durch eine starke FuE-Orientierung aus. Die Organisation der Innovationsaktivitäten ist jedoch weniger strukturiert und es gibt keine ganzheitliche Ausrichtung der Unternehmenskultur auf Innovation wie bei den „Technologieführern“. Auch das Mitnehmen der Mitarbeiter im Innovationsprozess ist in diesem Milieu weniger stark ausgeprägt. Die konservativen Innovatoren sind großteils den Branchen Chemie, Pharma, Kunststoff und der M+E-Industrie zuzuordnen.
Die größte Einzelgruppe bilden die „Kooperativen Innovatoren“, die zwar sehr viel in Mitarbeiterförderung, aber wenig in eine aktive Vernetzung mit der Wissenschaft und anderen Unternehmen und eigene FuE-Tätigkeiten investieren. Die Innovationsaktivitäten sind jedoch besser organisiert als bei den „Konservativen Innovatoren“. Den Branchenschwerpunkt bilden die unternehmensnahen Dienstleistungen.
46 Prozent der Unternehmen – also fast die Hälfte der deutschen Unternehmenslandschaft – ordnen wir den eher innovationsfernen Milieus – den „Zufälligen Innovatoren“, den „Passiven Umsetzern“ und den „Unternehmen ohne Innovationsfokus“ – zu. Zu diesen Milieus gehören Unternehmen, die weder in ihrer Organisations- noch ihrer Unternehmensstrategie zielgerichtet Neuerungen vorantreiben.
Die zentralen Unterschiede zwischen den Milieus in den sechs Dimensionen des Innovationsprofils sind in den Spinnendiagrammen dargestellt.
Je innovativer, desto wirtschaftlich erfolgreicher
Unsere Studie zeigt: je innovativer ein Unternehmen, desto größer ist der wirtschaftliche Erfolg und desto dynamischer wachsen die Mitarbeiterzahlen. So liegt die Nettoumsatzrendite, die angibt, wie hoch der Anteil des Gewinns am Umsatz ist, bei den beiden Innovationsführer-Milieus deutlich über dem Durchschnitt aller untersuchten Unternehmen. Die „Disruptiven Innovatoren“ erzielen eine Rendite, die um 33 Prozent höher ausfällt als im Durchschnitt aller Milieus. Von den hochinnovativen Unternehmen geht zudem eine große Beschäftigungsdynamik aus. Die Anzahl der Mitarbeiter ist bei den Innovationsführern zwischen 2016 und 2017 mehr als doppelt so stark gestiegen als bei den innovationsfernen Unternehmen. Sie schaffen zudem hochqualifizierte Arbeitsplätze. Fast 40 Prozent der Angestellten im Milieu der „Disruptiven Innovatoren“ haben einen Hochschulabschluss.
Kleine- und mittelständische Unternehmen müssen innovativer werden
Die innovationsfernen Milieus der „Passiven Umsetzer“, der „Zufälligen Innovatoren“ und auch die Gruppe der „Unternehmen ohne Innovationsfokus“ setzen sich fast vollständig aus kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zusammen. Untersucht man die Milieus nach weiteren Strukturmerkmalen, fällt auf, dass diese drei Milieus zusammen mit den „Konservativen Innovatoren“ den mit Abstand geringsten digitalen Reifegrad erreichen. Ursächlich dafür sind die unterdurchschnittlichen Investitionen in die digitale Transformation im Vergleich zu den anderen Milieus. Dies halten wir für besorgniserregend, sind es doch KMU, bei denen heute 58 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt sind. Verpassen diese KMU den Zeitpunkt für den notwendigen Strukturwandel hin zu mehr Innovationsfähigkeit, können sie und ihre Beschäftigten schnell zu Opfern veränderter Marktbedingungen werden.
Unternehmen in Großstädten sind innovativer und erfolgreicher mit ihren Innovationen
Über die Hälfte der „Technologieführer“ und der „Disruptiven Innovatoren“ sind in Groß- oder Mittelstädten verortet. 47 Prozent der „Konservativen Innovatoren“, die zugleich den höchsten Anteil nicht digitalisierter Unternehmen aufweisen, sind hingegen in Kleinstädten angesiedelt. Der schlechte Zugang zu klassischer und auch zu digitaler Infrastruktur könnte ein Erklärungsmoment sein, weshalb es den „Konservativen Innovatoren“, die ein sehr ähnliches Innovationsprofil wie die „Technologieführer“ aufweisen, nicht gelingt, ihre gute Ausgangslage in größere Innovationserfolge umzusetzen. Langfristig kann sich dieses Ungleichgewicht negativ auf den Wohlstand ganzer Regionen auswirken.
Gezielte Investitionen und bessere Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft nötig
Der Einsatz für mehr Innovationskraft braucht veränderungswillige und innovationsaffine Unternehmen und eine aktive Wirtschafts- und Innovationspolitik. Die Unternehmen müssen den notwendigen internen Strukturwandel letztlich selbst angehen. Innovationskultur und -organisation müssen verbessert werden. Kooperationsprojekte, Netzwerke und Cluster können Unternehmen helfen, gemeinsam riskantere Innovationen zu stemmen. Dies anzuregen und zu begleiten ist in Teilen Aufgabe der Politik, aber auch der Unternehmen selbst und ihrer Verbände.
Die Politik muss vor allem die KMU stärker in den Blick nehmen. Hierzu muss vor allem in die klassische und auch die digitale Infrastruktur investiert werden, damit die Vielzahl der KMU und auch der Unternehmen im ländlichen Raum den Anschluss nicht verlieren. Die steuerliche Förderung von Investitionen in Forschung und Entwicklung, so wie sie aktuell in Berlin diskutiert wird, ist nicht zielführend. Die geplanten Mittel sind zu gering und werden nach dem Gießkannenprinzip verteilt. Die Studie ermöglicht dagegen die Entwicklung passgenauer Instrumente für die einzelnen Milieus, die Unternehmen weder unter- noch überfordern.
Die Förderinstrumente sollten gezielt den Aufholprozess der KMU unterstützen, die richtigen Rahmenbedingungen für technologisch versierte Startups setzen und die Grundlagenforschung weiterhin stärken. Allen ist geholfen, wenn der deutsche Mittelstand wieder innovationsfreudiger und innovationsstärker wird und neue Technologien auch im Mittelstand schneller zum Einsatz kommen. Das Ziel ist klar: Deutschland muss insgesamt innovativer und produktiver werden.
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