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Dr. Markus Gick
30. Juli 2021

NRWalley: Innovation und Startup-Mentalität aus NRW in die Welt

Nordrhein-Westfalen hat ehrgeizige Pläne: Bis 2025 möchte das Bundesland unter die 10 führenden Startup-Regionen in Europa aufrücken. Das Potenzial ist vorhanden. Das Land ist bei Neugründungen vor Berlin ganz vorne in Deutschland. Aber es gibt trotzdem noch einiges zu tun.

Der Verband NRWalley, das Sprachrohr der Startups in NRW, und der Accelerator xdeck, der Accelerator von Gründern für Gründer, haben ihre ganz eigenen Ideen entwickelt, wie sich in NRW, in Deutschland und weltweit Innovationskraft stärken und Potenziale erschließen lassen. Wie diese aussehen, weiss Dr. Markus Gick, geschäftsführender Vorstand bei NRWalley e.V. und Managing Director des Accelerators xdeck in Köln. Fast 100 Seiten umfasst die Studie mit dem Titel „The Rhineland Ecosystem: Vision 2025, die von Professor Dr. Andreas Pinkwart und seinem Ministerium in Auftrag gegeben wurde. Fast 100 Seiten, auf denen steht, was bisher im NRW-Startup-Ökosystem passiert ist, was dort gerade im Gange ist und – viel wichtiger – was bis 2025 erzielt werden soll.

Gut zu wissen: Startup Genome als Autor der Studie verwendet bei der Beurteilung von Startup-Ökosystemen ein Lebenszyklus-Modell mit vier Phasen. Die Einschätzung des Unternehmens: NRW befindet sich am Anfang von Phase 2 (Globalization), die sich durch eine (noch) relativ geringe Anzahl aktiver Startups auszeichnet. Kein Zweifel besteht an dem Potential von NRW. Ein Talent-Pool von  80.000 Studierenden der Informatik und Elektrotechnik, 18 Millionen Einwohner als potentielle Kunden sowie 3.484 große Unternehmen mit über 50 Millionen € Umsatz als B2B-Kunden direkt vor der Haustür sind für Startups attraktiv – und das alles mit bester Verkehrsanbindung mitten in Europa.

Besonders die bisherige Gründungspolitik rund um die Neue Gründerzeit NRW ist erfolgreich gewesen und hat die Gründungsintensität massiv gesteigert. Programme wie das Gründerstipendium NRW, die Errichtung der 76 Startercenter sowie 2018 der fünf Digital Hubs („Digihubs“), die eng mit dem starken Mittelstand in NRW zusammenarbeiten, erhalten hierbei nicht nur in der Studie gute Noten.

Gefördert wurde die Gründungsintensität darüber hinaus auch durch die in den letzten Jahren im polyzentrischen Bundesland NRW entstandenen nicht-staatlichen regionalen Innovationshubs, die die Ansiedlung junger Startups fördern und gleichzeitig einer Abwanderung der besten Startups und Talente aktiv entgegenwirken. Einer der erfolgreichsten ist die Founders Foundation in Bielefeld, die mit der Hinterland of Things nationalen Mittelständlern und Startups eine Plattform bietet, welche sich europaweit als B2B Treffpunkt etabliert hat. Aber auch andere regionale Innovationshubs mit überregionalem Anspruch, wie z. B. der Ruhr:HUB oder die Hubs im Bergischen Land wie das CO-Workit in Solingen haben dazu beigetragen, regional Startups besonders in der Frühphase zu unterstützen.

Landschaftspark Duisburg – ©Foto: Marc B auf Pixabay

Und das lässt sich auch in Zahlen nachweisen. NRW ist im Deutschen Startup-Monitor 2020 die Nr. 1 bei Neugründungen mit 19 %, dazu besonders viele im Vergleich zu allen anderen Bundesändern im B2B-Sektor. Geschäftskunden sind für Startups aus NRW entscheidend: 65 % der befragten Startups in NRW erwirtschaften mehr als 50 % ihrer Umsätze im B2B-Bereich. Damit können sie an eine der wichtigsten Stärken NRWs anknüpfen und stellen Synergien mit der etablierten Wirtschaft her.

Insgesamt erhält NRW also mit Recht gute Noten für die Hebung des Gründungspotenzials im Land. Wo besteht noch Handlungsbedarf? Um zu den 10 Top Regionen für Startups aufzurücken, sind es unserer Meinung nach vor allem vier Bereiche, die über die Zukunft des Innovationsstandortes NRW entscheiden werden:

Graphik: xdeck

  1. Skalierung und Internationalisierung: ScaleUps, d.h. Startups, die sich gerade in der Phase des rapiden Wachstums befinden, müssen erfolgreicher bei der Internationalisierung unterstützt werden. Tatsächlich gibt es im Bereich Scaleups in Nordrhein-Westfalen einiges zu tun, um Unternehmen in dieser Wachstumsphase beispielsweise davon abzuhalten, das Bundesland zu verlassen. Denn es gibt sowohl für frühphasige Startups als auch späterphasige Startups genug Beispiele, die NRW Richtung Berlin verlassen haben. IT Startup Lemon Markets, das zwar noch in Münster gelistet ist, aber bereits in Berlin arbeitet, früher Lytt, und Studydrive sind weitere Beispiele von Startups, die für ihre weitere Entwicklung den Standort NRW verlassen haben.  Besonders bei Later-Stage Startups ist es wichtig, internationale Later-Stage Investoren und internationale Mentoring-Netzwerke aktivieren zu können. Das sich derzeit in der Ausschreibung befindliche ScaleUp Programm, bei dem jährlich zehn bis 20 Startups aus NRW unterstützt werden sollen, ist hier der Schritt in die richtige Richtung. Doch auch die engere Vernetzung mit Startup-Hotspots wie Israel, den Hubs in China und Indien, aber auch Aufsteigern wie Dänemark mit seinem Hotspot Kopenhagen kann die Attraktivität von NRW für Later-Stage-Startups steigern.
  2. Deep Tech & Spinoffs aus Universitäten: Das Land braucht im Bereich Deep Tech mehr Spinoffs aus Universitäten. Die Exzellenz Startup Center (ESCs) sollen diesen Mangel beheben und sind seit 2019 an der RWTH Aachen, der Ruhr-Universität Bochum, der Technischen Universität Dortmund, der Universität zu Köln, der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und der Universität Paderborn angesiedelt. Dennoch liegt NRW immer noch bei der „Lab-to-Startup-Performance”, d.h. der Erfolg der kommerziellen Verwertung von R&D und Patenten, weit hinter anderen Bundesländern zurück. Neben einer Fokussierung der ESCs auf z. B. Schlüsseltechnologien sollte bei einer weiteren Förderung darauf geachtet werden, dass auch andere Universitäten im Flächenland NRW nicht den Anschluss verlieren.
  3. Kritische Masse an Startups zur Generierung von Netzwerkeffekten sowie Clusterbildung. Im Vergleich zu anderen Regionen, die sich in der gleichen Phase wie NRW befinden, liegt NRW, was die Gesamtanzahl der Startups betrifft, deutlich zurück. Doch sobald eine kritische Masse an Startups erreicht ist, bilden sich Cluster, die wiederum anziehend auf Startups, aber auch auf Investoren und kooperationswillige Unternehmen wirken. Auch die Anzahl der Acceleratoren im Vergleich – 17 in Berlin, acht in München und nur sechs in ganz NRW – zeigt, dass hier noch Nachholbedarf besteht. Die bestehende Infrastruktur wird insbesondere von Konzernen und öffentlichen Einrichtungen und semi-staatlichen Akteuren zur Verfügung gestellt. Es fehlen deshalb im Vergleich Unternehmer-getriebene Initiativen. Ausnahmen wie z. B. das xdeck aus Köln, der Accelerator von Gründern für Gründer, kann oft schneller agieren, da er weniger mit Reporting belastet arbeiten kann. Die Ausweitung bestehender Programme, aber auch Fokusbildung auf z. B. Förderung der Künstlichen Intelligenz an bestimmten Standorten wie dem AI Village in Hürth ist hier ein Mittel der Wahl. Dabei darf es aber nicht zu einem Förder-Wirrwarr kommen, der Startups aufgrund von Intransparenz eher abschreckt.
  4. GovTech bzw. E-Government als Wachstumsmarkt für Startups: GovTech bzw. E-Government, das heißt die Digitalisierung im Verwaltungsbereich, ist besonders für B2B Startups eine Chance, auch im Bereich B2G (Business to Government) tätig werden zu können. Schließlich stehen durch das Corona-Konjunkturpaket 3 Milliarden Euro für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG), das heißt die digitale Verfügbarmachung öffentlicher Verwaltungsleistungen, zum Abruf – davon ca. 600 Millionen alleine für NRW. Dieser wachstums- und zukunftsträchtige Markt muss für Startups aber erst noch erschlossen werden, besonders was die Regelungen und Anforderungen betrifft. Hier wäre zum Beispiel ein GovTech Accelerator ein Weg, um Startups fit für den Staat zu machen.

All diese vorgeschlagenen Initiativen garantieren noch keinen Erfolg – aber ohne konkrete und messbare Fortschritte in den angesprochenen Bereichen wird NRW seinem Ziel, 2025 zu den 10 führenden Startup-Regionen in Europa gezählt zu werden, nicht nahe kommen. Denn Potential ist nur der Anfang – am Ende zählt die Umsetzung.

Hinterland of Things 2020 in Bielefeld: © Foto Bertelsmann Stiftung

Über NRWalley e.V.

Als 2020 neu gegründeter Startup-Verband hat NRWalley e.V. viele Ideen, um das Startup-Ökosystem in NRW auf das nächste Level zu bringen. Es versteht sich als  Sprachrohr, Netzwerk-Knotenpunkt, Lobbyverband und Ökosystembuilder. Um beispielsweise die Kontinuität guter Ideen in der Politik auch über die Legislaturperiode hinaus zu gewährleisten, ist NRWalley strategisch positioniert. Es ist sowohl beim Land NRW im Digitalbeirat als auch im Wirtschaftsbeirat der NRW-GRÜNEN vertreten, wobei es mit allen demokratischen politischen Parteien bis auf die AfD im Austausch steht.

Dazu bildet NRWalley die Erfolgsformel NRWs ab – Innovation durch Regionalität, aber mit nationaler und internationaler Vernetzung. Mit zehn Regionalsprechern ist der Verband in den NRWalley Regionen vernetzt, agiert aber über nationale und internationale Netzwerke erfolgreich weit über die Grenzen von NRW hinaus. So kooperiert der Verein etwa in zentralen Fragen mit dem Bundesverband Deutsche Startups (BVDS), um regionalen Forderungen auch national Gehör zu verschaffen, etwa bei dem Thema Nachbesserungen bei der Mitarbeiterbeteiligung für Startups. Außerdem agiert NRWalley international, etwa im Bereich der Unterstützung bei der Skalierung von Startups. Hier ist er mit Startup-Hotspots weltweit vernetzt, beispielsweise mit Remagine Venture, einem Venture-Capital-Fonds aus Israel. Zukunftsthemen wie Circular Economy, Smart City oder Industrie 4.0 werden über Fachgruppen abgebildet, um sowohl der Politik, als auch der Wirtschaft als kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen.

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