StockSnap, Pixabay
Dr. Stephanie Duchek
14. August 2024

Interview: Innovationen auf dem Land mit Transferformaten anstoßen

Eine der größten Herausforderungen des ländlichen Raums besteht darin, junge Menschen in der Region zu halten. Wie Transferformate dabei helfen können, erläutert Stephanie Duchek vom Fraunhofer IAO im Interview.

Es sind neue Ansätze und Maßnahmen gefragt, um junge Menschen in die Entwicklung ihrer Region einzubeziehen, neue bedarfsorientierte Lösungen zu entwickeln und so die Attraktivität der Region für diese wichtige Gruppe zu erhöhen. Wie dies gelingen kann, erläutert Stephanie Duchek vom Center for Responsible Research and Innovation (CeRRI) des Fraunhofer IAO im Interview auf unserem Blog.

Frau Duchek, Sie haben in Windeck-Schladern in NRW Zukunftsworkshops durchgeführt. Welche Idee verbirgt sich hinter diesem Transferformat?

Im Rahmen des Projekts Innovationsraum.Land haben wir gemeinsam mit der „LANDFABRIK“ ko-kreative Zukunftsworkshops konzipiert und durchgeführt. Es ging darum, die Bedarfe junger Menschen aus der Region sichtbar zu machen und Ideen für das zukünftige Leben, Wohnen und Arbeiten auf dem Land zu entwickeln. Insgesamt wurden im September 2022 drei ganztägige Zukunftsworkshops durchgeführt. Als Teilnehmende konnten 62 SchülerInnen aus zwei regionalen Schulen gewonnen werden. Im Ergebnis entstanden 25 Modelle für das zukünftige Leben, Wohnen und Arbeiten in der Region.

Die Ergebnisse wurden in einer Zukunftsausstellung präsentiert. Könnten Sie uns dieses Format näher erläutern?

Die Ergebnisse der Zukunftsworkshops wurden in vier themenspezifische Zukunftsbilder für die Region überführt. Und zwar: Freizeit und öffentliche Räume, Wohnen und Alltag, Berufliche Perspektiven und neue Arbeitsorte sowie Mobilität. Diese Zukunftsbilder wurden in Form von 3D-Modellen aufbereitet und im Rahmen der Ausstellung „Leben, Wohnen, Arbeiten auf dem Land“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Mehr als 70 geladene Gäste und mehr als 200 interessierte BürgerInnen konnten sich über die Visionen der jungen Menschen informieren und diese diskutieren.

Anschließend bildete die Ausstellung den Rahmen für alle weiteren Formate, die in der Fabrik für Zukünfte stattfanden. Nach Absprache kann sie auch heute noch besucht werden.

Sie sprachen die Fabrik der Zukünfte an. Welche Idee verbirgt sich dahinter?

Die Fabrik für Zukünfte war unser Transferort. Es handelt sich dabei um einen Interaktions- und Partizipationsraum innerhalb einer großen Fabrikhalle, der eine Infrastruktur für ko-kreatives Arbeiten bereitstellt. Das sollte unter anderem durch mobile und flexibel einsetzbare Arbeitsstationen gewährleistet werden. Weitere Elemente sind flexible Regalsysteme und Interaktionswände, die dazu dienen, Projektergebnisse sichtbar zu machen und mit verschiedenen Innovationsakteuren ins Gespräch zu kommen.

Gab es auch Gelegenheiten, bei denen die Innovationsakteure gezielt ins Gespräch gebracht wurden?

Ja, unter anderem bei den Projektworkshops. Es handelte sich dabei um halbtägige Workshops. Hier wurde für die vier Themen der Ausstellung zunächst die aktuelle Situation in der Region diskutiert, danach wurden gemeinsam Ziele abgeleitet und anschließend konkrete Projektideen erarbeitet. Über die Definition von Maßnahmen und Akteuren, die diese vorantreiben, wurde die Basis für eine Fortführung der Ideen und nachhaltige Implementierung geschaffen.

Unsere Erkenntnisse im Rahmen des Prozesses wurden in das Find your Project-Tool überführt, das auch anderen Regionen dabei helfen kann, innovative Projektideen zu entwickeln und so die eigene Attraktivität, vor allem für junge Menschen, zu erhöhen.

Könnten Sie uns den „Fahrplan“ der Zukunftsworkshops etwas näher erläutern?

Ein Workshoptag mit rund 20 Schüler:innen dauerte von 9:00 bis 15:00 Uhr. Er startete mit einer Begrüßung und Vorstellung des Projekts. Danach folgte:

Eine moderierte Diskussionsphase. Hierfür wurden die Schüler:innen auf drei Thementische verteilt. Die Ist-Situation in der Region wurde diskutiert. Danach wurden Wunschbilder ermittelt, welche die Soll-Situation umrissen.

Prototüten-Phase. Es wurden Kleingruppe von zwei bis drei Schüler:innen gebildet. Sie suchten gemeinsam nach Ideen und skizzierten diese. Diese Ideen wurden mit Hilfe der Prototüten umgesetzt. Dabei handelte es sich um kleine Papiertüten, gefüllt mit verschiedensten Materialien wie 3D-gedruckte Elemente, Papier, Holz, Wolle. Aus denen wurde dann die eigene Idee oder Vision für die Zukunft gebaut, ganz frei und kreativ in der Gestaltung. Die Methode dahinter nennen wir Pocket Prototyping. Es handelt sich um Design-Thinking-Methode, die es Menschen mit wenig Berührungspunkten mit Design erleichtert, abstrakt zu denken und sich auf einer anderen als der sprachlichen Ebene mit taktilen Elementen auszudrücken.

Ergebnisvorstellung. Die entstandenen Modelle wurden danach im Plenum vorgestellt. Sie wurden auf einer gemeinsamen Übersichtsgraphik verortet.

Vielen Dank, Frau Duchek.

Der Beitrag fußt auf einem Fachartikel in der neuen Zeitschrift „Transfer & Innovation“ aus dem DUZ Verlag (Deutsche Universitätszeitung). Mit dem Untertitel „Wissenschaft wirksam machen“ postuliert die Zeitschrift auch ein Anliegen des Innovationsprojektes der Bertelsmann Stiftung. Die Redaktion von T&I und Stiftung haben in diesem Jahr eine gemeinsame Schwerpunktausgabe realisiert, die sich dem Thema Co-Creation und Kollaboration widmet und sich dem Thema jeweils aus der Blickwinkel von Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft widmet. Dazu hier weitere Infos.

Stephanie Duchek gibt darin weitere Einblicke, wie Innovationen im ländlichen Raum gelingen können. Unter anderem wird das Projekt „Innovationsraum.Land“ vorgestellt. Sein Ziel: Neue Methoden für den Transfer zwischen Fraunhofer-Instituten, KMU und weiteren Innovationsakteuren in ländlichen Räumen zu entwickeln.

Kommentar verfassen