Deutsche Unternehmen sollen mit dem technologischen Wandel Schritt halten, wettbewerbsfähig auf den globalen Märkten sein – und gleichzeitig die großen Probleme unserer modernen Gesellschaft lösen. Große Herausforderungen, die ohne Innovationskraft nicht erreicht werden. Eine wichtige Voraussetzung für Innovation ist Vielfalt. Doch gerade bei den Treibern, die Wirtschaft und Gesellschaft neue Impulse geben können – den deutschen Start-ups, hapert es beim Thema Diversity.
Unternehmensgründungen sind hierzulande eine Männerdomäne. Eine aktuelle BCG-Studie zu Diversity in Startups bestätigt dies. Wir haben dafür die Personal-, Unternehmens- und Finanzierungsdaten seit 2008 von über 15.000 Start-ups und von mehr als 27.500 Gründerinnen und Gründern aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien ausgewertet. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Nur vier Prozent der jungen Unternehmen in Deutschland haben ein rein weibliches Gründerteam. Bei zehn Prozent der Start-ups war in gemischten Teams zumindest eine Frau beteiligt – und 86 Prozent der Gründer sind männlich.
Damit hinken wir sogar den schwachen Ergebnissen aus Frankreich und Großbritannien hinterher, die fünf beziehungsweise acht Prozent Gründerinnen aufweisen können. Zugegeben – wir hatten zwar mit einer entsprechenden Grundtendenz gerechnet, aber dass das Ergebnis so extrem ausfallen würde, das hat uns dann doch überrascht.
Frauen vor verschlossenen Türen
Fest steht: Das wird sich so schnell auch nicht ändern, denn die Dynamik bei der Geschlechtervielfalt deutscher Gründer-Teams geht gegen Null. Damit wird Frauen nicht nur die Tür in die Zukunft verschlossen, es geht auch großes unternehmerisches Potenzial verloren. Wenn der weibliche Gründeranteil weiter so marginal wächst, wird eine Geschlechterparität in den Führungsetagen junger Unternehmen erst in sehr, sehr ferner Zukunft erreicht – nämlich im Jahr 2139. Diese Zeit hat Deutschland nicht.
Doch woran liegt das? Ein wichtiger Aspekt: den Frauen fehlt das Geld. Weibliche Gründer erhalten deutlich weniger Förderung durch Investoren. Unterm Strich können männlich geführte Start-ups über alle Finanzierungsphasen hinweg mit durchschnittlich 10,6 Millionen Euro rechnen. Deutsche Gründerinnen gehen mit 3,5 Millionen Euro an den Start – nur ein mageres Drittel.
Männer geben Männern Geld
Fakt ist: Investoren bewerten weiblich geführte Unternehmen schlechter. Unsere Studie hat gezeigt, dass der Wert von deutschen Neugründungen mit Männern an der Spitze durchschnittlich 16,4-mal höher eingeschätzt wird. Das ist zu einem guten Teil systembedingt. Denn die Führungsetagen deutscher Venture Capital-Unternehmen sind mit 96 Prozent fest in Männerhand. Und unter den Top-3-Risikokapitalgebern Deutschlands findet sich auf oberster Entscheiderebene nur eine einzige Frau. Die Folge: Männer geben Männern Geld.
Dieser Mechanismus muss durchbrochen werden. In der Konsequenz heißt das: Das Thema Diversity muss auch auf der Kapitalgeberseite ankommen. Nur durch Chancengleichheit auf allen Ebenen, kann sich eine vielfältigere deutsche Gründerszene etablieren.
Weibliche Start-ups sind erfolgreicher
Unsere Studie ermittelte, dass die Chance für Gründerinnen, an Investorengelder zu kommen, um 18 Prozent niedriger liegt als bei den männlichen Jung-Unternehmern. Noch schlechter sieht es aus, wenn es um einen Hauptinvestor für das Start-up geht: Hier ist die Erfolgsaussicht um ganze 25 Prozent geringer. Doch es geht noch weiter: Die Ungleichbehandlung zieht sich durch sämtliche Phasen der Gründungsfinanzierung und wird von Phase zu Phase deutlicher. Bei der zweiten Finanzierungsrunde haben die rein weiblichen Start-ups eine um 40 Prozent geringere Chance, sich Fördermittel zu sichern. Und bei der dritten Runde ist ihre Erfolgswahrscheinlichkeit um 90 Prozent niedriger.
Im Vergleich: In Deutschland erhalten männliche geführte Start-ups damit 3,1-mal mehr Kapital als Start-ups in weiblicher Hand. Die französischen und britischen Gründerinnen erhalten ebenfalls eine geringere Finanzierung, jedoch ist der Abstand nicht gar so groß – sie bekommen 2,5- beziehungsweise 1,3-mal weniger als die Männer. Dabei sind von Frauen geführte Start-ups die besseren Investments. In einer BCG-Studie aus dem Jahr 2018 – „Why Women Owned Startups Are a Better Bet“ – fanden wir heraus, dass weibliche Entrepreneure aus jedem investierten Euro mehr als doppelt so viel herausholen wie männliche.
Diversität schafft Innovation und zahlt sich wirtschaftlich aus. Diesen Erkenntnis vermittelt die Boston Consulting Group nicht nur in ihren empirischen Untersuchungen und nach außen, sondern erstrebt sie auch in der eigenen Praxis. Vielfalt in allen Facetten, sei es Bildungshintergrund, sexuelle Orientierung, Herkunft oder Geschlecht sind wirtschaftlich unerlässlich und stehen zum Beispiel bei der Teambildung ganz oben auf der Agenda. Geschlechtergerechtigkeit als Erfolgsfaktor gilt ohnehin nicht nur für Start-ups, sondern für alle innovativen Unternehmen. Ein Ziel, das kaum eines bisher zufriedenstellend erreicht hat, aber für das sich jede Mühe lohnt.
Die Studienergebnisse in Zahlen und Daten und in der Zusammenfassung.
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