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Herr Peres: „Warum ist Israel so innovativ?“

Wie gelingen echte Sprunginnovationen? Nechemia Peres hat eine Formel dafür: Sprunginnovationen=Notwendigkeiten + Werte + Sinn. Im Interview mit dem Wirtschaftskurier verrät der Sohn des Friedensnobelpreisträgers Shimon Peres außerdem, warum Israel bei Innovationen so erfolgreich ist. Und warum den erfolgreichen Investor Gewinne und Macht überhaupt nicht reizen.
 

 

Herr Peres, wie kommt es, dass Sie ständig neue Unternehmen gründen?

Ich war schon immer davon fasziniert, Neues zu erschaffen, im Gegensatz zu bereits existierenden Dingen. Kreativität zieht mich an und ich sehe Möglichkeiten, ich versuche Neues und Aufregendes zu schaffen, versuche Unternehmen in neue Horizonte zu führen. Mich erfüllt das vielmehr, als schon Bestehendes einfach nur zu verwalten.

Woher nehmen Sie Ihre Inspiration?

Es gibt zwei Hauptquellen: Die erste sind die Menschen, die ich kenne, Menschen, die ich treffe, Menschen, mit denen ich spreche, Menschen, deren Denken ich schätze, provokative Denker oder zum Nachdenken anregende Menschen. Die zweite Quelle ist das Lesen von Büchern, viele Bücher, zu verschiedenen Themen. Mir wird dann klar: Den Menschen sind mit dem Einsatz modernster Technologien keine Grenzen gesetzt sind. Es gibt wirklich keine Grenzen für das, was man in der neuen Welt, in der wir leben, erreichen kann.

Tel Aviv im Aufbruch © Foto: nemo frenk auf Pixabay

Was treibt Sie an?

Ich versuche wirklich, den Menschen zu helfen, meinem Land zu helfen, meiner Religion zu helfen, der Welt zu helfen, indem ich Gutes tun möchte. Geben ist definitiv etwas, das mich antreibt. Ich gebe gerne, ich mag es, zu unterstützen, ich liebe es zu helfen. Am Ende des Tages ist das Leben kurz, und wenn ich gute Dinge in dieser Welt hinterlasse, erfüllt es mich. Mich reizt keine Position, kein Geld, kein Respekt, sondern es ist: Gutes tun.

Welches sind die besten Länder, um ein neues Unternehmen zu gründen? 

Länder, die mit dem Nichts gesegnet sind – wie Israel. Wenn man nichts hat, wenn man der Underdog ist, muss man sich seiner Kreativität zuwenden, muss unternehmerisch sein, muss wirklich Brücken und Wege bauen, um neue Orte zu erreichen. Wenn Ihr Land reich ist und Sie viele große Industrien haben, ist es sehr schwer, nicht risikoscheu zu werden und nur zu arbeiten, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Wer genug hat, wird ein bisschen fauler und die Notwendigkeit sinkt, etwas Neues zu schaffen. Aber wenn Sie nichts haben, müssen Sie wirklich hart arbeiten und kreativ sein. Deshalb ist für mich das Land Nummer eins Israel. Es war wirklich mit dem Nichts gesegnet und alles, was es erreicht hat, wurde durch Kreativität und Unternehmertum erreicht, und deshalb ist es in der Welt der Technologie und Innovation so einzigartig geworden.

Warum ist Israel ein Hotspot für innovative Firmen?

Wer nach Israel kommt, kommt an einen Ort, der kein Markt ist, der nicht groß genug ist, um viele Produkte zu verkaufen, aber die Interaktion mit israelischen Unternehmen und Unternehmern zwingt einen, viel wettbewerbsfähiger und viel innovativer zu werden. Wir sind eine Gesellschaft, die alles herausfordert, wir fordern Führungskräfte, wir fordern Unternehmer, wir fordern Innovatoren heraus, wir nehmen nichts als selbstverständlich hin, nicht einmal Hierarchien. Uns wird beigebracht, Fragen zu stellen und alles, was wir tun, zu recherchieren und zu überprüfen. Und indem sie Teil des israelischen Ökosystems sind, absorbieren Unternehmen nicht nur Innovationen, sondern sind gezwungen, innovativer, agiler und viel wettbewerbsfähiger zu werden.

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Ist die die militärische Ausbildung, die viele erhalten, ein Vorteil?

Das Militär ist eine großartige Schulung für Führung, Unternehmertum und Innovation. Die israelischen Streitkräfte spielen eine wichtige Rolle bei der Ausbildung vieler junger Menschen. Sie zwingen sie dazu, Entwicklungen und Projekte termingerecht abzuliefern und akzeptieren keine Fehler. Ich denke, die israelischen Verteidigungsstreitkräfte dienen wahrscheinlich als eine der fortschrittlichsten und fähigsten Schulen für Unternehmertum und Innovation. Sie verlangen, groß zu denken, Verantwortung zu übernehmen, alles herauszufordern und am Ende des Tages besteht ein großer Druck bei allem, was du tust. Denn es geht um die Sicherheit Israels angesichts all der Herausforderungen, die uns umgeben.

Was sind die größten Hindernisse für Innovatoren?

Zynismus, Vertrauensmangel und Scheu vorm Risiko sowie Märkte, die manchmal zu strukturiert sind und keine neuen Denkweisen annehmen. Märkte, die das Alte und Sichere dem Neuen vorziehen, die weniger tolerant gegenüber Misserfolgen sind. Was Sie wirklich brauchen, sind Freiheit und Wettbewerb, um neue Höhen zu erreichen.

Wie können wir echte Sprunginnovationen erreichen?

Das geht, wenn Sie Notwendigkeiten mit Werten und Sinn verbinden. Das sind die beiden wichtigsten Katalysatoren für Innovation, die Notwendigkeit ist klar – wenn man etwas haben muss, muss man innovativ sein. Aber wenn man diese Absicht auch mit dem Versuch verbindet, die Welt mit Werten zu verbessern, dann ist das inspirierend. Es ist unmöglich, Sprunginnovationen allein zu erzeugen, daher müssen Sie eine Mission haben, die viele anzieht und sie dazu bringt, hart für Ihr gemeinsames Ziel zu arbeiten.

Welche Branchen sind dafür besonders geeignet?

Alles, was mit Nachhaltigkeit und Impact zu tun hat. Wenn das Risiko global ist, fördert dies viel mehr Innovation und den Wunsch, Gutes zu tun.

Wir Deutschen beklagen oft, dass wir bei Innovationen nicht ganz vorne mit dabei sind. Sind wir zu faul geworden? 

Deutschland ist eine sehr starke, hoch entwickelte und fortschrittliche Wirtschaft, und da es so zentral in Europa liegt, zieht es viele Menschen an. Aber viele konzentrieren sich auf das, was bereits existiert. Viele Unternehmen sind sehr strukturiert und gut geführt, so dass es manchmal gar nicht nötig ist, Unternehmer zu werden, weil man auch anders Teil dieser großartigen Wirtschaft werden kann. Manchmal ist es auch ein Hindernis, gut und fortgeschritten in dem zu sein, was man tut, weil es keine wirkliche Notwendigkeit gibt, Risiken einzugehen und den Status quo zu ändern. Aus diesem Grund sind die Deutschen meiner Meinung nach weniger auf globale Herausforderungen im Bereich Innovation ausgerichtet, sondern mehr darauf, dass ihr System gut funktioniert. Deutschland hat einen eher internen als einen externen Fokus.

Der Reinhard Mohn Preis des vergangenen Jahres ging an den Vorsitzenden des Peres Center for Peace and Innovation, Nechemia („Chemi“) J. Peres. Sein Thema lautet „Innovationskraft stärken. Potenziale erschließen.“ © Foto: Bertelsmann Stiftung

Wir haben eine neue Regierung mit Liberalen und Grünen. Was würden Sie ihr ins Stammbuch schreiben?

Ich würde schreiben, dass die Welt heute mehr Liberale und Grüne braucht. Die Welt muss viel stärker auf Solidarität ausgerichtet sein, um den Menschen zu ermöglichen, sich frei auszudrücken. Ich denke, ihre Werte sind richtig, und solange sie freies Unternehmertum und so viele Unternehmer und Innovatoren wie möglich dazu bewegen, sich globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel zu stellen, werden sie erfolgreich sein.

Wo sehen Sie das nächste „große Ding“?

Es liegt immer in dem, was als nächstes kommt. Kurzfristig sehe ich Dinge wie künstliche Intelligenz und Bereiche wie Energie, Mobilität und Gesundheitswesen, aber ich sehe auch jenseits des Horizonts die neuen Technologien, die auftauchen, vielleicht in erster Linie Quantencomputing. Das wird Barrieren durchbrechen und uns in eine viel ausgeklügeltere und fortschrittlichere Welt transportieren. Im letzten Jahrhundert haben wir die digitale Transformation miterlebt, jetzt werden wir eine weitere Transformation vom Bit- und Byte-Computing zu einer neuen Welt des Quantencomputings erleben, die das gesamte Ökosystem auf neue Höhen bringen wird und es uns ermöglicht, zuvor unlösbare Probleme zu bewältigen. Für mich ist dies das nächste große Ding und ich bin sehr gespannt, wohin es uns führen wird.

Die Fragen stellten Björn Hartmann und Oliver Stock für den Wirtschaftskurier  in seiner aktuellen Printausgabe (Seite 32).  Sie sprachen mit ihm nach der Verleihung des Reinhard Mohn Preises und seiner Rückkehr nach Israel. Wir danken Chefredaktuer Oliver Stock und  Chef vom Dienst Björn Hartmann für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe in diesem Weblog. 

 

 

 

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