Der Wohlstand der deutschen Volkswirtschaft hängt vom wirtschaftlichen Erfolg des Mittelstands ab. Doch die Herausforderungen für mittelständische Unternehmen werden größer. Sie müssen steigende Energie- und Rohstoffpreise verdauen. Sie müssen in einem immer härteren globalen Wettbewerb bestehen. Und sie sollen Vorreiter einer klimaneutralen und zirkulären Wirtschaft sein.
Das verlangt vielfältige Innovationen – und gerade mit Blick auf die Circular Economy mehr kollaborative Innovationsprozesse. Eine neue Kultur der Zusammenarbeit kann dem Mittelstand ermöglichen, die Wertschöpfungspotenziale der Zirkularität für sich zu erschließen. Der Staat sollte Hindernisse aus dem Weg räumen.
Der Übergang vom linearen Wirtschaftsmodell zur Circular Economy erfordert weitreichende Veränderungen. Klimaneutralität und effektive Reduktion unseres ökologischen Fußabdrucks gelingen nur, wenn wir den Verbrauch von Rohstoffen substanziell reduzieren. Ein zirkuläres Wirtschaftsmodell macht dies möglich: Ressourceneffizienz wird erhöht, Stoffkreisläufe geschlossen, Produktlebenszyklen verlängert.
Aufwand und Risiko echter zirkulärer Innovation sind gerade für kleine und mittlere Unternehmen sehr groß. Es braucht neue Formen der Zusammenarbeit. Innovationscluster aus Unternehmen, Kooperationen mit Start-ups oder Hochschulen. Die ökonomischen Anreize dafür, im Sinne der Kreislaufwirtschaft Kollaborationen anzustreben, werden steigen. Man sollte dem Thema daher aufgeschlossen gegenüberstehen um nicht Gefahr zu laufen, dass die eigenen Wertschöpfungsprozesse später an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.
Wertschöpfungspotenziale und die Chance auf Technologieführerschaft ergeben sich vor allem für Unternehmen, die sich früh auf den Weg machen und grundlegende Innovationen nicht scheuen. Ein aktuelles Gutachten des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn im Auftrag der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass jedoch nicht innerbetriebliche Innovationstätigkeit allein, sondern vor allem der Wille und die Fähigkeit zur kollaborativen Innovation zentral dafür sind, dass Unternehmen die Chancen realisieren, die sich aus der Circular Economy ergeben.
Auf der Grundlage von Interviews mit Unternehmer:innen und Expert:innen zeigt das Gutachten die Motivation von Mittelständlern und die aktuelle Herausforderung für kollaborative Innovationen im Bereich der Circular Economy auf.
Motivation der Unternehmen
Die Sensibilität für die Nachhaltigkeitswende und Eigenmotivation variieren. Insbesondere in den produzierenden Sektoren, wie der metallverarbeitenden Industrie, dem Bausektor und der Möbelindustrie, besteht jedoch ein vergleichsweise großes Bewusstsein für die Notwendigkeit der Kreislaufwirtschaft und kollaborativer Innovationen. Faktisch sehen sich viele Unternehmen zunehmend mit Ressourcenengpässen konfrontiert. Das motiviert sie kollaborative Innovationsprozesse zu initiieren. Durch die Zusammenarbeit können sie Rohstoffe effizienter nutzen und Abhängigkeiten von Zulieferern verringern. Andere möchte sich auch als „First-Mover“ positionieren und so einen Wettbewerbsvorteil erreichen, wie auch ein Zitat aus einem Interview im Rahmen des Gutachtens zeigt:
„Wenn man eines der ersten Unternehmen ist, die das irgendwie gut verstehen …] und eben eine Kreislaufwirtschaft für sich selber etablieren kann, hat man natürlich einen riesigen Vorteil. Einen riesigen Wettbewerbsvorteil […].
Kundenanforderungen sind ein weiteres Motiv für Unternehmen, sich stärker im Bereich der Zirkularität zu engagieren. Darüber hinaus spielen regulatorische Anforderungen eine Rolle. EU und Bund fördern zirkuläre Wertschöpfungsprozesse über Instrumente wie den Circular Economy Action Plan oder die in diesem Sommer kommende Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie.
Herausforderungen
Unternehmen stehen vor der Herausforderung notwendiges Wissen für die Entwicklung von Innovationen in der Kreislaufwirtschaft zu erschließen. Informationsdefizite und mangelnde Transparenz erschweren die Suche nach geeigneten Kollaborationspartnern und die Anbahnung von kollaborativen Innovationsprozessen. Das notwendige Wissen für die Entwicklung zirkulärer Innovationen ist vielfach bereits vorhanden; aber auf viele Akteure verteilt, die oft nicht miteinander kommunizieren. Vielen Beteiligten in den Unternehmen fehlt neben dem operativen Tagesgeschäft oft die Zeit, sich mit dem Thema Kreislaufwirtschaft und potenziellen Partnern auseinanderzusetzen. Dies legt auch ein Zitat aus einem Interview im Rahmen des Gutachtens nahe:
„Man beschäftigt sich grundsätzlich nur mit dem Weg bis zum eigenen Werkstor. Ganz oft weiß man überhaupt nicht, wie die Wertschöpfungskette nach der eigenen Produktion […] weitergeht. Man weiß selten, wo geht das genau hin, wie lange ist das Produkt irgendwo, warum wird es aussortiert oder nicht mehr genutzt oder entsorgt. […] Wie komme ich da überhaupt wieder dran.“
Innovationen im Bereich der Kreislaufwirtschaft können die Geschäftsmodelle von Unternehmen grundlegend verändern und ihre Existenzgrundlage beeinflussen. Bisherige Geschäftsmodelle sind in der Regel auf Gewinnmaximierung durch Absatzsteigerungen physischer Produkte ausgelegt. Maßnahmen wie die Verlängerung der Produktlebenszyklen oder die Umstellung auf „Pay-per-use“-Modelle stehen oft im Konflikt mit diesen ökonomischen Zielen und folgen einer anderen Wertschöpfungslogik. Eine strategische Neuausrichtung auf die Circular Economy erfordert daher eine hohe Bereitschaft zu Veränderungen und Risiken.
Machtstrukturen und Abhängigkeitsverhältnisse innerhalb einer Lieferkette können den Handlungsspielraum von Unternehmen einschränken, wenn nachhaltigere Kreislaufkonzepte entwickelt werden sollen. Endprodukthersteller mit großer Marktmacht stellen oft klare Anforderungen an ihre Zulieferer. Darüber hinaus können wettbewerbs- und kartellrechtliche Hürden die Zusammenarbeit, insbesondere zwischen marktführenden Unternehmen, erschweren.
Ziel muss eine höhere Kooperationsquote im Mittelstand sein
Das zentrale Erkenntnis der Studie: Regionale und überregionale Akteure, Initiativen und Plattformen können dazu beitragen, die Chancen von kollaborativen Innovationsprozesse in der Kreislaufwirtschaft frühzeitig zu erkennen und Vertrauen in Kooperationen zu schaffen.
Aber auch staatliche Maßnahmen sind zu begrüßen, die zumindest einen finanziellen Anreiz geben, um Initiativen zu fördern, etwa um Materialkreisläufe über ganze Produktionsketten zu schließen. So müssen sich Circular Economy-Konzepte für die Unternehmen am Ende auch ökonomisch lohnen. Unter anderem sollte dabei auch über eine Weiterentwicklung des Kartellrechts nachgedacht werden. So stehen zuweilen Effizienzvorteile zur Erreichung von Nachhaltigkeits- und Zirkularitätszielen heute noch im Konflikt mit dem Kartellrecht. Hier müsste geklärt werden, unter welchen Umständen spezifische Formen der Kollaboration zu rechtfertigen sind.
Unternehmen allein aber können Kreisläufe schwerlich schließen und die Wertschöpfungspotenziale heben. Gerade mit Blick auf die Herausforderungen der zirkulären Wirtschaft wird kollaborative Innovation immer relevanter. Das Ziel der Wirtschaftspolitik sollte daher sein, die Kooperationsquote im Mittelstand signifikant zu erhöhen.
Weitere Informationen unter
Innovations- und Gründungsdynamik stärken
sowie die Studie Kollaborative Innovationsprozesse
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