Eigentlich können wir einpacken. Die Digitalisierung, die wir ohnehin verpennt haben, gleicht einer Naturkatastrophe. Sie stammt aus dem Silicon Valley und wird gesteuert von übermächtigen Cybermilliardären wie Mark Zuckerberg oder Jeff Bezos. Wahlweise steckt auch China dahinter. Millionen von Jobs sind praktisch schon von Künstlichen Intelligenzen vernichtet, unsere Privatsphäre und das Klima verloren. Macht aber nichts, denn Todesdrohnen und Killerroboter, die uns auslöschen, sind sowieso nur noch eine Frage der Zeit.
Grob zusammengefasst – und, zugegeben, ein wenig überspitzt – spiegeln diese paar Sätze eine in Deutschland weit verbreitete Erzählung über die Zukunft wider, ein düsteres, aber populäres Narrativ. Das könnten wir achselzuckend hinnehmen, wenn Narrative nicht eine oft vergessene Kraft hätten. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Shiller geht davon aus, dass virale Erzählungen sogar die ökonomische Entwicklung in erheblichem Maße beeinflussen können. Die Weltwirtschaftskrise von 1929 wurde aus seiner Sicht auch von gesellschaftlichen Narrativen verursacht.
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Stimmt Shillers These, dann erzählen wir uns gerade eine wirtschaftliche Zukunft gezeichnet von technologischer Abhängigkeit, Massenarbeitslosigkeit und Stagnation herbei. Dabei hätten wir genug Stoff für andere Geschichten – für optimistische Geschichten, in denen wir uns nicht der Zukunft ergeben müssen, sondern die Zukünfte selbst gestalten. Diese Narrative können ein Klima der Neugier, der Lust am Ausprobieren, des konstruktiven Austauschs, der Ideen und damit auch der Innovationen schaffen. Doch woher sollen sie kommen?
Innovation passt in kein Ressort
Eine Quelle dieser optimistischen Erzählungen können die gestaltenden Personen selbst sein – als Influencer in den sozialen Medien. Wahrscheinlich werden wir rückblickend feststellen, dass der Twitter-Account von Elon Musk mehr zum Durchbruch der Elektromobilität beigetragen hat als alle Förderprogramme der Bundesregierung zusammen.
Allerdings verroht der Diskurs in den großen sozialen Netzwerken zusehends. Auch bestimmen dort die Algorithmen von werbefinanzierten Unternehmen, was die Menschen sehen oder nicht sehen. Und nicht immer sind die Ideen, die von Influencern propagiert werden, auch im Interesse der Gesellschaft. Könnten die Medien mit ihren journalistischen Angeboten hier einspringen? Sicher. Theoretisch. Praktisch allerdings sind Zukunft, Optimismus und Ideen in der deutschsprachigen Medienlandschaft ein wenig heimatlos.
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Das mag auch an der klassischen Ressortaufteilung der großen Verlagshäuser und Sendeanstalten liegen. Wirtschaftsjournalistinnen berichten über Wirtschaft, Technikjournalisten über Technik, Wissenschaftsjournalistinnen über Wissenschaft. Innovationen, die echten Fortschritt bedeuten, betreffen aber viele Bereiche des Lebens. Ihnen wird man nicht gerecht, wenn einmal nur über das Geschäftsmodell, das andere Mal nur über die technische Funktionsweise geschrieben wird.
Innovationsjournalismus sollte noch häufiger die vielen Puzzleteile zusammensetzen, um Orientierung zu bieten: Welche technologischen Durchbrüche finden gerade statt? Welche Auswirkungen hat das auf die Wirtschaft, den Alltag, die Gesellschaft, die Demokratie? Wer sind die handelnden Personen? Was sind ihre Motive? Wo liegen die Risiken? Wo die Chancen? Diese übergeordneten Fragen werden im Feuilleton durchaus diskutiert. Gut und aufschlussreich zwar, aber oft mit einem pessimistischen Grundton und gezeichnet von Skepsis gegenüber Technologien. Der dystopische Absatz zu Beginn dieses Textes setzt sich im Wesentlichen aus Schlagzeilen und Thesen zusammen, die in großen und renommierten Publikationen verbreitet werden.
Doch diese Art der Berichterstattung demotiviert und entfremdet all diejenigen, die Lust darauf haben, mit neuen Ideen und auch mit neuen Technologien eine bessere Zukunft zu gestalten. Die andere Narrative wollen, in denen nicht nur Risiken und Bedrohungen eine Rolle spielen, sondern auch Chancen und Möglichkeiten. Optimisten eben, die deswegen noch lange nicht unkritisch und naiv sein müssen.
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Redaktionen können heute außerdem mehr sein als Sender von Informationen, Erklärungen oder Meinungen. Durch das Internet oder durch Veranstaltungen haben sie die Möglichkeit zum Empfänger zu werden, gar zum Ermöglicher und Moderator eines gesellschaftlichen Zukunftsdiskurses. Und welches Thema würde sich besser eignen, um darüber zu diskutieren, als die Zukunft, die noch nicht passiert ist und gestaltet werden kann?
Ein Zuhause für Optimisten
Mit 1E9 haben wir ein Experiment gestartet, um genau diese Art von Medium zu schaffen, die es aus unserer Sicht gerade jetzt braucht. Eine optimistische Denkfabrik für die Zukunft. Eine Plattform, die über neue Ideen und Zukunftstechnologien informiert, die inspiriert und Menschen zusammenbringt, um kontrovers, aber konstruktiv zu diskutieren und dabei gemeinsam Innovationen hervorzubringen. Deshalb besteht 1E9 zum einen aus Journalismus – konkret: einem digitalen Magazin, Podcasts und Videos –, aber auch aus einer Communityplattform sowie aus regelmäßigen digitalen und analogen Veranstaltungen, allen voran einer Konferenz, die in diesem Jahr im November stattfinden wird.
Über unsere verschiedenen Kanäle geben wir Vordenkerinnen und Visionären aus der Startup-Szene, der Wissenschaft, der Kunst, der Zivilgesellschaft oder der Industrie eine Bühne, um ihre Ideen mit der Welt zu teilen. Wir bieten einen geschützten Raum, um interdisziplinär über den richtigen Einsatz von Technologien, aber auch über neues Denken und neue ökonomische und soziale Strukturen zu diskutieren. Wir bringen Menschen zusammen, die sich aus ganz unterschiedlichen Richtungen Gedanken über dieselben Herausforderungen machen – und sich auf klassischen Business-Veranstaltungen oder über klassische Medien wohl nicht begegnet wären.
Wir haben das Ziel, die Themen so klar und verständlich zu behandeln, dass sich alle, die Lust auf Zukunft haben, mit auf die Reise begeben können. Und alles, was bei 1E9 geschieht, passiert nicht nur für, sondern mit der Community, die über so viel mehr Wissen verfügt als eine kleine Redaktion. Deswegen wollen wir uns auch nicht über Bannerwerbung finanzieren, die nur auf Reichweite und anonyme Masse aus ist, sondern durch Beiträge unserer Mitglieder sowie Partnerschaften mit Organisationen, die ähnliche Ziele verfolgen wie wir. Gemeinsam arbeiten wir an neuen Narrativen für die Zukunft.
Klar, wir haben kein Google oder Facebook in Europa. Aber bei aufstrebenden Technologien wie Quantencomputern können wir mit eigenen Ansätzen ganz vorne mitspielen. Außerdem entstehen hierzulande Lösungen, mit denen wir dem Klimawandel und der Zerstörung des Planeten entgegentreten können. Von neuartigen Energiespeichern, über die Digitalisierung der globalen Lieferketten bis zu effizienten Verfahren, um die Gewässer der Welt von Mikroplastik zu befreien. Und während wir sehr bewusst darüber diskutieren, dass Künstliche Intelligenz – zum Beispiel in autonomen Kampfdrohnen – auch viel Schaden anrichten kann, wissen wir auch, dass vieles, wo „KI“ draufsteht, eher ein Hype ist. Zumal wir KI made in Germany auch einsetzen können, um Krankheiten frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Genau genommen ist die Lage also gar nicht so aussichtslos.
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