Bob Dmyt auf Pixabay

Social Entrepreneurship: Die Zukunft eines vielversprechenden Ökosystems sichern

Wird sich auch die kommende Regierung der Förderung von Social Entrepreneurship verschreiben? Sie wäre gut beraten, dies zu tun - denn der Bereich bietet viele Chancen.

In den letzten Jahren hat sich Social Entrepreneurship in Deutschland spürbar weiterentwickelt. Was einst eine kleine Bewegung war, hat zunehmend an Sichtbarkeit und Bedeutung gewonnen – nicht zuletzt durch wachsende Anerkennung seitens der Politik. Am deutlichsten zeigt sich diese in der Ende 2023 gemeinsam vom BMWK und BMBF veröffentlichten Nationalen Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen.

Doch mit einem bevorstehenden Regierungswechsel steht vieles auf der Kippe. Wird sich auch die nächste Regierung die Förderung von Social Entrepreneurship und Sozialer Ökonomie auf die Fahnen schreiben? Sie wäre gut beraten, denn in diesem Bereich passiert Vielversprechendes – wie auch die Beiträge im kürzlich erschienenen Social Entrepreneurship in Deutschland: Handbuch für Wissenschaft und Praxis verdeutlichen.

Welche Potenziale bietet Social Entrepreneurship?

Zunächst einmal sollte darauf verwiesen werden, dass heute anerkannte Merkmale des Social Entrepreneurship in Deutschland lange Tradition haben. Genossenschaften, Sozialwirtschaft oder Versicherungen auf Gegenseitigkeit verbinden in Teilen schon seit Jahrhunderten unternehmerische Tätigkeiten mit gemeinwohl- oder gruppenspezifischen sozialen Missionen.

In den letzten Jahrzehnten hat Social Entrepreneurship maßgeblich zur Verbreitung gemeinwohlorientierter Innovationen beigetragen – sei es durch Mikrokredite, Repair Cafés oder Urban Gardening, die Entwicklung von Bildungsangeboten, Arbeitsmarktintegration für dort benachteiligte Gruppen, die Produktion nachhaltiger Produkte und vieles mehr. Die kommunikative Verbreitung solcher Ideen (scaling out) birgt enormes Potenzial für gesellschaftliche Wirkung. Denn Social Entrepreneurs haben nicht nur das Ziel, einzelne Projekte umzusetzen, sondern ganze Systeme zu verändern.

Die Verbindung von finanziellen und sozial-ökologischen Zielsetzungen macht Social Entrepreneurship jedoch anspruchsvoll. Die inhärenten Spannungsfelder sind herausfordernd, doch sie bieten auch wertvolle Lernmöglichkeiten für andere Akteure.

Eine nachhaltige Transformation der Wirtschaft erfordert die Fähigkeit, mit diesen Spannungsfeldern produktiv umzugehen – eine Kompetenz, die nicht nur Sozialunternehmen, sondern auch zivilgesellschaftliche Organisationen und Wirtschaftsunternehmen entwickeln müssen.

Spannende Vorreiter sind Social Entrepreneurship Organisations (SEOs) auch in der Entwicklung verschiedener Methoden der Wirkungsmessung. Denn auch für andere Organisationen wird die nicht-finanzielle Berichterstattung zunehmend wichtiger. Social Entrepreneurship setzt also nicht nur eigene Impulse, sondern inspiriert auch andere Sektoren. Auch der hohe Anteil an weiblichen (Mit-)Gründerinnen sollte Vorbild sein.

Hybride Organisationen: Impulse für Sozialsektor, Wirtschaft und die größere Agenda

Social Entrepreneurship ergänzt bestehende Strukturen im Sozialsektor und erweitert den Akteursmix. Einige Wohlfahrtsverbände haben bereits organisationsinterne Innovation Labs eingerichtet und agieren als Social Intrapreneure, indem sie innerhalb etablierter Strukturen innovative Projekte entwickeln. Die Verzahnung von klassischer Sozialarbeit und sozialunternehmerischen Ansätzen bietet großes Potenzial – nicht nur für einzelne Organisationen, sondern für den gesamten Sektor und seine Adressat:innen.

Auch in der Wirtschaft finden soziale Innovationen zunehmend Anklang. Unternehmen integrieren gesellschaftliche Verantwortung in ihre Berichterstattung. Impact Investing ist in VC und Family Office-Kreisen, bei ethischen Banken oder der KfW längst kein Fremdwort mehr und fördert kombiniert mit der Zivilgesellschaft eigenen Ressourcen wie Spenden oder Engagement soziale oder ökologische Innovationen. Das SE Ökosystem bringt auch neue Organisationsmodelle wie das Verantwortungseigentum hervor, in welches bspw. eine der größeren Social Enterprises, die Ecosia GmbH 2018, sich umwandelte.

Teilweise greifen heute große Unternehmen Social Entrepreneurship-Ansätze auf. Medienberichte thematisieren beispielsweise Praxisbeispiele deutscher international agierender Unternehmen wie Siemens, BASF oder SAP. Die Deutsche Bahn setzt mit DB Intrapreneurs bereits seit 2017 auf unternehmerisches Denken und Innovationen – seit 2019 auch mit einem gezielten Fokus auf Nachhaltigkeitsthemen.

Auch wenn Social Entrepreneurship oft als Nische betrachtet wird, lassen sich viele Ansätze an größere wirtschafts- und gesellschaftspolitische Agenden anknüpfen. Dabei lassen sich viele Ansätze an größere wirtschafts- und gesellschaftspolitische Agenden anknüpfen. Dazu gehören der European Green Deal und die Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen ebenso wie lange etablierte sozialökonomische und wohlfahrtsstaatliche Traditionen in Deutschland.

Gerade in einer polarisierten Welt muss Europa seine soziale und wirtschaftliche Identität behaupten. Neben den Modellen in den USA und China kann es einen dritten Weg gehen: wertebasiert, gemeinwohlorientiert, nachhaltig. Social Entrepreneurship steht genau für die Verbindung dieser Werte mit einer unternehmerischen Kultur.

Jetzt dranbleiben – und das Ökosystem kultivieren

Mit der Nationalen Strategie wurden wichtige Förderinstrumente geschaffen, darunter niedrigschwellige Programme wie der DATIpilot. Zudem sind Pilotinvestitionen in einen Impact-Investment-Fonds geplant, der gemeinwohlorientierte Unternehmen mit Mezzanin- und Eigenkapital finanziert. Auch im Bildungsbereich hat Social Entrepreneurship in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, insbesondere an Hochschulen – und es besteht noch großes Potenzial, SE-Ansätze auch in Schulen zu integrieren.

Im neuen Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode heißt es: „Wir fördern soziale Innovationen und nutzen dafür Gelder aus nachrichtenlosen Konten in einem revolvierenden Fonds“. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, doch muss grundsätzlich die Vielfalt sozialer Innovationen berücksichtigt werden. Nicht alle Ansätze sind unmittelbar wirtschaftlich tragfähig, sondern wirken teils langfristig durch systemische Veränderungen oder verbesserte Lebensumstände. Social Entrepreneurship ist kein kurzfristiger Trend, sondern eine nachhaltige Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit.

Es wäre ein herber Verlust, wenn Social Entrepreneurship wieder an den Randwirtschaftspolitischer Debatten gedrängt würde. Gerade in Zeiten globaler Umbrüche wäre ein Rückschritt fatal – Deutschland braucht Innovationen, die nicht nur wirtschaftliche, sondern auch gesellschaftliche Probleme lösen können. Als Querschnittsthema muss Social Entrepreneurship durch alle Ressorts strategisch mitgedacht und gestärkt werden.  Es braucht Engagement von allen Seiten, um das Erreichte zu bewahren und weiterzuentwickeln.

Das Handbuch für Wissenschaft und Praxis, herausgegeben von Philipp Kenel, Jennifer Eschweiler, Helga Hackenberg und Michael Wihlenda und im November 2024 im transcript Verlag erschienen, leistet einen Beitrag aus wissenschaftlicher Perspektive.

Es bietet eine Sammlung von Beträgen, die den aktuellen Forschungsstand in Deutschland aufzeigen, eignet sich hervorragend als Ressource in Entrepreneurship Education und bietet Grundlage für die kritische Auseinandersetzung mit einem nicht mehr ganz neuen aber immer noch zu wenig wahrgenommenen Phänomen in Deutschland und in der Welt.

Kommentar verfassen