Jukan Tateisi, unsplash
Dr. Anna Wachsmuth-Pohle
25. November 2025

Psychologie: Wie kleine Anreize große Wirkung im Technologietransfer entfalten

Wenn Führungskräfte zögern, Forschende abwägen und Verwaltungsvorgaben behindern, wird Transfer gebremst. Herausforderungen liegen weniger im Mangel an Ideen, sondern darin, unterschiedliche Interessen durch klug gesetzte Anreize auszurichten.

Technologietransfer sollte eigentlich eine Erfolgsgeschichte sein: Aus Forschung wird Innovation, aus Ideen entstehen Patente, aus Konzepten neue Start-ups. In der Praxis aber greifen die Anreize oft nicht ineinander – manchmal blockieren sie sich sogar.

Führungskräfte fürchten den Verlust von Know-how, wenn Mitarbeitende ausgründen. Forschende wiederum fragen sich, ob sich der zusätzliche Aufwand neben Publikationen und Projektarbeit überhaupt „lohnt“. Und administrative Routinen erschweren kreative Verwertungswege, statt sie zu erleichtern.

Wenn Führungskräfte zögern, Forschende abwägen und Verwaltungsvorgaben behindern, ziehen die Erwartungen und Interessen in unterschiedliche Richtungen. Genau dort entsteht die Reibung, die den Transfer bremst. Die Herausforderung liegt also weniger im Mangel an Ideen, sondern darin, diese unterschiedlichen Interessen durch klug gesetzte Anreize auszurichten – damit aus Ideen, Forschungsergebnissen und Patenten tatsächlich Innovation werden.

Mit Psychologie zum Transfererfolg: Anreize neu gedacht

Die klassische Sicht auf Anreizsysteme im Technologietransfer betont Strukturen und Ressourcen: Fördermittel, Patentanwälte, Inkubatoren. Alles unverzichtbar – aber nicht ausreichend. Denn Transferentscheidungen sind hochkomplex und mit Unsicherheit verbunden: Soll ich ein Patent anmelden? Einen Industriepartner ansprechen? Mich in Richtung Ausgründung orientieren?

Die Verhaltensökonomie zeigt, dass Menschen gerade in solchen Situationen nicht rein rational handeln. Nach dem Prinzip der begrenzten Rationalität orientieren sie sich an Routinen, Abkürzungen – und manchmal auch an Ängsten.

Statt auf Druck oder abstrakte Zielvorgaben zu setzen, braucht es daher „kluge Stupser“ (Nudges), die Hürden senken, Motivation wecken und gute Entscheidungen erleichtern. Anreize sind in diesem Verständnis keine starren Vorgaben, sondern gezielte Interventionen, die auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Betroffenen eingehen.

Wirksam werden solche Anreize allerdings nur, wenn sie drei Bedingungen erfüllen: Sie müssen klar auf ein Ziel ausgerichtet sein, sichtbar gemacht werden und für die jeweilige Zielgruppe relevant sein.

Anreize im Transfer: Anleitung für die Praxis

Transfer ist dabei mehr als die Aufgabe einzelner Wissenschaftler:innen. Auch Personalabteilungen, Verwaltung und Führungskräfte prägen die Kultur – und damit, ob Wissen den Weg nach draußen findet.

Drei Jahre lang haben wir am Fraunhofer ISI in Leipzig gemeinsam mit dem Fraunhofer IIS und dem Fraunhofer IISB untersucht, wie Anreize im Transfer wirken – und dabei fünf neue Ansätze in der Praxis erprobt: Crowdcontests, Transfer-Onboarding, eine Entrepreneurship-Stelle, Transfer Awards und Tiny Compliments.

Der Praxisguide Psychologie trifft Technologietransfer ist das zentrale Ergebnis dieses Projekts. Sein besonderer Wert liegt in der Verbindung von wissenschaftlicher Theorie mit konkreten Handlungsempfehlungen – praxisnah aufbereitet für alle Ebenen einer Forschungseinrichtung, von den Wissenschaftler:innen bis hin zu den Personalabteilungen.

Fünf getestete Anreize im Überblick

Was wir gelernt haben

Die Erprobung der fünf Anreizformate hat gezeigt: Wirkungsvolle Veränderungen entstehen nicht nur durch große Programme, sondern oft durch kleine, gezielte Impulse. Schon etwas so Alltägliches wie ein „kleines Kompliment“ kann helfen, Transfer sichtbar zu machen und eine Kultur der Wertschätzung aufzubauen – gerade dort, wo Transfer bislang als Nebensache galt.

Verwaltung ist kein „Anhängsel“, sondern Hebel: Gerade Verwaltungsmitarbeitende haben entscheidende Schnittstellenfunktionen. Werden sie nicht nur organisatorisch eingebunden, sondern auch wertgeschätzt, kann Transfer spürbar erleichtert werden.

Kommunikation macht den Unterschied: Selbst der beste Anreiz bleibt wirkungslos, wenn er nicht sichtbar ist. Erfolgreiche Formate haben immer begleitende Kommunikationsmaßnahmen (Poster, interne Newsletter, kleine Events) genutzt, um Aufmerksamkeit zu schaffen.

Kulturelle Experimente sind erlaubt: Nicht jedes Institut oder jede Abteilung reagiert gleich. Manche Formate müssen ausprobiert und angepasst werden – one size fits all funktioniert nicht. Der Mut zum Experimentieren zahlt sich aus.

Timing ist entscheidend; Viele Anreize wirken am stärksten, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt gesetzt werden (z. B. Transfer-Onboarding gleich beim Eintritt neuer Mitarbeitender). Ein späterer Einstieg ist schwerer, weil Routinen dann schon verfestigt sind.

Motivlagen der Zielgruppen verstehen: Nicht alle werden durch die gleichen Dinge motiviert – Erkenntnisse zu Motivationstypen sollten genutzt und Anreize daran angepasst werden.

Auf Kombinationen setzen: Die Mischung aus materiellen (z. B. Awards) und immateriellen (z. B. Tiny Compliments) Anreizen wirkt oft nachhaltiger und vermeidet Crowding-out-Effekte.

Für Transferbeauftragte heißt das: Erfolgreiche Anreizsysteme leben von einer Kombination aus pragmatischer Umsetzung, kulturellem Feingefühl und struktureller Verankerung. Kleine Interventionen können große Veränderungen anstoßen – wenn sie sichtbar gemacht und institutionell gestützt werden.

Impulse für Transferbeauftragte und Politik

Die Ergebnisse unseres Projekts zeigen, dass psychologische Perspektiven relevant sind, um Transfer erfolgreicher zu gestalten. Für das deutsche Innovationssystem bedeutet das: Politik sollte Anreizsysteme nicht nur über Ressourcen und Strukturen denken, sondern auch über Motivation, Wahrnehmung und Verhaltensroutinen. Forschungseinrichtungen können mit klug gestalteten, auch niedrigschwelligen Maßnahmen ihre Transferkultur Schritt für Schritt verändern.

Technologietransferbeauftragte werden dadurch stärker zu Kulturgestalter:innen. Ihre Rolle geht über Beratung und Administration hinaus – hin zu aktiven Impulsgeber:innen, die passende Anreizformate mitentwickeln, implementieren und evaluieren. Die nächsten Aufgaben liegen in der Skalierung erfolgreicher Ansätze, ihrer institutionellen Verankerung und der kontinuierlichen Reflexion darüber, wie Anreize wirken – oder wo sie angepasst werden müssen.

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