Polen hat dem ersten COVID-19-Schock relativ gut standgehalten. Jetzt ist es entscheidend, die Innovationstätigkeit in den zahlreichen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) des Landes geschickt zu fördern. Das kann für eine kräftige wirtschaftliche Erholung und eine nachhaltige Verbesserung des Lebensstandards sorgen. Der Aufbauplan „Next Generation EU“ bietet zusammen mit dem EU-Haushalt 2021-2027 die Chance, die technologische Modernisierung der Unternehmen voranzutreiben und so das Produktivitätswachstum nachhaltig zu steigern. Dabei geht es vor allem um die Entwicklung der Kompetenzen der Bevölkerung.
Polnische KMU beim Aufgreifen neuer Technologien zu unterstützen, stärkt die Innovationstätigkeit und das Produktivitätswachstum in der ganzen Volkswirtschaft. Die polnische Regierung benennt in ihrer „Strategie für eine verantwortungsvolle Entwicklung“ klar die – vor allem für kleinere Unternehmen – seit Langem bestehenden Herausforderungen in Bezug auf Produktivität und Innovation (Abbildung 1). Die Krise zeigte zudem, wie wenig digitalisiert viele polnische Unternehmen sind. Auch im E-Commerce gibt es noch viel Raum für weitere Entwicklungen. Dies droht, das Produktivitätsgefälle zwischen kleinen und großen Unternehmen weiter zu vergrößern (Abbildung 2). Die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung (FuE) des privaten Sektors – insbesondere der KMU – sind niedrig. Das behindert die Einführung neuer Technologien und Innovationen. Welche Politikansätze können dem Land jetzt helfen, an die Spitze der OECD anzuschließen? Vor allem gilt es eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie zu fördern. Nicht nur die Forschungsqualität muss steigen, sondern auch die Zahl der Wissenschaftler*innen. Gute Ansätze dafür gibt es: Die Regierung hat verstärkte Steuererleichterungen für FuE sowie Programme für Wagniskapitalinvestitionen eingeführt, um innovativen Unternehmen die Durchführung von Projekten mit potentiell hoher Rendite, aber auch hohem Risiko zu erleichtern. Zudem entwickelt sich in Polen seit einiger Zeit eine dynamische Start-up-Szene.
Der jüngst erschienene 2020 OECD Economic Survey of Poland zeigt ähnlich wie seine Vorgängerausgabe von 2018 vier Ansatzpunkte auf, um KMU und die vielen Menschen, die sie beschäftigen, bei einer Stärkung ihrer Innovationstätigkeit zu unterstützen:
- Die Investitionen in Hochschulbildung und Forschung erhöhen und bessere Voraussetzungen für Exzellenz und Zusammenarbeit zwischen Industrie und Wissenschaft schaffen. Eine wichtige Verbesserung ist das Łukasiewicz-Forschungsnetzwerk. Angelehnt an die Fraunhofer-Gesellschaft in Deutschland bündelt es Investitionen in die Forschungsinfrastruktur sowie das Management von Personal und geistigem Eigentum für öffentliche Forschungseinrichtungen. Auch die stärkere Förderung von Forschungsinstituten nach der Novellierung des Hochschulgesetzes ist eine sehr positive Entwicklung. Kontinuierlich aufgestockte Mittel für Hochschulen und Forschung zusammen mit Unterstützung und Anreizen für Zusammenschlüsse zwischen kleineren Universitäten und unabhängigen Forschungsinstituten würden die Entwicklung forschungsstarker Hochschulen weiter begünstigen. Leistungsschwache Institute, die im Lauf der Zeit keine Verbesserungen erzielen, sollten geschlossen werden. Um die Qualität der Forschung zu erhöhen, sollten Mittel für bessere Beschäftigungsbedingungen der Wissenschaftler*innen bereitgestellt werden. Aktuell sind Postdoktorandenstellen unsicher und nach wie vor gering entlohnt. Zudem sind die Aufstiegschancen nicht genügend an die Qualität der Forschung geknüpft.
- Das Geschäftsumfeld weiter verbessern, um die Einführung neuer Technologien, die Digitalisierung und die Internationalisierung polnischer KMU zu erleichtern. Rechts- und Steuervorschriften werden häufig geändert. Die betroffenen Akteure – vor allem KMU – würden effektivere Konsultationsverfahren begrüßen. Durch eine stärkere Zusammenarbeit mit den Außenwirtschaftsstellen der polnischen Agentur für Außenhandel und Standortmarketing (PAIH) könnten polnische KMU zudem ihren Rechercheaufwand bei Auslandsinvestitionen verringern, ihre Managementpraktiken verbessern und ihre Produktivität steigern. Als Vorbild könnte hier die Arbeit der deutschen Auslandshandelskammern und der österreichischen Internationalisierungsoffensive „go-international“ dienen.
- Programme zur Förderung neuer Technologien mit mutigen Maßnahmen zur Erleichterung von beruflicher Mobilität und Weiterbildungsanstrengungen verbinden. Zu viele Erwachsene – selbst Führungskräfte und Hochschulabsolvent*innen – haben nur geringe Grundkompetenzen, also Lese- und Rechenverständnis. Auch um ihre Digitalkompetenzen ist es oft nicht gut bestellt. Dies kann sich negativ auf die Produktivität und die Internationalisierung von KMU auswirken. Die Teilnahme an beruflicher Aus- und Weiterbildung leidet unter dem geringen Engagement der Arbeitgeber, vor allem in kleineren Unternehmen. Zusätzliche Finanzhilfen für die betriebliche Weiterbildung und Weiterbildungskonsortien von KMU, wie es sie z. B. in Australien, Deutschland und Österreich gibt, könnten den zahlreichen polnischen Kleinstunternehmen hierbei helfen. Durch mehrjährige Kofinanzierungsprogramme zur Stärkung der betrieblichen Berufsbildung ließen sich die Beziehungen zwischen Bildungsanbietern und Unternehmen festigen. Hierfür könnten zunächst die bestehenden bildungsbezogenen Programme für KMU aufgestockt werden. Ergänzend dazu könnten auf gründlichen Wirkungsanalysen beruhende Best-Practice-Beispiele veröffentlicht werden.
- Digital- und Verkehrsinfrastruktur weiter verbessern, um Produktivität und Innovationskraft zu steigern. Eine hochwertige digitale Infrastruktur ist Voraussetzung, um die Vorteile der Digitalisierung voll auszuschöpfen und die Internationalisierung der Unternehmen zu beschleunigen. Daher sollte der Zugang zu schnellem Breitbandinternet in allen Regionen energisch vorangetrieben werden. Big Data und Datenhubs, die Unternehmen und öffentlichen Stellen Zugriff auf große Datenbanken ermöglichen, könnten Innovationen fördern. Auch als Grundlage für Politikevaluierung wäre dies ein großer Fortschritte. Dies sollte mit Fortbildungsangeboten und Unterstützung für Unternehmensleitungen und Beschäftigte von KMU einhergehen, um digitale Kompetenzen heranzubilden und Strategien für die Stärkung ihrer Geschäftsmodelle mit digitaler Tools zu entwickeln.
Zum Weiterlesen:
OECD (2020), OECD Economic Surveys: Poland 2020, OECD Publishing, Paris.
OECD (2019), OECD Skills Strategy Poland: Assessment and Recommendations, OECD Skills Studies, OECD Publishing, Paris.
OECD (2018), OECD Economic Surveys: Poland 2018, OECD Publishing, Paris.
Europäische Kommission (2020), Country Report Poland 2020, Europäische Kommission, Brüssel.
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