22. Februar 2023

Mit der DATI zum erfolgreichen Wissenstransfer?

Noch immer widmen sich nicht alle deutsche Hochschulen der Notwendigkeit des Wissenstransfers. Eine Mehrheit sucht dagegen intensiv nach besseren Strategien und Verfahren. Den vielschichten Herausforderungen widmete sich jetzt das diesjährige Forum des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) zusammen mit der Bertelsmann Stiftung. Dafür fanden sie nicht nur große Nachfrage, sondern auch prominente Unterstützung.

„Bei uns in Deutschland landen bisher zu viele gute Ideen in der Schublade. Weil der, der sie hat, nicht weiß, wie er oder sie sie gebrauchen kann. Und der, der sie braucht, nicht weiß, vom wem er oder sie sie finden kann. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass dies in Zukunft besser klappt.“

Mario Brandenburg brachte es gleich zu Beginn mit einem Appell auf den Punkt. Der neue parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung wies mit einem Grußwort auf die entscheidenden Schwachstellen der deutschen Wissenschaftslandschaft beim Thema Innovation hin.

Nur langsam entwickeln deutsche Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen Transferkonzepte und Strukturen. Zwar ist die Tendenz steigend, dennoch hat bisher nur etwa die Hälfte der Hochschulen eine eigene Transferstrategie. Ausgangspunkt für die Bertelsmann Stiftung und das CHE in einer virtuellen „Skalierungskonferenz“ das bereits entwickelte Knowhow aus der Praxis in die Fachwelt zu multiplizieren und nochmals die politischen Rahmenbedingungen zu diskutieren. Der Nachholbedarf ist groß, dies zeigte die Rekordbeteiligung an diesem Forum.

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Allerdings wird außerhalb der Fachwelt die Notwendigkeit von mehr Innovation und besserem Transfer aus der Wissenschaft von vielen der Akteure noch immer nicht in hoch genug bewertet.

Jan Breitinger, Leiter der Innovationsprojekte der Bertelsmann Stiftung, zeigte daher noch einmal die wichtigsten Zusammenhänge auf:

  • Die existenziellen Herausforderungen von der Klimaerwärmung bis zum Demografischen Wandel können ohne Innovation nicht mehr gelöst werden.
  • Gleichzeitig erleben Deutschland und Europa einen abnehmenden Innovationsgrad. Zwischen kleinen und großen Unternehmen weitet sich der Abstand bei Innovation, Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen immer stärker.
  • Der Aufholbedarf bei Startups wird zuletzt auch durch die Pandemie immer größer. Vor allem aber besteht weiterhin eine große Lücke zwischen Forschung und Anwendung.
  • Problematisch ist auch, dass sich Innovationsarbeit immer häufiger nur noch auf kleine Verbesserungen konzentriert und viele Neuentwicklungen einen nur geringen gesellschaftlichen Nutzen haben.

Gefordert sind dagegen mehr transformative Innovationen, die Lösungswege für die zentrale Problemen zeigen und somit eine Zukunft mit inklusivem Wohlstand ermöglichen. Diesen Anforderungen muss sich auch die Wissenschaft stellen. Noch bestehen nach Ansicht der Bertelsmann Stiftung in Deutschland mit seiner vielfältigen Wissenslandschaft und seinen Strukturen dafür hinreichende Chancen. Die Innovationspolitik der EU, die aktuellen Diskussionen um die „Zeitenwende“ oder neue Zukunftsvisionen – wie in Form der kürzlich verabschiedeten Zukunftsstrategie – bieten dazu derzeit weitere Möglichkeiten, jetzt die richtigen Prioritäten zu setzen und die Innovationslücke zu überwinden.

Als Ausweg sollten daher, so Jan Breitinger, die vielfältigen Verwertungspotenziale von Wissenschaft und universitärer Forschung besser erschlossen werden. Zum Beispiel durch einen Ausbau und eine Professionalisierung der Third Mission oder durch eine Evaluation der Wirkungspotenziale von Forschung. Daneben gelte es, neue Gründungsformate zu etablieren, wie etwa „Gründen ohne Gründer“, und den gezielten Aufbau von Wissen und Knowhow zu Entrepreneurship und Business Buildung voranzutreiben. Die Forschungspolitik müsse transformative Ideen durch eigenständige Förderlinien gezielt unterstützen und die Finanzierung auch von langfristigen Investitionen („patient capital“) begünstigen (s. hierzu auch diese Studie).

„Wir müssen das Silodenken abschaffen und lernen, Innovationen gemeinsam anzugehen.“

Mario Brandenburg, parl. Staatsekretär im BMBF

 

Nach Erhebungen des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft setzen die Hochschulen beim Thema Transfer vor allem auf persönliche Kontakte und regionale Vernetzung. Gleichzeitig sind die Vielfalt der Transferkanäle und die Vernetzungsmöglichkeiten zu wenig bekannt oder werden nicht genutzt. Isabel Roessler, Senior Projektmanagerin des CHE, stellte daher die Schlussfolgerungen aus einer ExpertInnenbefragung „Wege und Indikatoren Sozialer Innovationen für Hochschulen“ (WISIH) zur Diskussion.

Ihre Empfehlungen daraus: Solange es nur um eigene Formate zum Wissenstransfer ginge, könnten die Hochschulen unter sich bleiben, sollten es aber nicht. „Sobald es um Vernetzung geht, müssen möglichst alle Akteure frühzeitig einbezogen werden. Und eine Skalierung geht nicht ohne Partner aus der Praxis.“ Nicht zu vergessen sei auch: Wirkung ist eine langfristige Sache, bei der nicht zu früh aufgegeben werden darf. Im ersten Schritt, der auch immer erst eine Hürde sei, gelte es eine gemeinsame Sprache zu finden. Isabel Roessler: „Also Probleme aus der Praxis so in Sprache zu packen, dass die Problemlöser an dieser Stelle ein Anpackende finden und sagen können: Genau an dieser Stelle können wir weitergehen. Wir müssen die Klaviatur der Praxiskontakte nutzen und in das Praxisfeld hineinwirken, auch in die Politik. Und müssen die Grundlagen schaffen, dass das Thema auch spannend ist und wissenschaftliche Seiten hat. Dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie solche größeren Netzwerke hinbekommen.“

Als Ansätze zu selbständigem Netzwerkaufbau empfahl Isabel Roessler weiter:

  • Bereits frühzeitig externe Partner aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft einbinden
  • Gezielt strategische Netzwerke aufbauen und dabei das ganze regionale Innovationsökosystem berücksichtigen
  • Förderprogramme kreativ nutzen: Es muss nicht immer die Hochschule den Antrag schreiben
  • Indikatoren anwenden, um während des Projekts Veränderungen und Trends identifizieren zu können
  • Indikatoren nie von der Stange, sondern immer individuell und passgenau zusammenstellen

Netzwerke bilden nicht nur für das CHE einen der relevanten Erfolgsfaktoren. Von entscheidender Bedeutung für diese Netzwerkbildung und den Transfer dürfte zukünftig die Gestaltung von regionalen Innovationsökosystemen sein und damit eines der aktuellen Kernprojekte des Bundesforschungsministeriums, die DATI (Deutsche Agentur für Transfer und Innovation).

„Der Kontakt zwischen Hochschulen und regionalen Akteuren muss weiter intensiviert werden.“

Mario Brandenburg , parl. Staatsekretär im BMBF

Hier besteht auch bei Sachkundigen der Materie weiterhin ein großer Informations- und Diskussionsbedarf. An den externen Konsultationen durch das Ministerium hatte kürzlich Professor Peter Ritzenhoff als Geschäftsführer Hochschulallianz für den Mittelstand teilgenommen. Er versuchte, den Online-Foristen noch einmal die Ausgangsüberlegungen und den aktuellen Stand der Planungen und Diskussion zur DATI – soweit bekannt – zu erläutern.

Laut dem aktualisierten Konzept wird sich die DATI nicht in Innovationsregionen strukturieren, die innerhalb geografischer Grenzen wirken. Sondern im Rahmen von Innovationscommunities, die auch fachlich-thematische Partner außerhalb bestimmter Regionen aufnehmen. Die zentralen Akteure werden Hochschulen, insbesondere für angewandte Wissenschaften, die mittelständische Wirtschaft und die Zivilgesellschaft sowie weitere wissenschaftlichen Einrichtungen in einer bestimmten Region sein. Sie entscheiden über die Aufnahme oder auch den Abbruch gemeinsam entwickelter Projekte. Diese Projekte sollen einen Mehrwert gegenüber bereits bestehenden Entwicklungen aufweisen, sich entweder am Markt etablieren oder Lebensumstände von Menschen verbessern helfen und sich zum gesellschaftlichen Standard weiterentwickeln können. Wissenschaftliche Projekte, die von der DATI gefördert werden wollen, müssen diesen Kriterien entsprechen, einen klaren Fokus auf den Mittelstand aufweisen und eben über funktionierende Netzwerkstrukturen verfügen. Ausdrücklich sollen sich Innovationen nicht mehr auf rein technisch Erkenntnisse und Forschungen beschränken – vielmehr schließt die themenoffene Orientierung soziale Innovationen ein. Dabei gelte es, die Dichotomie zwischen sozialen und technischen Innovationen aufzubrechen und Wertigkeit von sozialen Innovationen zu erhöhen. Im Zentrum steht somit immer die gesellschaftliche Entwicklung.

© Foto: Gerd Altmann auf Pixabay

Nach Einschätzung von Peter Ritzenhoff bestehen weiterhin Hemmnisse zur Umsetzung des Transfers und der Etablierung der DATI – unter anderem in trägen Entscheidungsstrukturen innerhalb der Hochschulen, der gelegentlichen Überbetonung von Partialinteressen bei Förderprogrammen und den unterschiedlichen Organisationskulturen in Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Hier seien unbedingt ein Vertrauensaufbau und die Netzwerkentwicklung entscheidende Voraussetzungen. Auf Seiten der mittelständischen Wirtschaft sei weiterhin das Antrags- und Abwicklungsverfahren solcher Projekte eine hohe Hürde und schrecke viele potenzielle Partner gerade in KMUs von einer Kooperation ab. Und schließlich, als eines der wichtigsten Hemmnisse, seien Transfer- und Innovationsaktivitäten (auch im Rahmen einer DATI) noch immer nicht karriere- oder reputationsförderlich: „Hier muss sich die Wissenschaftscommunity selbst sicherlich noch einmal kräftig an die eigene Nase fassen.“

Ein grundlegender Punkt, in dem Wissenschaft und federführendes Ministerium in diesem Forum unbedingt wieder Übereinstimmung fanden. Mario Brandenburgs Grußwort klang daher an dieser Stelle noch mehr wie ein Appell an das Auditorium: „Unsere Hochschulen erzeugen täglich neues Wissen. Dieses Wissen und diese Ergebnisse werden in Publikationen veröffentlicht. Daran werden Hochschulen gemessen, Forscherinnen und Forscher primär auch. Nur noch neues Wissen zu erschaffen, reicht in diesen Tagen nicht mehr aus. Wir müssen dieses Wissen auch in die Anwendung, zu den Menschen, in den Alltag bringen. Wissenschaft, Gesellschaft und unsere Regionen sollen davon profitieren können. Hochschulen können hier einen entscheidenden Beitrag leisten. Doch auch die Ausbildung der Hochschulprofessoren und Lehrer, die dieses Wissen vermitteln sollen, muss erweitert werden. Die Hochschulen sind daher aufgerufen neue Konzepte zu entwickeln, mitzuarbeiten, zu kommunizieren und vor allem voneinander zu lernen.“

Weitere Kernerkenntnisse und Beiträge des Online Forums „Wissenschaft und Transfer“ in Kürze an dieser Stelle in weiteren Blogbeiträgen. Siehe dazu auch die Blogs und den Podcast mit Professor Hans-Hennig von Grünberg, Professor für Wissens- und Technologietransfer an der Universität Potsdam, und Max Wetterauer, Geschäftsführer des Transferzentrums der Pädagogischen Hochschule Heidelberg.

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  • Hans Meves schrieb am 11.05.2023

    Der Blog bildet einen wichtigen Baustein auf dem Weg zu einem besseren Transfer (und anschließender/begleitender Transformation) wissenschaftlicher Erkenntnisse und Neuerungen in die Praxis. Die angestrebte Transformation zu einer nachhaltigen Gesellschaft, erfordert allerdings neben der Schaffung effektiver und effizienter Netzwerke und Innovation Communities, auch und vor allem ein wirksames Multi-Level-Governance Gefüge.

    Das IQIB widmet sich seit einigen Jahren verstärkt der wissenschaftlichen Analyse und Evaluation der Wirkungspotenziale eines FuE-basierten Innovationstransfers und seiner Professionalisierung durch die Entwicklung und Umsetzung praxisorientierter Akteursnetzwerke und Projekte. Die Realisierung offener und transformativer Governance Konzepte kristallisiert sich dabei als Schlüsselkomponente heraus, damit Forschungspolitik transformative Ideen durch eigenständige Förderlinien gezielt unterstützen kann.