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Dr. Christian Rammer
21. März 2024

KI-Startups in Deutschland: eine Bestandsaufnahme

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Wirtschaft und Gesellschaft weist aktuell eine sehr hohe Dynamik auf. KI-Startups sind ein wichtiger Treiber dieser Entwicklung. In Deutschland hat sich im Laufe des vergangenen Jahrzehnts ein ausdifferenziertes Ökosystem für KI-Startups entwickelt. Eine Bestandsaufnahme.

KI-Startups sind wesentliche Treiber, um neue Anwendungen und Innovationen im Bereich von KI zu erschließen. Sie übertragen Forschungsergebnisse in konkrete Produkte und Dienstleistungen. Auf etablierte Unternehmen üben sie einen stetigen Wettbewerbs- und Anpassungsdruck aus, was die Angebotsvielfalt im Bereich der KI erhöht. Die Geschäftsaktivitäten von KI-Startups haben wir durch eine Studie näher unter die Lupe genommen. Die Grundlage ist eine Befragung von KI-Startups vom Frühjahr 2023.

Wie viele KI-Startups gibt es in Deutschland?

Wir definieren KI-Startups als junge Unternehmen, die sich mit der Entwicklung von KI-Technologien und KI-Anwendungen befassen und nicht älter als zwölf Jahre sind. Anhand dieser Definition beläuft sich die Anzahl der wirtschaftsaktiven KI-Startups in Deutschland auf rund 2.800 Unternehmen. Die Anzahl an KI-Startups nahm in den vergangenen 15 Jahren deutlich zu, von rund 1.200 im Jahr 2007 auf etwa 3.000 im Jahr 2021. Hinzu kommt, dass einige gründungsstarke Jahrgänge die Zwölf-Jahres-Marke inzwischen überschritten haben und daher aus der Betrachtung knapp herausgefallen sind.

Für die Jahre 2022 und 2023 zeichnete sich erstmals eine leichte Abnahme der Anzahl an KI-Startups ab. Inwieweit diese Entwicklung mit der unsicheren wirtschaftlichen Situation seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine sowie dem negativen konjunkturellen Umfeld geschuldet sein könnte, kann derzeit nicht belegt werden. Allerdings gehen wir davon aus, dass das Interesse an Gründungen im KI-Bereich im Jahr 2023 wieder zugenommen hat – insbesondere vor dem Hintergrund neuer Technologien und Einsatzmöglichkeiten auf Basis von KI-Analysen sehr großer Datenmengen, wie etwa ChatGPT.

Welche Technologien nutzen deutsche KI-Startups?

  • Verfahren zur Mustererkennung sind mit 82 Prozent aller KI-Startups die am häufigsten genutzten Methoden. Anwendungsfelder sind Objekterkennung, Bildanalyse, Spracherkennung sowie die Analyse nummerischer Daten oder Textdaten. 
  • Entscheidungsunterstützung durch KI und algorithmische Entscheidungssysteme werden ebenfalls von einem Großteil der der KI-Startups genutzt. 
  • Ferner sind viele der Start-ups im Bereich Text- oder Sprachgenerierung tätig, etwa KI-basierte Chatbot-Systeme wie ChatGPT. 
  • Mit 34 Prozent sind KI-Methoden in der Automatisierung und der selbstständigen Ausführung von Operationen durch Computer vergleichsweise wenig verbreitet. 

Insgesamt weisen die Zahlen auf hohe Anforderungen an die Rechnerleistung hin, die für die Umsetzung von KI-Anwendungen benötigt werden. Eine leistungsfähige Cloud-Infrastruktur ist somit von zentraler Bedeutung, damit KI-Startups ihre Anwendungen entwickeln und umsetzen können.

 

Wie vermarkten und finanzieren sich die KI-Startups?

Zwei Drittel der KI-Startups verkaufen Produkte oder Dienstleistungen, die auf KI-Anwendungen beruhen. 57 Prozent stellen Programmierleistungen und andere projektspezifische Leistungen in Rechnung. Von fast jedem zweiten KI-Startup werden Abo-Modelle genutzt. Fast gleich hoch ist der Anteil der KI-Startups, die Lizenzeinnahmen für intellektuelles Eigentum erzielen. Nur ein sehr kleiner Teil der KI-Startups erzielt entweder noch keine Erlöse oder ausschließlich Erlöse aus Angeboten, die nicht auf KI basieren.

  • Die Hauptfinanzierungsquelle von KI-Startups in Deutschland sind Erlöse aus dem laufenden Geschäft. Für 63 Prozent der KI-Startups ist diese Finanzierungsquelle von großer Bedeutung. Für weitere 29 Prozent von mittlerer bis geringer Bedeutung. 
  • 71 Prozent der KI-Startups finanzieren sich zumindest zu einem Teil durch die Beiträge der Unternehmenseigentümer/innen. Für 20 Prozent sind diese Beiträge von großer Bedeutung, für weitere 51 Prozent von mittlerer bis geringer Bedeutung.
  • Öffentliche Fördermittel werden von 60 Prozent der Startups genutzt, spielen aber nur bei 13 Prozent eine große Rolle bei der Finanzierung. 
  • Wagniskapital wird von knapp einem Drittel der KI-Startups genutzt. 
  • Bankkredite spielen eine sehr untergeordnete Rolle. Jedes vierte KI-Startup nutzt diese Finanzierungsform, jedoch nur bei drei Prozent kommt ihr eine große Bedeutung zu.

Kommen die KI-Startups an genügend Fachkräfte?

Mehr als ein Drittel der KI-Startups hatte im Frühjahr 2023 oder im Laufe des Jahres 2022 offene Stellen, die nicht besetzt werden konnten. Insgesamt sind 79 Prozent der KI-Startups in Deutschland vom Fachkräftemangel betroffen, indem sie entweder offene Stellen nicht besetzen konnten oder große Schwierigkeiten beim Finden von Personal hatten.

Die Schwierigkeiten bei der Personalsuche betreffen insbesondere Personal mit speziellen Kenntnissen zu KI-Technologien. Hiervon sind 23 Prozent der KI-Startups ganz und weitere 42 Prozent teilweise betroffen. In Bezug auf Personal mit allgemeinen IT-Kenntnissen sind die Anteilswerte mit 16 bzw. 38 Prozent etwas niedriger. Aber auch beim Finden von sonstigem Personal sehen sich viele KI-Startups großen Schwierigkeiten gegenüber.

Welche Faktoren behindern KI-Startups?

Um ihre Unternehmensziele zu erreichen, sehen sich die KI-Startups mehreren Herausforderungen gegenüber. 

  • Die Finanzierung für neue Projekte im Unternehmen ist dabei die am häufigsten auftretende Herausforderung. Sie betrifft 83 Prozent der KI-Startups und hat für 40 Prozent eine große sowie für 43 Prozent eine geringe Bedeutung. 
  • Das Fachkräfteangebot folgt an zweiter Stelle mit insgesamt 78 Prozent. 
  • Rechtliche Regelungen zum Datenschutz sind für 74 Prozent der KI-Startups Herausforderungen, der Zugang zu Daten ist ebenfalls für 68 Prozent ein Faktor, der die Unternehmensziele beeinträchtigt. 
  • In zwei von drei KI-Startups stellt ein fehlendes Verständnis von KI bei Nutzern und Geschäftspartnern eine Herausforderung dar. Die generelle Akzeptanz von KI in der Gesellschaft ist demgegenüber seltener eine Herausforderung (58 Prozent, davon allerdings nur für 17 Prozent von großer Bedeutung). 
  • Das Angebot einer datenschutzkonformen Cloud-Infrastruktur stellt für jedes zweite KI-Startup eine Herausforderung zur Erreichung der Unternehmensziele dar und hat für 15 Prozent eine große Bedeutung. 
  • Ebenfalls 15 Prozent sehen in der Breitbandausstattung eine große Herausforderung, weitere 27 Prozent eine geringe. 
  • Der Zugang zu Hochleistungsrechnern hat unter den abgefragten Faktoren die geringste Bedeutung (acht Prozent hoch, 28 Prozent gering).

Wie schnell wachsen die KI-Startups?

Insgesamt 56 Prozent aller KI-Startups erzielen bereits in ihrem ersten Geschäftsjahr Umsätze. 27 Prozent der KI-Startups weisen erstmals im zweiten Geschäftsjahr Umsätze auf, acht Prozent im dritten oder vierten. In neun Prozent der KI-Startups dauert es mehr als vier Jahre, bis Umsätze erzielt werden. Im Durchschnitt dauert es elf Monate bis zur erstmaligen Umsatzerzielung.

Das durchschnittliche Beschäftigungswachstum von KI-Startups in Deutschland, die im Zeitraum 2011 bis 2021 gegründet wurden und Anfang 2023 noch wirtschaftsaktiv waren, liegt bei 2,2 Vollzeitstellen pro Jahr. 

Eine Differenzierung nach der Vielfalt an eingesetzten KI-Verfahren zeigt, dass KI-Startups, die drei oder vier unterschiedliche KI-Verfahren einsetzen, häufiger ein höheres Beschäftigungswachstum aufweisen als KI-Startups, die nur ein oder zwei KI-Verfahren nutzen. Dies deutet darauf hin, dass ein breites Methodenspektrum die Erschließung eines größeren Nachfragepotenzials erleichtert.

Fazit: Erfolgsfaktoren von KI-Startups

KI-Startups, die stark wachsen, weisen häufiger Erlöse über Produktverkäufe oder Projektgeschäfte auf, während Startups, die auf Lizenzeinnahmen abzielen, sich weniger dynamisch entwickeln. Ein höheres Wachstum stellt sich außerdem häufiger dann ein, wenn andere KI-Startups zu den Kunden zählen, d.h. wenn Wertschöpfungsketten innerhalb der KI-Startup-Szene etabliert wurden. 

Die Finanzierung über Cashflow oder Wagniskapital hängt ebenfalls positiv mit starkem Wachstum zusammen. Dies gilt auch für Kooperationen mit etablierten Unternehmen, die zu KI-Technologien arbeiten. KI-Startups, die stark wachsen, haben häufiger offene Stellen, außerdem ist das knappe Fachkräfteangebot für sie eine größere Herausforderung. Dies unterstreicht, dass der Fachkräftemangel insbesondere wachstumsstarke KI-Startups bei ihrer Expansion behindert.

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