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Stefan Drüssler Fotograf: Thomas Dashuber
Stefan Drüssler
3. Dezember 2024

Interview: „Wir brauchen ein Ökosystem für Start-ups in Europa

Die Financial Times hat das Gründungszentrum UnternehmerTUM zum besten in Europa gekürt. Was macht das Innovationszentrum besonders? Ein Gespräch mit Geschäftsführer Stefan Drüssler.

Was ist das Besondere von UnternehmerTUM?

Im Innovationsökosystem von UnternehmerTUM in München findeteine Kräftebündelung statt: Unternehmen, Familienbetriebe, Start-ups, die Universität, die öffentliche Hand und Stiftungen bündeln ihre Kräfte, um gemeinsam unternehmerische Talente zu fördern. Das konnte auch so entstehen, weil UnternehmerTUM 2002 als eigenständige gemeinnützige GmbH gegründet wurde. Es ist also nicht Teil der Universität – nicht Teil eines Lehrstuhls, nicht Teil der Zentralverwaltung. Der Gedanke dahinter war, dass das Gründerzentrum  unternehmerisches Denken und Handeln nur vermitteln kann, wenn Unternehmertum Teil seiner DNA ist.

Das ermöglicht eine gewisse Unabhängigkeit. Gleichzeitig profitieren wir von dem Ökosystem der Technischen Universität München (TUM). Die dort studierenden Talente werden bei uns im unternehmerischen Denken und Handeln ausgebildet. Ebenso sind Professoren der TUM bei uns engagiert, beispielsweise der Präsident im Aufsichtsrat. Da gibt es eine enge Verzahnung. Das Thema Entrepreneurship bekommt übrigens auch an der Hochschule einen hohen Stellenwert: Es gilt neben Forschung und Lehre seit 1998 als eine der drei Säulen der TUM.

Wir arbeiten mit verschiedenen Hochschulen aus dem Raum zusammen – zum Beispiel mit der LMU oder der FAU in Erlangen. Wir sehen da keine Konkurrenz, sondern möchten den gesamten Standort stärken. Nur dann können wir einen guten Job machen.

Gibt es noch weitere zentrale Hebel?

Der unternehmerische Gedanke. UnternehmerTUM wurde nicht rein mit öffentlichen Mitteln oder Spenden aufgebaut, sondern hat von Beginn an Unternehmen als Partner gewonnen. Sie beteiligen sich über Innovationsprojekte wie den Aufbau des eigenen Innovationsgeschäfts, Matching mit passenden Start-ups und Technologien aus dem Ökosystem an der Finanzierung beteiligen. Gleichzeitig ist das eine Voraussetzung für die Kooperationen, die wir zu Unternehmen im Großraum München und Deutschlandweit pflegen. Wir haben uns besonders auf Tech-Ausgründungen spezialisiert, wofür wir auch bei Betrieben bekannt sind. Grundsätzlich gibt es zwölf Themenfelder – darunter angewandte KI und Healthcare – auf die wir uns fokussiert haben.

Ein weiterer, aus meiner Sicht entscheidender Aspekt, von dem wir auch heute noch profitieren: Als UnternehmerTUM 2002 gegründet wurde, geschah dies durch ein Kernteam, das Unternehmertum wirklich gelebt hat – mit Passion und Professionalität. Dazu gehört unsere Gründerin Susanne Klatten als treibende Kraft, aber auch unser Geschäftsführer Helmut Schönenberger. Er hat sich damals am Beispiel der Standford University orientiert, um das Gründungszentrum in München zu etablieren. Damals mit fünf Personen. Jetzt sind es über 450.

Wo sehen Sie noch Potentiale für UnternehmerTUM?

Wir möchten noch besser Ausgründungen aus der Wissenschaft fördern. Ein positives Beispiel ist das Start-up Quantum Diamonds. Es hat Quantensensoren entwickelt, die präzise Magnetfeldmessungen ermöglichen. Unterstützt wurde das junge Unternehmen von einem Venture Lab, das bei Industriekontakten und technischen Fragen geholfen hat.

Ein weiterer Hebel, um mehr dieser Ausgründungen zu ermöglichen, ist unser eigener Venture Capital Fonds. Unser Eindruck war, dass es noch nicht genug Venture Capital Investments in München gibt. Das wollten wir ändern und haben 2011 UVC Partners gegründet.

Die Venture Capital Gesellschaft investiert seitdem in technologiebasierte frühphasige Start-ups im europäischen Raum. Das ist wirklich eine Besonderheit – und hilft, insbesondere technische Ausgründungen aus der Wissenschaft zu unterstützen. Denn Maschinen und Anlagen können schnell kostenintensiv werden.

Es ist wichtig, dass wir solche Start-ups fördern, damit Europa innovativ und kompetitiv bleibt. Bis in die 2000er waren Europa und die USA wirtschaftlich gleich auf, in den letzten 20 Jahren verlor Europa aber immer weiter den Anschluss. Google, Microsoft und Amazon dominieren die Weltwirtschaft. Das zeigt ganz klar: Wir sollten weniger reden und mehr machen.  Wir brauchen mehr innovative Unternehmen, die erfolgreich skalieren und zu Weltmarktführern aufsteigen. Auch in Deutschland. Das jüngste DAX-Unternehmen, SAP, wurde in den 70ern gegründet. Das sagt schon einiges.

Was braucht es denn, damit Europa hier aufholen kann?

Eine sehr wichtige und positive Entwicklung ist, dass das Thema Innovation und Gründung auch politisch viel mehr Sichtbarkeit erhält. Lange verband die Öffentlichkeit mit dem Wort Start-up nur kleine Garagen-Betriebe. Das ändert sich. In der EU wird es beispielsweise zukünftig eine Kommissarin für Start-ups, Forschung und Innovation geben. Dass Start-ups hier nun an erster Stelle stehen, ist ein großer Erfolg.

Aber es gibt noch viel zu tun. Wir brauchen eine Ökosystem für europäische Gründungen. Wir müssen einen einheitlichen Markt schaffen und Start-ups aus der ganzen EU unterstützen. UnternehmerTUM hilft übrigens bereits Start-ups von anderen Universitäten, beispielsweise aus Frankreich oder Norwegen, um ihnen den Markteintritt in Deutschland zu ebnen.

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