Um den globalen Transformationsprozess und die damit verbundenen Herausforderungen bewältigen zu können, braucht es sowohl wissenschaftlich-technologische als auch soziale Innovationen. Eine Schlüsselrolle hierbei nehmen Forschungskooperationen von Hochschulen und Unternehmen ein. Wie solche Kooperationen gelingen können, erläutern Monika Lessl und Karen Köhler, die sich bei der Bayer AG mit Sozialen Innovationen und F & E beschäftigen.
Frau Köhler, Frau Lessl, worauf muss geachtet werden, wenn Kooperationen eingegangen werden? Welche praktischen Hürden ergeben sich?
Bei der Initiierung von Kooperationen zwischen Hochschulen und Industrie sind verschiedene Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Dazu gehört die Klärung grundlegender Aspekte.
- Welches Gesamtziel hat die Kooperation? Ist sie eher auf ein Einzelprojekt fokussiert oder umfasst sie ein Portfolio an Projekten und Aktivitäten mit einem langfristigen Horizont?
- Was sind die individuellen Ziele der Partner?
- Welcher Zeitrahmen ist angedacht?
- Welche Ressourcen können und sollten von den Partnern eingebracht werden?
- Wird weitere Expertise benötigt und sollten weitere Partner eingebunden werden?
Basierend darauf kann dann die Form der Kooperation entschieden werden. Praktische Hürden können sich aus unterschiedlichen Erwartungshaltungen, Organisationskulturen und Prozessen ergeben. Es ist wichtig, klare und transparente Vereinbarungen zu treffen, die die Ziele, Erwartungen und Verantwortlichkeiten beider Parteien definieren. Dazu gehören:
Rechtliche und finanzielle Aspekte. Es geht um klare Vereinbarungen über geistiges Eigentum, Veröffentlichungsrechte und finanzielle Beteiligungen. Sie sind essenziell, um potenzielle Konflikte zu vermeiden.
Kulturelle Unterschiede. Industrie und Hochschulen haben unterschiedliche Arbeitskulturen und Prioritäten. Es ist wichtig, diese Unterschiede zu berücksichtigen und gemeinsam Ziele, Erwartungen und Verantwortlichkeiten zu definieren.
Ressourcen und Zeitrahmen. Die Zusammenarbeit erfordert Ressourcen und Zeit von beiden Seiten. Hier ist es wichtig, realistische Erwartungen zu setzen und die verfügbaren Ressourcen zu berücksichtigen.
Kommunikation und Zusammenarbeit. Eine effektive Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Industrie und Hochschulen ist entscheidend. Es ist wichtig, klare Kommunikationswege, und regelmäßige Treffen zu etablieren.
Projektmanagement. Die Planung und Durchführung von gemeinsamen Projekten erfordert ein effektives Projektmanagement und klare Meilensteine, um sicherzustellen, dass die Ziele erreicht werden und die Ressourcen effizient genutzt werden.
Haben Sie die Erfahrung gemacht, dass sich für bestimmte Fragestellungen eine Kooperationsform besonders anbietet?
Ja, in der Praxis haben wir festgestellt, dass für bestimmte Fragestellungen bestimmte Kooperationsformen besonders geeignet sind. Zum Beispiel sind bei langfristigen Forschungs- und Entwicklungsvorhaben strategische Partnerschaften mit Hochschulen von Vorteil. Sie sollen schließlich ein ganz neues Feld erforschen. Als Kooperationsformen eignen sich hier unter anderem Public Private Partnerships oder Joint Labs, also gemeinsame Labore.
Ein solches Format ist beispielsweise das geplante Translationszentrum für Gen- und Zelltherapien in Berlin, welches Bayer mit der Charité basierend auf einem Public Private Partnership errichten wird. Dieses Zentrum soll Start-ups unterstützen, ihre innovativen Ansätze für Gen- und Zelltherapeutika in die klinische Entwicklung zu bringen.
Bei spezifischen F&E-Fragestellungen sind häufig gezielte Kooperationen wie Auftragsforschung, Unterstützung einer Masterarbeit oder Technologietransfervereinbarungen effektiver. Generell soll das Kooperationsformat an die Zielsetzung der Zusammenarbeit angepasst werden und diese bestmöglich unterstützen.
Nach welchen Kriterien sollten Unternehmen entscheiden, welche Kooperationsform sie eingehen sollten?
Bei der Entscheidung, welche Kooperationsform eingegangen werden sollte, sind einige Kriterien hilfreich. Durch die Berücksichtigung dieser Kriterien können Unternehmen und Hochschulen die für sie geeignete Kooperationsform auswählen, um ihre Ziele bestmöglich zu erreichen und von der Zusammenarbeit zu profitieren.
Eine klare Definition der Zielsetzung. Je nachdem, ob es um Forschung, Entwicklung, spezifische Innovationsthemen oder das Voranbringen bestimmter Technologien, um Talentgewinnung oder Technologietransfer geht, können unterschiedliche Kooperationsformen sinnvoll sein.
Ressourcen. Eine Prüfung der zur Verfügung stehenden Ressourcen und Kapazitäten sind Grundlage zur Auswahl der jeweiligen Kooperationsform. Dies kann finanzielle, personelle und zeitliche Ressourcen umfassen.
Expertise und Kompetenzen. Auch diese Faktoren beeinflussen das gewählte Modell. Gegebenenfalls sollte überlegt werden, weitere Partner dazu zu holen.
Risikobereitschaft. Unternehmen sollten ihr Risikoprofil berücksichtigen und abwägen, wie viel Kontrolle und Einfluss sie in der Zusammenarbeit behalten möchten. Manche Kooperationsformen können mehr Risiken mit sich bringen als andere.
Gibt es erprobte Wege, wie sich passende Hochschulen finden lassen?
Es gibt verschiedene Wege, wie Unternehmen passende Hochschulen für Kollaborationen finden können. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Unternehmen spielen oft eine Schlüsselrolle bei der Identifizierung von akademischen Partnern für Kollaborationen. Über wissenschaftliche Veröffentlichungen, Konferenzen und persönlichen Austausch haben sie Einblick, welche Hochschulen anhand von Forschungsschwerpunkten und Fachexpertise am besten für die jeweilige Fragestellung geeignet sind.
Darüber hinaus können auch bestehende Netzwerke der Unternehmen, Industrieverbände und Messen dabei helfen, potenzielle Partnerhochschulen zu identifizieren.
Viele Länder und Regionen bieten Förderprogramme für Industrie-Hochschul-Kooperationen an. Unternehmen können sich über Programme wie Horizon Europe oder BMBF Verbundprojekte und über gesondert geförderte Exzellenzuniversitäten informieren. Sie können gezielt nach Hochschulen suchen, die an den relevanten Themen interessiert sind und über entsprechende Expertise verfügen.
Eine weitere Möglichkeit sind Crowd-Sourcing-Programme, bei denen Unternehmen nach spezifischer Expertise suchen und Hochschulen sich beteiligen können. Auch daraus können sich Kollaborationen ergeben. So hat Bayer kürzlich eine Open-Innovation-Plattform gestartet, wo nach innovativen Ansätzen auf dem Gebiet neuer Züchtungstechniken und der Genomeditierung für Obst und Gemüse gesucht wird, um schnell und zielgerichtet Sorten beispielsweise mit einem höheren Nährstoffgehalt oder positiven Auswirkungen auf die Umwelt entwickeln zu können.
Für das Zustandekommen einer Kollaboration sind neben den Forschungsschwerpunkten, der Fachexpertise und der Reputation auch weitere Kriterien wie die Verfügbarkeit von Ressourcen, die Passung der individuellen und gemeinsamen Ziele sowie der zeitliche Rahmen und die Form der Zusammenarbeit ausschlaggebend. Je nach Kollaborationsform sind neben den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern häufig auch noch andere Funktionen in die Anbahnung und Vertragsverhandlungen aus dem Unternehmen involviert, wie beispielsweise die Rechtsabteilung.
Frau Lessl, Frau Köhler vielen Dank!
Das Interview fußt auf einem Fachartikel in der neuen Zeitschrift „Innovation & Transfer“ aus dem DUZ Verlag (Deutsche Universitätszeitung). Mit dem Untertitel „Wissenschaft wirksam machen“ postuliert die Zeitschrift auch ein Anliegen des Innovationsprojektes der Bertelsmann Stiftung. Die Redaktion von T&I und Stiftung haben in diesem Jahr eine gemeinsame Schwerpunktausgabe realisiert, die sich dem Thema Co-Creation und Kollaboration widmet und sich dem Thema jeweils aus der Blickwinkel von Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft widmet. Dazu hier weitere Infos.
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