Die deutsche Gründerszene wird immer grüner – das zeigen auch die Ergebnisse des Ende April 2020 zum zweiten Mal veröffentlichten Green Startup Monitor (GSM 2020), der gemeinsam vom Bundesverband Deutsche Startups (Startup-Verband) und dem Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit (Borderstep Institut) herausgegeben wurde. Dieser macht deutlich, dass Green Startups in den letzten drei Jahren einen wachsenden Zweig im gesamten Startup-Ökosystem darstellen, zeigt wo nicht-grüne und grüne Startups sich unterscheiden und weist auf politischen Handlungsbedarf hin. Die Studie basiert auf den Daten des Deutschen Startup Monitor (DSM), bei dem jährlich bis zu 2.000 Gründerinnen und Gründer aus Deutschland zu unterschiedlichen Aspekten des Startup-Ökosystem befragt werden.
Die Grüne Startup-Community wächst
Mehr als ein Drittel der knapp 2.000 teilnehmenden Startups wiesen sich dabei der Green Economy zu – leisten also aus ihrer Sicht einen konkreten Beitrag zu Umwelt- und Klimaschutz. Unter ihnen zu finden: Startups mit Lösungen im Kontext nachhaltige Mobilität, erneuerbare Energien, Recycling, Landwirtschaft, Nahrungsmittel und mehr. All diese Startups wollen explizit einen Beitrag zu einer ökologisch orientierteren Wirtschaft und Gesellschaft beitragen. Nach der Methodologie des aktuellen Green Startup Monitors können ganz konkret, unter Einbeziehung weiterer, eingrenzender Kriterien, wie z.B. die Integration von nachhaltigen KPIs (Key Performance Indicators), 21% aller deutschen Startups als „grün“ bezeichnet werden – laut Borderstep Institut entspricht das einer Anzahl von ca. 6.000 Startups in den unterschiedlichen Sektoren. Die Landschaft der Green Startups ist vielfältig, so listet der GSM insgesamt 20 Branchen auf, in denen sie vertreten sind. Dabei spielen verschiedene Geschäftsmodelle eine Rolle, durch die Startups einen Beitrag zu mehr Klimaschutz sowie einer nachhaltigeren Ökonomie und Gesellschaft leisten können. Hier spiegelt sich auch das stärker werdende Bewusstsein für bessere und nachhaltigere Lebensmittel wider, denn immerhin 69% aller Startups aus der Agrarbranche sind den grünen Startups zuzuordnen – eine große Mehrzahl. Startups aus dem Kontext Energie und Energieeffizienz, die in den letzten Jahren führend waren, werden damit in diesem Jahr auf den zweiten Platz verwiesen. Auch hier sind aber mit 59% mehr als die Hälfte aller deutschen Startups grün. Auch die Textilbranche ist weiter oben mit dabei – mit 50% sind die Hälfte aller deutschen Startups in dieser Sparte nachhaltig bzw. grün.
Erfreulich ist vor allem ein weiteres Ergebnis des GSM 2020: grüne Startups weisen mit 22% eine deutlich höhere Gründerinnen-Quote auf als nicht-grüne Startups mit nur 13%. Insgesamt sind die Zahlen damit immer noch sehr gering, der Female Founders Monitor, eine weitere Studie des Startup-Verbands, zeigt hierzu die verschiedenen Dimensionen und spezifischen Herausforderungen weiblicher Gründerinnen auf. Darüber hinaus zeigen die Zahlen eine weitere sehr interessante Erkenntnis beim Vergleich grüner vs. nicht-grüner Startups: Grüne Startups verfolgen explizit einen ganzheitlichen Nachhaltigkeitsansatz. Sie haben nicht nur eine positive Wirkung nach außen auf die Gesellschaft oder stärken durch ihre meist digitale Dienstleistung oder ihr Produkt das ökonomische Immunsystem, sondern integrieren ökologische und soziale Nachhaltigkeit auch nach innen in ihre eigene Unternehmenskultur. Grüne Startups beteiligen beispielsweise nicht nur ausgewählte Personengruppen, sondern alle Beschäftigten am Unternehmen. 54% aller Beschäftigten sind damit laut GSM 2020 an grünen Unternehmen beteiligt, bei nicht-grünen sind dies mit 46% fast 10 Prozent weniger.
Das grüne Startup-Ökosystem: herausragende Formate
Neben dem GSM wurden in den letzten Jahren weitere Formate erfolgreich im grünen Startup-Kontext etabliert. Alleine der Startup-Verband hat mit einigen neuen Veranstaltungsformaten attraktive Angebote für Green Startups geschaffen, darunter den in Kooperation mit der Crowdfunding-Plattform WIWIN im Oktober 2019 erstmalig organisierten Green Finance Summit, ein Konferenzformat zum Thema Finanzierung für nachhaltige Startups oder die Meetup-Reihe Meet&Green mit speziellen Angeboten für nachhaltige Startups. Neben dem Startgreen-Award des Borderstep Instituts haben sich mit der Postcode Lotteries Green Challenge und dem WIWIN Award zwei weitere Green Startups-Wettbewerbe etabliert, die dank Preisgeldern in Höhe von bis zu 500.000 Euro alternative Finanzierungsoptionen und realistische Wachstumschancen für die prämierten Startups ermöglichen. Diese Angebote müssen dringend ausgebaut werden – mehr VC-Investoren, Gründerwettbewerbe, Akzeleratoren u.a. sollten das Thema Nachhaltigkeit in ihre Kriterienkataloge aufnehmen. Das gesamte Startup-Ökosystem kann so noch deutlich nachhaltiger gestaltet werden, um eine gesellschaftliche Transformation zu erreichen.
Nachhaltigkeit für die gesamte Gründerszene: Sustainablity4All
Hier setzt „Sustainability4All“(Sus4All) mit einem ganzheitlichen Ansatz an. Das auf drei Jahre angelegte Förderprojekt, unterstützt vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), soll alle Akteure des Ökosystems zur Integration von Nachhaltigkeit anregen – so auch Investoren (vgl. hierzu die Sustainability Clause), Gründerwettbewerbe, Akzeleratoren u.v.m. Darüber hinaus soll eine frühzeitige und dauerhafte Einbindung von Nachhaltigkeitsbelangen in alle Startups durch die Bereitstellung praxisnaher Lösungsansätze gefördert werden. Ganz besonders wichtig ist dabei die Aktivierung von nachhaltigem Entrepreneurship an Hochschulen, um Studierenden möglichst frühzeitig das notwendige Mindset sowie geeignete Tools an die Hand zu geben, um dadurch bestehende Produkte und Geschäftsmodelle neuer, nachhaltiger und zirkularer denken können und den Gründerstandort sowie die Gesellschaft so zukunftsfähig zu gestalten.
Mehr Kapital für nachhaltige Gründungen
Insgesamt scheint die grüne Startup-Landschaft in Deutschland nach Aussage des GSM auf einem guten Weg. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass junge Unternehmen eben nur eine Chance bekommen, wenn auch wirklich in sie investiert wird – und genau an diesem Punkt mangelt es noch stark. Der GSM 2020 offenbart hier mit aktuellen Zahlen ein weiterhin großes Defizit des grünen Startup-Markts. Auch wenn das nachhaltige Bewusstsein bei vielen Gründerinnen und Gründern wächst – in der Investorenlandschaft scheint der Value nachhaltiger Innovation noch nicht ganz angekommen zu sein. Sowohl bei Unterstützungen durch Business Angel als auch durch VCs beklagen deutlich mehr grüne Startups große Herausforderungen. Während 31% der nicht-grünen Startups sich mit Hilfe von Business Angel finanzieren, sind dies bei den grünen nur 18%. Auch bei VC-Investments sieht es nicht anders aus: 17% der nicht-grünen Startups erhielten bereits Unterstützung durch ein VC, bei den grünen Startups sind es nur 9%.
Umso erfreulicher ist es, dass verschiedene deutsche Venture Capital Unternehmen die sogenannte Sustainablity Clause entwickelt haben, in der sie Startups u.a. zu einer CO2-Reduktion verpflichten. Mit dabei sind hier bekannte VC-Gesellschaften wie Project A, Earlybird und Holtzbrinck Ventures. Auch Initiativen wie der von Investor Danijel Visevic geplante Ecosia Climate World Fund und weitere angedachte Impact Investment-Strukturen lassen hoffen. Es ist zu hoffen, dass die aktuelle Corona-Krise endlich zu einem radikalen Umdenken in der Gestaltung unserer Wirtschaft und Gesellschaft führt. Alle Entscheidungsträger*innen sollten verstehen, dass insbesondere grüne Startups einen wesentlichen Beitrag zu einer zukunftsfähigeren Gesellschaft in einer lebenswerten Umwelt leisten. Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Begriff, sondern eine neue Form des Zusammenlebens – sowohl ökologisch, als auch sozial und ökonomisch!
Grüne Lösungen sind keine nischigen Alternativen, sondern stellen einen attraktiven Weg für junge Gründerinnen und Gründer dar. Dazu müssen jedoch soziale und ökologische Innovationen deutlich konkurrenzfähiger gemacht werden. Solange ressourcenschonende Lösungen jedoch wirtschaftliche Nachteile gegenüber herkömmlichen Methoden mit sich bringen, wird es nicht zum notwendigen „Tipping Point“ kommen. Es ist daher unsere gemeinsame gesellschaftliche Aufgabe das zu ändern! Der Bundesverband Deutsche Startups e.V. setzt sich dafür ein, diese Verantwortung zwischen Gesellschaft, Unternehmertum und Politik zu kommunizieren und arbeitet aktiv daran, nachhaltiges Wirtschaften im Startup-Ökosystem noch stärker zu verankern.
Kommentar verfassen