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24. Januar 2024

GreenTech made in Germany – weiterhin WM-tauglich?

Wenn wir den Klimawandel bremsen wollen, brauchen wir grüne Technologie. Und dafür braucht es Forschung und nicht zuletzt Patente – je mehr und je schneller, desto besser, hierzulande und weltweit. Wo aber steht Deutschland international bei der Spitzenforschung für grüne Technologien?

Zunächst der erfreuliche Trend: Die Forschungsaktivitäten in grünen Technologien haben weltweit in den letzten Jahren stark zugenommen. Global hat sich die Zahl der Weltklassepatente im Bereich der grünen Technologien zwischen 2010 und 2022 mehr als verdreifacht, von knapp 50.000 auf über 150.000. Der Wandel hin zur Elektromobilität, aber auch die zunehmende Vernetzung von Produktionsprozessen gelten dabei als zwei der wesentlichen Treiber, Forschungsaktivitäten im Green-Tech-Bereich patentieren zu lassen.

Aber: Im weltweiten Vergleich sind die USA immer noch der führende Spitzenforschungsstandort in grünen Technologien. Jedes dritte weltweit entwickelte Weltklassepatent stammt aus den USA. Vor allem in den Kategorien „Neue Mobilität“, „Energieeffiziente Systeme“ oder „Klimawandelanpassungsstechnologien“.

Und: Der wichtigste Wachstumsmotor weltweit ist heute China. Das Land konnte seine Weltklassepatente in grünen Technologien allein in den letzten fünf Jahren mehr als verdreifachen, von 11.000 auf 37.000 Patente, und liegt damit insgesamt weltweit auf Platz zwei. China ist mittlerweile in fast allen grünen Oberkategorien einer der Top-3-Forschungsstandorte weltweit. In der Kategorie „Nachhaltige Verbrauchsmaterialien/Recycling“ liegt China sogar bereits auf Platz eins.

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Umgekehrt ist zu erkennen: Europa und Deutschland fallen langsam, aber stetig in der Reihenfolge zurück. Dies sind die Kernergebnisse einer neuen Studie der Bertelsmann Stiftung.

Ausgangspunkt der Wissenschaftler: Der Klimawandel erfordert einen grundlegenden Umbau unserer Wirtschaft, vor allem in den Bereichen Industrie, Energie und Verkehr. Diese Transformation kann aufgrund des hohen Zeitdrucks nicht ohne eine beschleunigte technologische Entwicklung und Innovationen gelingen. Hierfür braucht es Technologien, die derzeit häufig noch in der Demonstrations- oder Prototypenphase sind. Kurzum: Die Entwicklung und Diffusion von Innovationen im Green-Tech-Bereich sind entscheidend. Für den Standortwettbewerb und im Kampf gegen den Klimawandel. Wichtig ist daher zum einen zu erforschen, wo und in welchem Tempo welche Technologien derzeit entstehen und welche Volkswirtschaften davon in welchem Maße profitieren. Ziel war es, jene Länder zu identifizieren, die über die besten technologischen Grundlagen verfügen, um z.B. effizientere Photovoltaikzellen, bessere Brennstoffzellen, neue Batterierecycling-Methoden oder marktreife Carbon Capture- bzw. Storage-Anlagen zu entwickeln. Nicht zuletzt widmet sich die Studie der Frage nach der Position Deutschlands im internationalen Wettbewerb um die „Zukunftstechnologien“.

„Weltklassepatente“: Qualität & Quantität

Wie lassen sich solche Fragen seriös beantworten? Grundlage der Analyse ist die Auswertung von Patentdaten. Patente sind ein wichtiger Erfolgsausweis von Forschung und Entwicklung. Das Patentportfolio einer Volkswirtschaft bzw. ihrer Unternehmen und Forschungseinrichtungen bildet eine wichtige Grundlage für ihre Innovations- und damit auch Zukunftsfähigkeit. Die Studie bricht dabei in dreifacher Hinsicht mit dem üblichen Ansatz: Erstens berücksichtigt sie die enormen Unterschiede in der Qualität von Patenten und den Standards der Patentdefinitionen, indem sie sich nur auf die zehn Prozent der wichtigsten Patente konzentriert – und unter dem Stichwort „Weltklassepatente“ subsummiert. Diese zehn Prozent werden anhand von Zitationen bei Patentanmeldungen und hinsichtlich Marktabdeckung ermittelt. Zweitens beschränkt sie sich auf die 60 wichtigsten Zukunftstechnologien. Drittens zählt sie nicht nur die Patentanmeldungen, sondern bewertet das aktive Patentportfolio zu einem bestimmten Zeitpunkt – und macht so eine aussagekräftige Momentaufnahme der aktiven Patente, anstatt nur die Neuanmeldungen zu zählen.

Wo steht Deutschland heute?

Zwar ist die Zahl der Weltklassepatente aus Deutschland in den meisten grünen Technologien in den letzten Jahren teils deutlich gestiegen. Mit der internationalen Dynamik konnte der deutsche Forschungsstandort jedoch nicht mithalten. In Europa ist Deutschland weiterhin Top-Forschungsstandort für grüne Technologien, in der EU mit Abstand sogar das wichtigste Forschungsland. Im Jahr 2022 gab es in Deutschland knapp 10.000 Weltklassepatente, damit lag der Anteil Deutschlands an allen Weltklassepatenten aus der EU bei über 50 Prozent. Deutschlands Anteil an allen globalen grünen Weltklassepatenten betrug 2022 dagegen nur noch knapp 7 Prozent. Das deutsche Technologieprofil zeigt, dass Deutschland vor allem in den Bereichen „Neue Mobilität“, „Effiziente Produktion“ sowie „Neue Energie“ über viele Weltklassepatente und einen hohen Weltanteil verfügt.

In der Kategorie „Neue Energie“ kommt fast jedes zehnte Weltklassepatent aus Deutschland. Die wichtigste Einzeltechnologie ist dabei die Windenergie, in der Deutschland einen Weltanteil von rund 16 Prozent hält. Ein für den Industriestandort Deutschland sehr wichtiges Technologiefeld ist die „Effiziente Produktion“. Bei den Einzeltechnologien ragen hier die materialsparende 3D-Druck und die energieeffiziente Metallproduktion heraus. In beiden Technologien kommt mehr als jedes zehnte Weltklassepatent aus Deutschland. Dagegen ist die deutsche Forschungsposition bei der wichtigen Technologie „Vernetzte Produktion/Smart Factory“ ausbaufähig. Hier beträgt der Weltanteil nur 5 Prozent.

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Zugpferd Elektromobilität

Deutschland holt bei der Elektromobilität auf, hat aber Verbesserungsbedarf beim autonomen Fahren sowie bei Energiespeichertechnologien. Die größte Technologiekategorie in Deutschland ist „Neue Mobilität“ mit insgesamt knapp über 3.000 Weltklassepatenten im Jahr 2022. Bei den Einzeltechnologien autonome Straßenfahrzeuge und vernetzte Autos/Interaktion im Straßenverkehr konnte Deutschland in den letzten fünf Jahren nicht mit der globalen Dynamik mithalten. Die Position des deutschen Forschungsstandorts bei der Elektromobilität hat sich in den letzten Jahren dagegen verbessert. Insbesondere bei den Elektromotoren besitzt Deutschland mittlerweile einen hohen Weltanteil von fast 11 Prozent und konnte diesen Weltanteil seit 2017 um mehr als drei Prozentpunkte ausbauen.

Weniger gut ist die Forschungsposition Deutschlands und auch der EU insgesamt in der Kategorie „Energiespeicherung“, einem wichtigen Teil der Wertschöpfungskette von Elektroautos. Der deutsche Weltanteil an den globalen Energiespeichertechnologien liegt bei lediglich 3,6 Prozent und der EU-Anteil liegt mit knapp über 5 Prozent nur wenig höher. Japan, China, USA und Südkorea liegen allesamt klar vor der EU bzw. Deutschland.

Kann die Wette aufgehen?

Global betrachtet gibt es mit Blick auf den Green-Tech-Bereich daher keinen Grund für einen Abgesang auf den deutschen Forschungsstandort. Die Daten zeigen auch, dass es – über alle Unternehmen hinweg betrachtet – seit 2010 keinen Trend zur Verlagerung von Forschungsaktivitäten ins Ausland gegeben hat. Wenn, dann wurden Verlagerungen durch neue Aktivitäten im Inland mehr als kompensiert. Vor allem US-Unternehmen betreiben grüne Spitzenforschung in Deutschland. Knapp ein Fünftel aller in Deutschland entwickelten grünen Weltklassepatente stammen von US-Unternehmen. Umgekehrt sind die USA bei Weitem der wichtigste ausländische Standort für Forschungsaktivitäten in grünen Technologien von deutschen Unternehmen. Bei fast jedem vierten Weltklassepatent von deutschen Unternehmen sind in den USA beheimatete Forschende involviert. Dieser Anteil ist höher als die Summe aller derartiger Forschungskooperationen mit anderen EU-Ländern. Hiermit besteht somit noch Verbesserungspotenzial für eine intensivere Forschungszusammenarbeit in grünen Technologien in der EU.

Mit Blick auf die Ausgangsfrage nach mehr und besseren Technologien gegen den Klimawandel zeigt der Blick auf die weltweiten Forschungsergebnisse auch, dass global noch eine deutliche höhere Forschungsdynamik in der erfolgskritischen Kategorie „Neue Energie“ nötig ist.  Ein weiterer Ausbau der erneuerbaren Energien, vor allem von Wind- und Solarenergie, ist die Voraussetzung für die ausreichende weltweite Senkung klimaschädlicher Emissionen in den kommenden Jahren. Gerade der Ausbau der Windenergie erfolgt jedoch derzeit zu langsam. Die gegenwärtigen Probleme zahlreicher Unternehmen beim Ausbau der Offshore-Windfarmen (z. B. hohe Installationskosten sowie hoher Wartungsbedarf) zeigen, dass es weiterhin großen Bedarf an Innovationen gibt. Es ist daher ein Warnsignal, dass sich die Forschungsdynamik im Bereich „Neue Energie“ nach einer sehr schwungvollen Entwicklung zu Beginn der 2010er Jahre seitdem verlangsamt hat.

Fazit: Gewinnen kann die Welt den Kampf gegen den Klimawandel nur gemeinsam. Die Kraftanstrengungen haben deutlich zugenommen. Um zu den ökonomischen Gewinnern im Transformationswettbewerb zu werden, muss Deutschland seine Innovationsperformance bei grünen Technologien wieder steigern. Zwar schwinden die Titelchancen in der Disziplin zunehmend, die Chancen auf einen Tabellenplatz an der Spitze sind jedoch weiterhin gut.

Die Studie entstand in Zusammenarbeit der beiden Stiftungsprojekte „Innovations- und Gründungsdynamik stärken“ sowie „Nachhaltig Wirtschaften“ der Bertelsmann Stiftung zusammen mit EconSight.

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