In dem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgesetzten Forschungsvorhaben Smarte.Land.Regionen begleiten wir sieben Modellkommunen dabei, digitale Dienste für ihre Problemstellungen zu entwickeln. Wir unterstützen sie auch bei der Einführung sowie Verbreitung dieser Dienste.
Dabei fragen sich Kommunen: „Welche Software passt zu mir und meinem Problem?“ oder „Welche Aspekte sind bei der Einführung einer Software zu beachten?“. Mit diesem Beitrag wollen wir unsere Erfahrungen teilen und Kommunen und ihren Bürger:innen Ideen an die Hand geben, um sie auf ihrem Weg der Digitalisierung zu unterstützen.
Die Software allein reicht nicht
Eine eindeutige Erkenntnis des Forschungsprojektes ist: Digitale Dienste können eine passende Antwort auf kommunale Problemstellungen sein und somit die Daseinsvorsorge verbessern. Das bedeutet: Es werden alle notwendigen Güter, die es für ein menschenwürdiges Leben braucht, geschaffen. Allerdings reicht es dafür nicht aus, einen digitalen Dienst technisch zur Verfügung zu stellen: Denn jede Kommune ist individuell.
Die Einführung eines Dienstes muss also auf die vor Ort existierenden Rahmenbedingungen angepasst werden. Dies muss in jeder Phase bedacht werden. Nur dann kann aus einem digitalen Dienst eine digitale Lösung werden, die in der eigenen Region akzeptiert wird und ihre Wirkung entfalten kann. Wie sieht also ein passendes Vorgehen aus?
Analyse der Ausgangslage
Prinzipiell braucht es zu Beginn eine Analyse der Ausgangslage. Hierbei sollten vor allem die kommunalen Herausforderungen und Bedarfe fokussiert werden, die durch den Dienst adressiert werden sollen. Eine Stakeholder-Analyse wird vorgenommen, um sich der verschiedenen Beteiligten und deren Bedürfnissen bewusst zu werden. Auch ihre Rollen im Vorhaben können so verdeutlicht werden.
Folgende Fragestellungen helfen, geeignete Stakeholder zu identifizieren:
- In welchem Themenfeld ist ein Stakeholder aktiv?
- Welches Handlungsfeld ist relevant?
- Wer muss unbedingt informiert oder überzeugt werden?
Ebenfalls sollten monetäre und personelle Ressourcen geklärt werden, die zur Implementierung und zum Betrieb des Dienstes zur Verfügung stehen oder gestellt werden können.
Suche nach einem geeigneten Dienst
In der nächsten Phase liegt der Fokus auf der Suche, also der Beantwortung der Frage „Wie finde ich einen geeigneten Dienst?“. Hierbei sind sogenannte Marktplätze von Vorteil, auf denen eine Vielzahl an Diensten speziell für Kommunen angeboten wird. Dort können sich Verantwortliche einen Überblick über vorhandene Dienste verschaffen, finden Informationen zu deren Einführung und können diese vergleichen.
Wir haben in unserem Forschungsprojekt ebenfalls einen solchen Marktplatz entwickelt. Im Mittelpunkt steht die Vermittlung von Lösungen und Beratungsangeboten zur Daseinsvorsorge. Ebenso kann der Marktplatz die Kontaktaufnahme zwischen Kommunen, Lösungsanbietern und Berater:innen erleichtern. Er bringt also Angebot und Nachfrage zusammen. Das Besondere am Marktplatz ist, dass den angebotenen digitalen Diensten ein Betreibermodell zu Grunde liegt, sodass sich die Kommune nicht um den Betrieb kümmern muss.
Darüber hinaus ist es sinnvoll, sich auch an bereits eingeführten Diensten in der regionalen Umgebung zu orientieren. Weitere Praxisbeispiele können Kommunen auf Webseiten wie dem Smarte.Land.Regionen Toolset recherchieren. Auf dem Toolset findet sich eine Darstellung vieler Beispiele von Diensten, die in verschiedenen Kommunen bereits erfolgreich zum Einsatz kommen. Neben Praxisbeispielen bietet das Toolset diverse Methoden und konkrete Unterstützung, um den digitalen Wandel in den Kommunen ganzheitlich zu gestalten.
Entscheidung für einen Dienst
Nun folgt die Phase, in der die Entscheidung für den Dienst fällt. Dabei sollten die Alleinstellungsmerkmale des Dienstes identifiziert werden. Im Fokus stehen dabei folgende Fragen:
- Warum speziell dieser Dienst?
- Wurde die Zielgruppe berücksichtigt?
- Welche Kosten entstehen?
- Welchen Mehrwert bietet der Dienst?
Wenn man sich auf einen Dienst festgelegt hat, hilft die Entwicklung eines Zeitplans. Beachtet werden sollten die Schritte, die vor der Einführung noch geklärt werden müssen. Dabei hat es sich als sinnvoll erwiesen, verschiedene Verwaltungsebenen einzubeziehen, deren Zuarbeit entweder unmittelbar für den Dienst gebraucht wird oder die den Dienst im Anschluss selbst nutzen bzw. als Multiplikatoren bei Bürger:innen agieren können.
Hier sind in den meisten Fällen IT-Verantwortliche, IT-Sicherheit-Verantwortliche, CDOs bzw. Digitalisierungsbeauftragte wichtige Wissensträger:innen sowie jeweilige Fachämter. Die Klärung rechtlicher Rahmenbedingungen sowie ein ausführlicher Ressourcenplan dürfen ebenfalls nicht fehlen.
Die Einführung des Dienstes
Bei der Einführung des Dienstes ist nun gutes Management notwendig. Das Projektteam kümmert sich um die Einführung, Verbreitung und Nutzung des Dienstes ebenso wie um seine Inhalte. Prinzipiell kann jede Person, die eine Affinität zu dem Thema verspürt und ein Verständnis für digitale Anwendungen, Prozesse sowie Kommunikationsfähigkeit aufweist, dafür sorgen, dass der Dienst eingeführt und erfolgreich genutzt wird. Tiefergehendes technisches Know-How ist in den meisten Fällen nicht nötig – wohl aber ein Blick dafür, was gebraucht wird und welche Weiterentwicklungen sinnvoll sein könnten. Schulungen und Weiterbildungen für das Projektteam können ebenfalls angeboten werden.
Welche Kompetenzen die Zielgruppen benötigen, um den Dienst zu nutzen, ist vom jeweiligen Dienst abhängig. Falls die Software weniger digital-affine Zielgruppen anspricht, können vor dessen Nutzung Schulungen angeboten werden, z.B. in Kooperation mit der Volkshochschule. Außerdem können Treffen organisiert werden, bei denen Freiwillige den weniger digital-affinen Bürger:innen helfen, den Dienst anzuwenden. Als Nebeneffekt werden durch dieses Vorgehen die Gemeinschaft und das Ehrenamt gestärkt. Grundsätzlich sollten die Zielgruppen motiviert werden, neue Dinge auszuprobieren, nicht vor eventuellen Veränderungen ihres Alltages zurückschrecken und die Vorteile des Dienstes für sich zu nutzen.
Ein Beispiel aus der Praxis
Der Dienst kubuu bringt Kulturschaffende und Kitakinder zu (virtuellen) Angeboten zusammen. Die Stadtbibliothek kann so zum Beispiel eine Lesung für die Kinder über einen Live-Stream veranstalten, ohne dass die Kita erst anreisen muss. Bei der Einführung des Dienstes im Landkreis Vorpommern-Greifswald wurden in einer ersten Testphase gezielt Kulturschaffende, die ein Angebot erstellen wollten, und Kitas mit Interesse an der Nutzung des Angebots zusammengebracht.
Während des Ausprobierens des virtuellen Angebots wurde schnell deutlich, dass eine große Unsicherheit bei der Nutzung der nötigen Technik (z.B. Webcam und Stativ, WLAN-Verstärker, Beamer) vorhanden war. Damit der Dienst in der Praxis genutzt wird, ist es notwendig, diese Unsicherheiten wahrzunehmen und durch Unterstützung und Bestärkung (technische) Kompetenzen aufzubauen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Interessierte aus innerer Unsicherheit heraus die digitale Lösung ablehnen, obwohl sie die Grundidee unterstützen.
Der Kommunikationsplan
Zu einem guten Management gehört auch ein Kommunikationsplan, der folgende Punkte enthält:
- Kommunikationsstrategie
- Kommunikationsziele
- Zielgruppengerechte Ansprache
- Personelle Ressourcen
- Kommunikationsbudget
- Kommunikationsarten: Offline (Flyer, Potskarten, Plakate, Veranstaltungen usw.) und Online (Webseite, Social Media, Newsletter)
- Kontrolle
Wichtig in der Kommunikation sind die Mehrwerte, die durch die Dienst-Nutzung entstehen: Sie müssen der Zielgruppe aufgezeigt werden. Bei der Darstellung der Mehrwerte können Erfolgsgeschichten aus anderen Kommunen unterstützen:
- Wann hören Ihnen die Personen aus der Zielgruppe begeistert zu?
- Wie können die Inhalte kreativ aufbereitet werden, sodass die Beteiligten überzeugt werden?
Hier können auch Zeichnungen, Kurzvideos (Beispiel kuubu), direkte Ansprache in Briefen etc. helfen.
Hier eine Übersicht an beispielhaften Kommunikationswegen für die Bekanntmachung von Diensten vor Ort:
Die Aktivitäten sollten nicht nur einmalig durchgeführt werden, sondern kontinuierlich. So kann sichergestellt werden, dass der Dienst auch nach den ersten Wochen noch genutzt wird. Außerdem ist Geduld erforderlich, denn es braucht Zeit, um die Aufmerksamkeit der Zielgruppen zu erreichen.
Multiplikator:innen tragen wesentlich dazu bei, einen Dienst in die Breite zu bringen. Bei den Multiplikator:innen kann es sich z.B. um Vereine, Ratsmitglieder, Bürger:innen, Verwaltungsmitarbeiter:innen, IT-Verantwortliche, Werbegemeinschaften, Gewerbetreibende, Meinungsbildner:innen, Jugendpflege, Schulen, Kindergärten usw. handeln.
Es ist daher sinnvoll, für jeden Dienst die passenden Multiplikator:innen zu identifizieren. Soll zum Beispiel ein Dienst Kultureinrichtungen, Vereine oder ehrenamtlich Engagierte mit den Kitas verbinden, sprechen Sie Vertreter:innen dieser Akteure an und seien Sie offen für Vorschläge weiterer Gesprächspartner:innen. Auf der Netzwerkkultur der Akteur:innen kann gut aufgebaut werden.
Fazit
In unserem Projekt hat sich einmal mehr gezeigt, dass die reine Entscheidung für einen digitalen Dienst und dessen technische Anpassung nur kleine Schritte des Gesamtprozesses sind. Doch wir haben auch gesehen, dass mit ein wenig Einsatz digitale Dienste zum Leben erweckt werden. Sie erwirken eine Verbesserung der Daseinsvorsorge, vernetzen Personen in den Kommunen miteinander und können sie für zukünftige Vorhaben zusammenbringen.
Fragen zur Orientierung
- Welche Herausforderung/Problemstellung in meiner Kommune möchte ich angehen?
- Wird in Nachbarkommunen bereits eine passende digitale Lösung angewendet?
- Welche Ressourcen werden benötigt?
- Wie bringe ich einen Dienst in die breite Nutzung?
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