von Maximilian Bauerdorf, Nadine Braun, Linda Kreizer, Steffen Obermann, Jennifer Pernau, Leon Tiedemann-Friedl, Matthias Ballweg und Raphael Kiesel
Angesichts der großen Herausforderungen unserer Zeit gewinnen Green Tech und die Circular Economy (CE) als Leitkonzepte nachhaltiger Entwicklung zunehmend an Bedeutung. Beide Ansätze eint ein übergeordnetes Ziel: Wirtschaftlicher Fortschritt soll mit Klima- und Umweltschutz verknüpft werden.
Ansätze zur Umsetzung haben junge Vordenker:innen aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft im Rahmen des Netzwerks Voices of Economic Transformation der Bertelsmann Stiftung diskutiert. Weitere Ideen finden Sie in dem Innovationskatalog, der dabei entstanden ist.
Funktionierende Infrastruktur als Schlüssel
Der Aufbau einer funktionierenden Circular Economy (CE) in Deutschland und der EU ist dringend notwendig, doch der Fortschritt wird bislang durch langsame Genehmigungsverfahren, fragmentierte Wertschöpfungsketten und ineffiziente Recyclingprozesse ausgebremst.
Fehlende digitale Schnittstellen zwischen Unternehmen und uneinheitliche Standards erschweren zusätzlich den Aufbau geschlossener Materialkreisläufe. Dabei könnten Rohstoffe deutlich schneller wieder in den Produktionskreislauf zurückgeführt werden, wenn Prozesse zwischen Unternehmen, Behörden und Recyclinganlagen gestrafft und digitale Lösungen gezielt eingesetzt würden.
Kurzum: Der Ausbau der CE-Infrastruktur muss beschleunigt werden. Welche Möglichkeiten gibt es hierfür? Digitale Plattformen könnten Materialströme in Echtzeit koordinieren. Automatisierte Sortier- und Recyclinganlagen mit KI-Unterstützung sorgen für eine höhere Effizienz. Vereinfachte Genehmigungsverfahren und einheitliche Standards auf EU-Ebene würden nicht nur die Abläufe harmonisieren, sondern auch deren Skalierbarkeit erhöhen.
Finanzielle Anreize könnten Unternehmen motivieren, beschleunigte Recyclingverfahren einzusetzen und so den Übergang zu nachhaltigeren Produktionsmethoden voranzutreiben.
Zentrales Datenregister als Transparenzgrundlage
Zur organisatorischen Infrastruktur gehören auch verlässliche Produktinformationen. Derzeit fehlt es aber an einer systematischen Erfassung von Inhaltsstoffen und Materialzusammensetzungen – sei es bei Textilien, Baustoffen oder anderen Produkten. Ohne diese Daten lassen sich Materialkreisläufe kaum effektiv gestalten, Recyclingprozesse nicht optimal steuern und regulatorische Anforderungen nur schwer erfüllen. Die Folge sind Ineffizienzen, höhere Entsorgungskosten und verpasste Chancen für nachhaltige Wertschöpfung.
Ein zentrales Datenregister könnte helfen. Es würde eine digitale Infrastruktur schaffen, die Produktinformationen branchenübergreifend erfasst, einheitlich strukturiert und allen relevanten Akteuren zugänglich macht – von Unternehmen und Behörden bis hin zu Verbraucherinnen und Verbrauchern.
Die Politik müsste dafür den gesetzlichen Rahmen schaffen, einheitliche Datenstandards und Schnittstellen festlegen und Pilotprojekte fördern. Hersteller, Importeure und Händler wären verpflichtet, Produktdaten regelmäßig zu erfassen und zu aktualisieren und diese in bestehende Produktions- und Lieferkettenprozesse zu integrieren.
Darüber hinaus könnten Forschungseinrichtungen technische Lösungen für die Datenübertragung entwickeln und deren Implementierung durch Beratung vorantreiben. Auch die Zivilgesellschaft spielt eine Rolle – etwa durch Feedback, Informationsarbeit und das Einbringen von Anforderungen an Transparenz und Nachhaltigkeit. Mit einem solchen Register ließe sich die Grundlage für geschlossene Stoffkreisläufe schaffen und die Transformation zur Circular Economy erheblich beschleunigen.
Das CE-Starter-Kit als Türöffner
Auch auf Unternehmensebene braucht es konkrete Werkzeuge, um den Einstieg in die Circular Economy zu erleichtern. Viele Betriebe erkennen zwar die Bedeutung zirkulärer Prinzipien, scheitern jedoch an der Umsetzung, weil es an Orientierung fehlt oder der Wandel als zu komplex empfunden wird.
Es fehlt häufig an konkreten, niedrigschwelligen Handlungsempfehlungen, wie Unternehmen erste Schritte gehen und Circular Economy in bestehende Geschäftsprozesse integrieren können. Ein praxisnahes CE-Starter-Kit kann hier Abhilfe schaffen.
Das Starter-Kit liefert eine Schritt-für-Schritt-Anleitung: zur Analyse bestehender Stärken, zur Anwendung einfacher R-Strategien wie Reduce, Reuse und Recycle, zur Auswahl von umsetzenden Mitarbeitenden, zur Auswahl passender Geschäftsmodelle wie Sharing-Konzepte und zum Start von Pilotprojekten.
Interdisziplinäre Teams, Kooperationen mit anderen Unternehmen und Forschungseinrichtungen sowie der Austausch über Best Practices helfen, die interne Akzeptanz zu steigern und Pilotprojekte auf den Weg zu bringen. Essentiell ist auch, diese Erfolge zu messen, Strategien anzupassen und die zirkulären Ansätze langfristig im Unternehmen zu verankern.
Regulatory Sandboxes als Innovationsmotor
Viele bestehende Vorschriften sind nicht auf die besonderen Anforderungen von Green Tech und Circular Economy zugeschnitten, was die Einführung neuer Geschäftsmodelle und Technologien erschwert und Investitionen hemmt. Hier setzen sogenannte regulatory sandboxes an – rechtlich geschützte Experimentierräume, in denen Unternehmen innovative Technologien und Geschäftsmodelle unter erleichterten Bedingungen testen können. Die so gewonnenen Erkenntnisse lassen sich anschließend in dauerhafte Gesetzgebung überführen.
Förderprogramme, finanzielle Anreize und gezielte Kooperationen zwischen Start-ups, etablierten Firmen und Forschungseinrichtungen könnten die Attraktivität solcher Sandboxes erhöhen und die Umsetzung der Erkenntnisse in die Praxis erleichtern. Ebenfalls wichtig sind spezialisierte Teams in Regulierungsbehörden, die Unternehmen aktiv begleiten. Ein digitales Monitoring-System würde Transparenz schaffen und Risiken wie Chancen gleichermaßen dokumentieren.
Hebel für den Wandel
Die Transformation zur Circular Economy erfordert ein Zusammenspiel aus schneller Infrastrukturentwicklung, mutigen regulatorischen Testfeldern, umfassender Datentransparenz und praktischen Einstiegshilfen für Unternehmen. Mit diesen Ansätzen kann der Wandel deutlich beschleunigt und eine Wirtschaft etabliert werden, die Ressourcen im Kreislauf hält und langfristig wettbewerbsfähig bleibt.
 
                     
                         
                             
             
                             
                         
                         
                        
Kommentar verfassen