Max Wetterauer
11. Januar 2023

Wie entsteht Zusammenarbeit zum Transfer von Wissen?

Für den Transfer aus der Wissenschaft hat sich der Aufbau regionaler Netzwerke als eines der effektivsten Instrumente erwiesen. Doch nicht alle Formate sind dafür geeignet, wie auch Max Wetterauer von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg erkennen musste. Anstelle klassischer Begegnungen nutzt der Transfermanager zum Beispiel die gemeinsame Produktion von Social Media als niedrigschwelligen Einstieg. Aufschlussreiche Erfahrungen, die er jetzt auch an interessierte TransferexpertInnen weitergibt.

Transfer, die sogenannte Third Mission neben Forschung und Lehre, gewinnt für Hochschulen immer mehr an Bedeutung. Indem die Wissenschaft ihre Expertise öffentlich zur Verfügung stellt, kann sie mit Partner:innen aus Zivilgesellschaft (NGOs, Stiftungen, Vereine), Wirtschaft und Kommunen zusammenarbeiten, um gesellschaftliche Probleme gemeinsam zu lösen. Das Projekt TRANSFER TOGETHER (2018–2022) verfolgte genau diese Mission. TRANSFER TOGETHER ist ein gemeinsames Projekt der Pädagogischen Hochschule Heidelberg mit der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH. Es wurde im Rahmen der Bund-Länder-Initiative Innovative Hochschule im Zeitraum 2018 bis 2022 mit fünf Millionen Euro gefördert. Unser Team hat fünf Jahre lang daran gearbeitet, die Zusammenarbeit immer weiter zu verbessern: „trial and error“ war unser Motto.

Im Rahmen des CHE-Online-Forums am 26. Januar 2023 werde ich ausführlicher über diese Erfahrungen berichten und darüber, welche Plattformen funktioniert haben, welche Formate wir wieder eingestampft haben und woran wir einen Erfolg festgemacht haben. Vorab will ich hier schon einige Gedanken zu meinem Input teilen und die Fragen beantworten, was Hochschulen tun können, um niedrigschwellige, intersektorale Zusammenarbeit zu fördern und welche zwei Hürden sie dafür nehmen müssen.

Zwei Hürden der Zusammenarbeit

Mit einer guten Portion Naivität begannen wir 2018 unsere Mission und luden offen zu Netzwerkveranstaltungen ein: „Kommt vorbei, tauscht euch aus!“ War die Resonanz anfangs noch gut, kamen von Mal zu Mal weniger Leute, bis wir das Format nach einigen Monaten ganz einstellten. Die „Transfer Treffs“ von TRANSFER TOGETHER stolperten nicht nur über einen offensichtlich wenig ansprechenden Namen, sondern auch über Hürden der Zusammenarbeit, über die wir uns vorher keine Gedanken gemacht hatten. Das Scheitern zwang uns glücklicherweise dazu, über die Gründe nachzudenken. Zwei Hürden wogen für mich besonders schwer:

  1. Zusammenarbeit kostet Überwindung. Insbesondere die Scientific Community lebt in ihrer eigenen Arbeitswelt nach eigenen Regeln: Drittmittelanträge und Befristungen sind Alltag, Forschung und Output haben Priorität, die Arbeitszeit ist flexibel, aber stets knapp bemessen. Die Wissenschaft neigt obendrein dazu, ihre wichtigen Aussagen hinter komplizierten Schachtelsätzen, Fußnoten und Fachwörtern zu verstecken. Na gut, das ist sehr verallgemeinernd gesprochen. Wissenschaftler*innen sind reflektiert und sich ihrer Umwelt durchaus bewusst, der sprichwörtliche Elfenbeinturm entspricht längst nicht mehr der Lebensrealität an deutschen Hochschulen. Doch wirklich spürbar werden die Unterschiede zu anderen Arbeitswelten – oder Sektoren – oftmals erst mit der ersten längerfristigen Kooperation.
  2. Zusammenarbeit benötigt Vertrauen. Im Projekt TRANSFER TOGETHER wurden in einem Zeitraum von fünf Jahren über 140 Kooperationen zwischen der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und Partner*innen aus der Metropolregion Rhein-Neckar geschlossen. Aus internen Erhebungen wissen wir, dass diese Kooperationen vor allem aus individuellen Initiativen hervorgingen und von Einzelpersonen getragen werden – auch über das Projektende hinaus. Man kann daraus schlussfolgern, dass es mehr braucht als eine inhaltliche Schnittmenge. Damit eine Kooperation funktioniert, braucht es ein funktionierendes Miteinander, ein Gespür für das Gegenüber und die Art der künftigen Zusammenarbeit. Klappt das nicht, führt das schnell zu Frust und die Kooperationen verlaufen im Sande. Kurzum: Es braucht Vertrauen.

Eine steife Netzwerkveranstaltung am Rande des Feierabends, die vorwiegend Menschen anzieht, die sich ohnehin als Netzwerker*innen verstehen, kann diese Hürden nur reißen. Wir mussten also umdenken.

Gemeinsame Podcasts und Social- Media-Diskurse als Einstieg für Kooperationen und Netzwerke zum Transfer. Foto: Max Wetterauer

 

Kennenlernen braucht einen Zweck

Wir beschlossen, ein erfolgreiches Format zu kapern: Workshops. Seit Projektbeginn organisierten wir im Team bereits regelmäßig 90-minütige Workshops mit dem Ziel, in kurzer Zeit das Handwerkszeug der Transferarbeit zu vermitteln. Themen waren u.a. Podcasting, Veranstaltungsmanagement, Design Thinking oder Social-Media-Management. Die Workshops funktionierten vor allem, weil sie einen klaren Mehrwert mitbrachten und sich einfach in den Arbeitsalltag integrieren ließen. Der coronabedingte Umzug vom Besprechungsraum in die Zoomkachel hat die Nachfrage sogar noch erhöht. Und im Rahmen dieser Workshops sollte nun auch Zusammenarbeit entstehen.

Also passten wir die Programme an: Wir reduzierten die eintönigen Inputphasen auf höchstens 30 Minuten und machten damit Platz für Zusammenarbeit. 60 Minuten lang sollte Zeit sein, um in Kleingruppen zu diskutieren, zusammenzuarbeiten und sich kennenzulernen. Um die Hemmschwelle zu senken, verlangten wir konsequent das Workshop-Du. Das erleichterte insbesondere Studierenden den Einstieg, die wir als Zielgruppe ganz besonders ins Auge genommen hatten. Außerdem passten wir die Inhalte noch stärker an die Bedarfe an und entwickelten Workshopreihen, etwa zum Themengebiet digitale Kommunikation.

Das Konzept ging auf: In den Arbeitsphasen haben sich die Teilnehmer*innen nicht nur kennengelernt, sondern haben obendrein ein Gespür dafür bekommen, wie das Gegenüber tickt. Ich habe die Arbeitsphasen daher auch als vertrauensbildende Maßnahmen verstanden. Die kurze Dauer, der sichtbare Mehrwert und auch das verstärkte Onlineangebot haben obendrein die Hürden gesenkt. Die Resonanz war sehr gut – vor allem vor dem Hintergrund, dass die kürzeren Inputphasen auch weniger Vorbereitungszeit benötigen.

Zwar haben wir keine tatsächlich entstandenen Kontakte erhoben, aber zumindest anhand von Einzelfällen konnten wir immer wieder erleben, wie aus den Workshops neue Projekte hervorgingen.

Ein Häppchen Zusammenarbeit

Eine völlig andere Herangehensweise, um Vertrauen zu schaffen und Hürden abzubauen, verfolgten wir über unsere Projektkommunikation. Wir bedienten Accounts in den sozialen Medien, ein rund 40 Folgen starker Podcast und ein prall gefüllter Projektblog mit über 130 Beiträgen. Um diese Plattformen als niedrigschwellige Arbeitsebene zu generieren, haben wir unsere Kooperationspartner*innen direkt in die Produktion von Content mit einbezogen.

Nehmen wir als Beispiel eine Podcast-Folge: Meist haben wir  Kooperationspartner eingeladen und mit ihnen zusammen eine Folge aufgenommen. Zuvor gab es eine Vorbesprechung, eine Postproduktion und schließlich die gemeinsame Veröffentlichung. Was hier entsteht ist ein zweckgebundener, zeitlich begrenzter Raum der Zusammenarbeit – ein Häppchen gewissermaßen. Das ist Zeit, in der man ein Gespür für die künftige Zusammenarbeit in größeren Projekten gewinnen kann. Die Hürde ist zudem niedrig, da das Ende absehbar ist.

Es mag sich dabei zuvorderst nur um eine kurze Aufnahme handeln. Aber es ist ein niederschwelliger Raum für einen ständigen Austausch, ein Kennenlernen, ein Miteinander. Das kann eine Grundlage für eine künftige Zusammenarbeit schaffen. Für die Netzwerkarbeit von TRANSFER TOGETHER waren Social Media, Blog und Podcast daher wichtige Instrumente.  Im Rahmen des CHE-Online-Forums am 26. Januar 2023 spreche ich über diese Erfahrungen und würde mich freuen, darüber auch in einen vertieften Austausch zu kommen.

 

Das  Forum des Centrum für Hochschulentwicklung widmet sich in diesem Jahr am 25. und 26. Januar gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung dem Thema Transfer aus der Wissenschaft. An zwei aufeinanderfolgenden (jeweils halben) Tagen beleuchten wir Fragen des Transfers aus verschiedenen Blickwinkeln und stellen Beispiele aus der Praxis vor:

Der Tag 1, am 25.1.23 (9:30 – 13:30 Uhr)
 widmet sich zunächst schwerpunktmäßig der Ausbildung: Wie lassen sich Transferkompetenzen erfolgreich und zielgerichtet durch die Lehre und Trainings vermitteln? Daran schließt sich ein Fokus auf Transferformate an. Neben Beispielen aus Deutschland richten wir auch ein Augenmerk auf Beispiele aus dem Ausland.

An Tag 2, dem 26.1.23 (9:30 – 13:30 Uhr) verlassen wir die Hochschulmauern und wagen einen Blick in die Praxis: Matching & Vernetzung stehen am zweiten Tag auf der Tagesordnung, ebenso wie Fragen nach der (gesellschaftlichen) Wirkung des Transfers.

Für Studierende bieten wir eine Reduzierung des Kostenbeitrags an. Bitte kontaktieren Sie Frau Tegethoff bei Interesse (alexandra.tegethoff@che.de).

Anmeldeschluss: 20. Januar 2023

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