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Prof. Dr. Andreas Kirst
15. Mai 2024

Wie Diversität zum Erfolgsfaktor in Business Start-ups wird

Innovationen werden in vielen Kontexten gewünscht. Insbesondere von diversen Teams werden geradezu revolutionäre Ideen erwartet. Doch die heterogenen Hintergründe bergen auch Herausforderungen.

Innovationen werden in vielen Kontexten gewünscht und mit großen Erwartungen versehen. Insbesondere von Teams, deren Mitglieder unterschiedlichen Kultur – und Altersgruppen aufweisen, werden geradezu revolutionäre Ideen erwartet.

Zu den möglichen Ursachen gehören die größere Breite von Bildung, Wissen, Kenntnissen und Erfahrung, von unterschiedlichen Handlungsweisen und Lösungswegen und von grundsätzlichen Perspektiven und Denkweisen. Diversität führe, so heißt es, zu einer besseren, abwägenden Zusammenführung von Informationen und damit zu höheren Leistungen.

Gerade bei Business Start-Ups, in denen neue Ideen ihre unternehmerische Form finden, wird davon ausgegangen, dass Diversität zum Erfolg führt. Aber ist das wirklich so? Und ist Diversität ein „Selbstläufer“ – oder braucht es mehr, damit ein heterogenes Team zu innovativen Ideen finden kann?

Diversität im Business Start-up: die Vorteile

Die Erfahrung in der akademischen Arbeit mit Gruppen junger, internationaler Studierender in Projekten zur Unternehmensgründung bestätigt die Innovation fördernde Wirkung von Diversität und weist gleichzeitig auf die damit einhergehenden Herausforderungen hin. 

Diverse Teams bringen ein vielfältiges Wissen auf. Sie kennen zum Beispiel konkrete Geschäftsmodelle, die in Deutschland noch unüblich oder undenkbar sindDie Teilnehmer decken Entwicklungsräume für z.B. Produkte auf, die in Deutschland neu sind, aber andernorts erprobt und erfolgreich.  Gleichzeitig erkennen sie Mängel und Subqualität von Produkten und Angeboten nur, weil das Original oder bessere Alternativen aus eigener Erfahrung bekannt sind.

Es werden innovative Wertschöpfungsketten erdacht, die nur möglich sind, weil das diverse Wissen über verschiedene Länder und Umwelten genutzt und auf lokalen Netzwerke aufgebaut werden kann. Vielfältige Perspektiven und Kenntnisse helfen, verborgene praktische, kulturelle und juristische Fallstricke zu erkennen. 

Im Laufe des Prozesses wächst die Erkenntnis, dass es mehr als eine Lösung für ein Problem gibt. Unterschiedliche Denk- und Herangehensweisen provozieren zur größeren Auseinandersetzung, zum Hinterfragen und Weiterdenken. Lücken werden sowohl aufgedeckt wie ergänzend gefüllt.

Diversität im Business Start-up: die Herausforderungen

Die Herausforderungen durch kulturelle Vielfalt erklären sich bei Betrachtung ihrer Komplexität. Eine bekannte Systematisierung findet sich in Hofstedes Kulturdimensionen: Machdistanz, Individualismus – Kollektivismus, Maskulinität – Feminismus, Unsicherheitsvermeidung, Langzeitorientierung – Kurzzeitorientierung, Genuss – Zurückhaltung.

Die Positionierung anhand dieser Dimensionen spiegelt sich unter anderem in unterschiedlichen Arbeits- und Denkweisen, dem Umgang miteinander und der Frage, wo Probleme gesehen und wie sie gelöst werden. Handlungsweisen, die in einem Kulturkreis oder kulturellen Umfeld üblich sind oder als wünschenswert und gut betrachtet werden, können in einem anderen als ungeeignet und negativ bewertet werden. 

Bei Fragestellungen, die Innovationen betreffen, können die jeweiligen Ausprägungen zu unterschiedlichen Vorgehensweisen und Ergebnisse führen. Prägnant wirken bei der individuellen Vorgehensweise etwa

  • die Unsicherheitsvermeidung (z.B.: Wie riskant darf die neue Unternehmung sein? Wie detailliert und strukturiert müssen Informationen und Planungen sein?)
  • die zeitliche Orientierung (z.B.: Welche Zeitrahmen ist für die Erfolgsbetrachtung richtig? Wie lange müssen Entscheidungen gelten?)
  • Maskulinität – Feminität (z.B.: Wie wird im Wettbewerb aufgetreten? Woran wird Erfolg gemessen?)

Bei der Interaktion von Personen aus unterschiedlichen Kulturkreisen treffen zwangsläufig unterschiedlichste Vorstellungen, Handlungsweisen und Erwartungen über die Handlungen anderer aufeinander, was zu Unsicherheiten führen und als Konflikt erlebt werden kann. 

Deutlich sichtbar sind Unterschiede etwa bei äußeren Ausdrucksformen wie Pünktlichkeit und Präsentationsweisen, gravierender sind tiefverwurzelte Normen und Werte. Missverständnisse sind ebenso vorprogrammiert wie der Kulturschock, wenn man einer unvertrauten Kultur ausgesetzt wird. Regression und Nichtbeteiligung am gemeinsamen Unterfangen können ebenso Folgen sein wie offener, eskalierender Streit.

Diversität kann der Effektivität der Arbeit schaden

Das Aufeinanderprallen sehr divergenter Wertvorstellungen birgt automatisch ein großes Potential für Unverständnis, Auseinandersetzungen und sogar das Scheitern des Vorhabens. Die Konfrontation mit dem Unbekannten verursacht Stress. Mögliche Prozesse zur Auflösung von Konflikten kosten Zeit und Energie, die wiederum dem eigentlich gewünschten, innovativen Prozess fehlen. Auch wenn es nicht zu offenen Auseinandersetzungen kommt, können Abweichungen vom gewohnten Muster als Irritation wahrgenommen werden und störend wirken.

Divergierende Sprach- und Kommunikationsstile erschweren das Verständnis, so dass erst durch Lernprozesse die an sich positiv und lösende wirkende Rolle der ständigen und bewussten Kommunikation erreicht wird.

Unabhängig von der Divergenz oder der Übereinstimmung etwa gemäß der Kulturdimensionen, werden unter Umständen darüber hinaus auch tiefliegende Konflikte mitgebracht. Sie können auf unterschiedlichster Grundlage von traditionellen Auseinandersetzungen und Vorbehalten über historische Ereignisse bis hin zu aktuellen Kriegen und Übergriffen beruhen. Deren Schwere kann die Lösbarkeit innerhalb einer konkreten Teamarbeit schnell überschreiten.

Was könnte helfen, die positive Kraft der Diversität stärken?

Zunächst helfen die Basiselemente menschlichen Zusammensein: Verständnis, Toleranz und Respekt.

Vermeidung der Übermachtstellung dominanter Subgruppen

Die Vielfalt der internationalen kulturellen Hintergründe und Perspektiven sollten gleichgewichtig auftreten. So kann die Isolation einzelner Mitglieder ebenso vermeiden werden wie die Entstehung eines Klimas von Angst, potenzieller Unterdrückung und der Ausschluss möglicherweise für die innovative Entwicklung wichtiger Impulse.

Förderlich ist etwa, wenn es nur eine gemeinsame, internationale Sprache gibt bzw. diese konsequent gesprochen wird. Die Kommunikation kann dann zwar für Nicht-Muttersprachler die Gefahr bergen, dass Dinge ungesagt bleiben und zusätzliche Missverständnisse entstehen, zwingt aber gerade deshalb zur Genauigkeit und gegenseitigen Verständnissuche. Ähnliches gilt für Umgangsformen und Rituale, die nur einer Subgruppe vertraut sind.

Frühzeitige Klarstellung der Spielregeln

Die Spielregeln können je nach Kontext vorgegeben und kommuniziert werden, zum Beispiel von Chefs, Teamleitern oder Dozenten. Sie können aber auch innerhalb der Gruppe selbst festgelegt werden, wie es bei Gründerteams geschehen würde. Hier verlagern sich die Herausforderungen der Diversität möglichweise nur in diese Vorphase: Sollte es hier nicht gelingen, einvernehmlich Regeln und den Grad deren Verbindlichkeit zu finden, so mag es besser sein, die wenig erfolgsversprechende Zusammenarbeit nicht fortzuführen. Zu solchen Regeln kann auch die Konzentration auf die fachlichen Fragestellungen gehören.

Beteiligung an Entscheidungen

Die beiden zuvor genannten Aspekte sind besonders wichtig bei Entscheidungsprozessen. Die Möglichkeit, Entscheidungen tatsächlich zu beeinflussen, fördert die Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit und die notwendige Motivation und gedankliche Freiheit für kreative und innovative Prozesse. 

(Soziale) Sanktionierbarkeit der Regeln 

Gewünschtes Verhalten muss entsprechende Unterstützung und Bestärkung erfahren. Im Idealfall immanent, indem alle Beteiligten die Erfolgswirksamkeit erleben, aber gegebenenfalls auch durch formelle oder informelle Mechanismen. Das Gleiche gilt für die entmunternde, aber nicht abwertende Reaktion auf nicht gewünschtes Verhalten.

Raum für „wilde“ und befremdlich erscheinende Ideen

Zum Teil liegen in den oben genannten Vorteilen auch mögliche Erschwernisse für die Entwicklung und Durchsetzung von Innovationen. So können etwa grundsätzliche Bedenken gegen neue Ideen genau kulturell verankert sein, wie die spontane Ablehnung von der eigenen Gedankenwelt zu Fremden. Die bewusste und willentliche Öffnung ermöglicht die volle Ideenvielfalt.

Rigorose Prüfung der Innovationen

Nahezu das ausgleichende Gegenstück zu vorherigem Aspekt ist die genaue Prüfung diskutierter Innovationen. Gerade hier kann die Vielfalt der Teilnehmer zur Erkennung von Problemen und Lücken sowie der aktiven Verbesserung beitragen. Im Zusammenspiel können sich diverse Kompetenzen ergänzen und zu einem besseren Resultat beitragen.

Bildung

Bekanntermaßen sind ein Hauptproblem für den Erfolg von Business Start-Ups grundsätzlich mangelnde Managementkenntnisse. Wissen und Kompetenzen erhöhen die Erfolgswahrscheinlichkeit innovativer Ideen. Gemeinsames Wissen erlaubt zudem die Objektivier- und ggf. Überprüfbarkeit von Argumenten. 

 

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