Deutschland ist bekannt für exzellente Forschung. Doch zwischen Laborergebnissen und marktfähigen Produkten klafft oft eine tiefe Lücke. Innovative Ideen verharren in wissenschaftlichen Publikationen, statt in der Praxis ihre Wirkung zu entfalten. Damit bleibt enormes Potenzial ungenutzt – wirtschaftlich, gesellschaftlich und technologisch.
Zu zwei zentralen Stellschrauben haben junge Vordenker:innen aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft im Rahmen des Netzwerks Voices of Economic Transformation der Bertelsmann Stiftung Stellung bezogen: zur systematischen Förderung von Ausgründungen aus der Spitzenforschung und dem Aufbau leistungsfähiger Innovationsökosysteme für Spitzentechnologien.
Warum viele Ideen nicht zur Gründung führen
Eine zentrale Hürde für den Technologietransfer liegt in den rechtlichen und strukturellen Rahmenbedingungen an deutschen Hochschulen. Gründungsteams werden abgeschreckt durch komplexe, nicht standardisierte Regelungen zum geistigen Eigentum (Intellectual Property, kurz IP) sowie hohe Beteiligungserwartungen seitens der Universitäten. Vielversprechende Projekte scheitern bereits vor der eigentlichen Gründung – an Bürokratie, Unsicherheit oder fehlender Unterstützung.
Gleichzeitig machen rückläufige Studierendenzahlen, insbesondere in technischen Studiengängen, deutlich: Das Innovationssystem verliert an Zugkraft. Hochschulen fehlt es oft an den nötigen Anreizen, rechtlicher Klarheit und internen Prozessen, um Gründungsvorhaben systematisch zu fördern. Entrepreneurship ist bislang selten mehr als ein Randthema neben Forschung und Lehre.
Strukturen anpassen
Um das zu ändern, braucht es tiefgreifende Reformen. Standardisierte Intellectual Property-Verfahren und Vertragsvorlagen können die Gründung erleichtern und Rechtssicherheit schaffen. Zentrale Anlaufstellen, wie IP-Offices, können Studierende im Prozess unterstützen.
Ein niedrigschwelliges Vorfeldprogramm sollte Studierende mit Gründungsinteresse frühzeitig begleiten. Ergänzt wird das durch Mentoring-Programme und interdisziplinäre Abschlussarbeiten mit Gründungsbezug.
Auch die Politik ist gefragt: Eine nationale IP-Strategie samt Schlichtungsstelle, die sich mit Konflikten rund um das geistige Eigentum beschäftigt, kann Hürden abbauen. Auch eine gezielte Förderung für Projekte mit hohem Technologiereifegrad und Programme zur Frühphasenfinanzierung können Gründende unterstützen.
Ökosysteme für Spitzentechnologie
Doch Gründungen allein reichen nicht. Wie geht es danach weiter? Start-ups brauchen ein Umfeld, das Wachstum und internationale Anschlussfähigkeit ermöglicht. Vielen Gründungsteams fehlt beispielsweise der Zugang zu erfahrenen Business-Expert:innen für Vertrieb, Skalierung oder Finanzierung – nicht zuletzt, weil junge Unternehmen deren Gehälter kaum stemmen können.
Auch in anderen Fällen gelingt der Übergang von der Forschung in die Anwendung vielerorts nicht – etwa beim Transfer in mittelständische Unternehmen oder beim Aufbau digitaler Geschäftsmodelle. Die Etablierung eines leistungsfähigen Innovationsökosystems, das gezielt Brücken zwischen Forschung, Industrie und Startups schlägt, ist daher zentral.
Ein solches Ökosystem ist von Beginn an international ausgerichtet, fördert gezielt Exportpotenziale und gewinnt auch private Investitionen in größerem Umfang. Auf diese Weise lassen sich Transferbarrieren abbauen und die Markteinführung neuer Technologien beschleunigen. So sollen nachhaltige Wertschöpfung, internationale Wettbewerbsfähigkeit und technologische Souveränität langfristig gesichert werden.
Innovationspolitik mit Wirkung: Was jetzt geschehen muss
Offene Testumgebungen wie Reallabore, gemeinsame Förderprogramme oder interdisziplinäre Plattformen, auf denen wissenschaftliche Talente, Gründer:innen, Investor:innen und Expert:innen vernetzt werden, sind zentrale Elemente.
Damit das gelingt, braucht es auch auf politischer Ebene einen Paradigmenwechsel. Deutschland muss innovationsfreundliche, technologieoffene Rahmenbedingungen schaffen – regulatorisch wie finanziell. Risikokapital muss zugänglich gemacht, Hürden im Forschungs- und Gründungsalltag müssen abgebaut werden. Transnationale Vergleiche und Best-Practice-Analysen helfen, erfolgreiche Modelle zu adaptieren.
Ziel muss es sein, Deutschland zu einem international führenden Standort für die Entwicklung, Erprobung und Anwendung von Spitzentechnologien zu machen – von Künstlicher Intelligenz über Quantentechnologien bis hin zur Raumfahrt. Dafür braucht es Mut zur Reform, Klarheit in der Strategie und konsequente Förderung des Transfers.
Von der Idee zur Innovation
Deutschland verfügt über eine der forschungsstarke Hochschullandschaft – doch am Transfer in die Praxis hapert es. Der Weg von der Idee zur Innovation ist steinig, wenn rechtliche Hürden, fehlende Anreize und isolierte Strukturen den Fortschritt blockieren.
Was es jetzt braucht, ist ein durchlässiges, anschlussfähiges System: mit klaren IP-Regeln, aktiver Gründungsförderung, starken Innovationsökosystemen und einer Politik, die auf Wirkung statt Verwaltung setzt. Dann wird aus Forschung nicht nur Erkenntnis – sondern greifbare Zukunft.
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