Start-ups: Viele denken dabei an schnelle Exits, hohe Gewinne und rasante Skalierung. Doch parallel zu dieser Vorstellung wächst eine Bewegung junger Gründer:innen, die nicht primär nach schnellem Profit, sondern nach tiefgreifender, nachhaltiger Wirkung streben. Sie wollen drängende gesellschaftliche und ökologische Probleme lösen und nutzen dafür bewusst unternehmerische Mittel.
Diese Entwicklung ist nicht nur ein Trend, sondern eine notwendige Reaktion auf die Herausforderungen unserer Zeit. Gemeinwohlorientiertes Unternehmertum, oft auch als Impact-Unternehmertum bezeichnet, ist eine vielversprechende Antwort auf die komplexen Krisen von heute.
Und genau hier kommen unsere Hochschulen ins Spiel: Sie sind die idealen Brutstätten, um eine neue Generation von Gründer:innen zu sensibilisieren, auszubilden und zu befähigen, die Zukunft aktiv mitzugestalten.
Wirtschaft neu denken: Vom Profit zum Impact
Unsere bisherige Wirtschaftsweise hat uns Wohlstand beschert, aber sie trägt auch maßgeblich zur sozialen Spaltung, zur Zerstörung unserer Umwelt und zur rasanten Ressourcenknappheit bei. Das Ziel der reinen Profitmaximierung hat seine Grenzen erreicht und offenbart negative externe Effekte. Doch genau hier liegt eine enorme Chance für systemischen Wandel. Gemeinwohlorientiertes Unternehmertum verbindet auf innovative Weise wirtschaftliche Stabilität mit einem klaren gesellschaftlichen Nutzen.
Im Gegensatz zur traditionellen Unternehmensführung steht hier die Wirkungsmaximierung im Fokus. Das bedeutet, dass der Geschäftszweck primär darauf ausgerichtet ist, positive soziale oder ökologische Veränderungen zu bewirken. Ob es um den Zugang zu Bildung, die Entwicklung von Kreislaufwirtschaftsmodellen oder die Förderung sozialer Teilhabe geht – gemeinwohlorientierte oder Impact-Unternehmen entwickeln marktorientierte, aber zweckgebundene Lösungen mit einem messbaren Beitrag zu den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs).
Gründer:innen mit Gemeinwohlorientierung stellen Mensch und Umwelt ins Zentrum ihres Handelns. Sie integrieren soziale und ökologische Ziele als Kern ihres Geschäftsmodells, um systemische Probleme anzugehen und nachhaltige Lösungen zu schaffen. Und hier liegt ein entscheidender Unterschied zu rein gemeinnützigen Organisationen: Gemeinwohlorientierte Unternehmen dürfen und sollen wirtschaftlich erfolgreich sein. Denn nur durch wirtschaftliche Tragfähigkeit und Skalierbarkeit können sie ihre Wirkung langfristig absichern und über den Einzelfall hinaus entfalten.
Der Mehrwert, den diese Unternehmen für die Gesellschaft leisten, ist immens und erstreckt sich über die unterschiedlichsten Bereiche, von Bildung und Integration bis hin zu Klimaschutz und Gesundheit. Und dieser Trend ist deutlich messbar: Laut bundesweitem Start-up Monitor ordnen sich 45,6 Prozent der befragten Start-ups dem Bereich Social Entrepreneurship zu und verfolgen aktiv Lösungen für gesellschaftliche Problemstellungen. Dies ist ein unmissverständliches Zeichen: Die Start-up-Szene wird nicht nur grüner, sondern auch bewusster und gesellschaftsorientierter.
Neue Generation, neue Werte: Hochschulen als Impact-Inkubatoren
Die junge Generation, die heute unsere Hörsäle füllt, sucht Sinn, Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung. Dies betrifft nicht nur ihr Konsumverhalten, sondern prägt auch maßgeblich ihre beruflichen Ambitionen. Bewegungen wie Fridays for Future sind Ausdruck eines tiefgreifenden Wertewandels.
Wer die Zukunft gestalten und die drängenden Herausforderungen unserer Zeit meistern will, muss Räume für Verantwortung, Wirkung und Innovation schaffen. Und genau hier liegt die Aufgabe unserer Hochschulen: Sie müssen Studierende aktivieren und befähigen, gesellschaftliche Herausforderungen nicht nur zu analysieren, sondern sie mit unternehmerischen Mitteln aktiv anzugehen.
Die Rolle der Hochschulen als Nährboden für Impact-Gründungen
Hochschulen sind in vielerlei Hinsicht ideale Orte, um gemeinwohlorientierte Gründer:innen zu finden, zu inspirieren und zu befähigen.
Ein entscheidender Vorteil von Hochschulen sind die Freiräume, die in der klassischen Wirtschaft oft fehlen. Das geringere Risiko, mehr Zeit und Raum für Experimente, Wissenstransfer aus der Forschung und die interdisziplinäre Vernetzung schaffen einen idealen Nährboden für innovative Ansätze mit nachhaltiger Wirkung. Hier können Ideen reifen, Geschäftsmodelle erprobt und Netzwerke geknüpft werden – ohne den sofortigen Druck des Marktes. Fehler werden als Lernchancen verstanden. Der Fokus liegt auf Reflexion und Weiterentwicklung, nicht auf der Angst vor Scheitern.
Zudem profitieren Gründungsinteressierte von der vorhandenen Infrastruktur und den Netzwerken an Hochschulen. Gründungszentren und Transferstellen bieten eine breite Palette an Unterstützung: professionelle Beratung, gezieltes Coaching, Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten und wertvolle Kontakte zu Mentor:innen, Expert:innen und potenziellen Partner:innen. Hochschulen ermöglichen somit einen geschützten Rahmen, in dem kreatives Unternehmertum im Sinne des Gemeinwohls gedeihen kann.
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Förderung von gemeinwohlorientiertem Unternehmertum an Hochschulen ist der niedrigschwellige Zugang zu Gründungsangeboten. Viele Studierende, insbesondere aus nicht-wirtschaftswissenschaftlichen Fächern oder mit geringem Eigenkapital, scheuen den Schritt in die Gründung. Hochschulen können diese Hürden systematisch abbauen, etwa durch:
Kostenlose und leicht zugängliche Beratungsangebote: Klare Anlaufstellen, die erste Fragen beantworten und durch Förderprogramme navigieren.
Transparente und verständliche Förderinformationen: zu Stipendien, Wettbewerben oder speziellen Programmen für Impact-Gründungen
Gezielte Unterstützung für Studierende ohne wirtschaftliches Vorwissen: Workshops zu grundlegenden betriebswirtschaftlichen Kenntnissen, zum Businessplan oder zur Wirkungsmessung können hier ansetzen.
Eine inklusive Gründungskultur: Diversität sollte als Stärke verstanden und aktiv gefördert werden. Wenn Studierende aus unterschiedlichen Hintergründen ermutigt werden, ihre Perspektiven einzubringen, entstehen reichhaltigere und innovativere Lösungen.
Ein weiterer entscheidender Hebel ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Wenn Wirtschaftsstudierende mit Sozialwissenschaftler:innen, Designer:innen oder Naturwissenschaftler:innen zusammenarbeiten, entstehen ganzheitliche Lösungen. Diese Denk- und Handlungsvielfalt fördert kreative Geschäftsmodelle, die gesellschaftliche und ökologische Wirkung systematisch integrieren und begegnet komplexen Problemen mit vielfältigen Lösungsansätzen.
Auch curricular kann die Förderung von gemeinwohlorientiertem Unternehmertum deutlich gestärkt werden. Die Integration in den Studienalltag ist entscheidend:
- Wahlfächer und Projektmodule zu Social Entrepreneurship, nachhaltigem Wirtschaften oder Wirkungsmessung.
- Service Learning: Projekte, bei denen Studierende ihr Wissen und ihre Fähigkeiten einsetzen, um reale gesellschaftliche Probleme für gemeinnützige Organisationen oder Initiativen zu lösen.
- Challenge-basierte Formate: Studierende arbeiten in Teams an der Entwicklung von Lösungen für konkrete gesellschaftliche oder ökologische Herausforderungen.
- Weiterentwicklung von Curricula entlang der SDGs: Hochschulen, die ihre Lehrpläne konsequent an den UN-Nachhaltigkeitszielen ausrichten, schaffen eine wichtige Grundlage für werteorientiertes und zukunftsorientiertes Unternehmertum.
Nicht zuletzt braucht es Vorbilder. Wenn Lehrende, Forschende und externe Partner:innen selbst unternehmerisch denken und handeln und dabei das Gemeinwohl fokussieren, werden sie zu wichtigen Multiplikator:innen. Darüber hinaus dienen Role Models mit Gründungserfahrung als Positivbeispiele für gesellschaftlichen Wandel. Diese Vorbilder sollten dabei divers sein und verschiedene Hintergründe repräsentieren, um möglichst viele Studierende anzusprechen und zu inspirieren.
Langfristig entsteht so ein vitales Ökosystem an der Hochschule, das Impact-Gründungen nicht nur ermöglicht, sondern strategisch fördert. Hochschulen werden zu Katalysatoren einer neuen Wirtschaftskultur, die Verantwortung übernimmt, Innovation ganzheitlich denkt und gesellschaftlichen Mehrwert in den Mittelpunkt stellt.
Was Hochschulen konkret tun können: Praktische Handlungsfelder
Um das Potenzial der Hochschulen als Brutstätten für gemeinwohlorientiertes Unternehmertum voll auszuschöpfen, gibt es konkrete Schritte:
Community stärken: Aktive Netzwerke mit Gleichgesinnten, Alumnis und externen Partner:innen (z.B. Meet-ups, Workshops, Hackathons) fördern Sichtbarkeit, Austausch und Motivation.
Raum geben: Physische (z.B. Co-Working-Spaces), zeitliche (z.B. Freisemester für Gründungsphasen, Projektmodule) und kulturelle Räume (Wertschätzung von Impact-Gründungen) bieten neue Möglichkeiten für die Umsetzung.
Kompetenzen vermitteln: Neben Fachkenntnissen sind spezifische Impact-Kompetenzen nötig: Wirkungsmessung, nachhaltige Geschäftsmodelle, Finanzierungswege (Impact Investing, Crowdfunding), sowie Future Skills wie Selbstwirksamkeit, Resilienz, Kollaboration, kritisches Denken und Kreativität.
SoNaR als Beispiel aus der Region Bonn-Rhein-Sieg
Ein Beispiel, wie strukturierte Unterstützung für gemeinwohlorientierte Gründungen aussehen kann, ist das Verbundprojekt SoNaR (Sozial Gründen, Nachhaltig Wirken in der Region Bonn-Rhein-Sieg). Das Projekt ist eine Kooperation der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, der Universität Bonn und der Alanus Hochschule und wird im Rahmen des BMWE-Programms Nachhaltig wirken gefördert.
SoNaR unterstützt Gründungsinteressierte und bereits bestehende Unternehmen, die ihren Wandel in Richtung Nachhaltigkeit und Gemeinwohl vollziehen möchten. Das Angebot umfasst verschiedene Beratungskonzepte, regelmäßige Veranstaltungen und gezielte Impulse, die darauf abzielen, nachhaltige Geschäftsmodelle zu entwickeln und zu stärken.
Der Mehrwert von SoNaR liegt in der Verbindung von Praxisnähe mit gesellschaftlichem Anspruch. Ob es um die Anwendung des Business Model Canvas im Kontext von Nachhaltigkeit geht, um die Entwicklung von Geschäftsmodellen für die Kreislaufwirtschaft oder um spielerische Perspektivwechsel mit dem innovativen GamesLab: SoNaR vermittelt konkrete Werkzeuge und Methoden. Ferner gibt es inklusive Formate, barrierefreie Kommunikation und die Präsentation diverser Role Models, die für Zugänglichkeit des Angebots sorgen.
Durch individuelles Coaching, aktiven Netzwerkaufbau und die Etablierung regionaler Partnerschaften entsteht rund um SoNaR ein Ökosystem für Social Entrepreneurship mitten in der Region Bonn-Rhein-Sieg. Es zeigt, wie koordinierte Anstrengungen und eine klare Vision ein Umfeld schaffen, in dem gemeinwohlorientierte Innovationen entstehen und zu echten Changemakern werden können.
Fazit: Hochschulen als Treiber der Transformation
Gemeinwohlorientierte Gründungen sind nicht nur ein Trend, sondern eine essenzielle Säule für die Transformation unserer Gesellschaft in Richtung Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit. Sie bieten eine Perspektive, die wirtschaftlichen Erfolg mit tiefgreifender gesellschaftlicher Wirkung verbindet. Hochschulen spielen in diesem Prozess eine unverzichtbare Rolle.
Sie können und müssen Treiber dieser Transformation sein, indem sie gemeinwohlorientiertes Unternehmertum sichtbar machen, aktiv fördern und kontinuierlich begleiten. Indem sie Studierende für gesellschaftliche Herausforderungen sensibilisieren, ihnen unternehmerische Kompetenzen vermitteln und ihnen einen sicheren Rahmen zum Experimentieren bieten, befähigen sie die nächste Generation von Changemakern.
Wirkung beginnt oft im Kleinen, mit einer einzelnen Idee, einem engagierten Team. Doch mit der richtigen Unterstützung, einem förderlichen Umfeld und der Überzeugung, dass Unternehmertum mehr sein kann als reine Profitmaximierung, wächst daraus Veränderung mit immenser Strahlkraft. Die Förderung von gemeinwohlorientiertem Unternehmertum an Hochschulen ist somit keine Ausgabe, sondern eine Investition in eine resilientere, gerechtere und nachhaltigere Zukunft.
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