Clay Knight, unsplash
Michael Linke
29. Mai 2024

Warum ich mit einem Start-up sozialen Aufstieg ermöglichen will

„Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied” – diese Redewendung hat jeder schon einmal gehört. Kein Wunder, schließlich ist sie die beste Metapher für unsere Gesellschaft, die die gleichen Chancen für alle verspricht. Allerdings ist das leider nur eine Theorie.

Sozialer Aufstieg in Deutschland bleibt die Ausnahme. Deshalb habe ich das Social Start-up Legmon gegründet. Es soll jungen Menschen Inspiration und Beratung bieten, damit sie ihren Aufstieg schaffen können.

In Deutschland ist die Korrelation zwischen der sozialen Herkunft und dem erreichten Bildungsabschluss im europäischen Vergleich erschreckend hoch. Man könnte auch sagen, die Redewendung „jeder ist seines eigenen Glückes Schmied” steht in einem starken Spannungsverhältnis zu „wie der Vater, so der Sohn”.

Die Durchlässigkeit zwischen sozialen Schichten ist für die meisten nicht gegeben. Das zeigt sich beispielsweise beim Anteil der Studierenden, die aus Nicht-Akademiker-Haushalten kommen oder dem Anteil der Stipendiatinnen und Stipendiaten, die eine erschwerte Bildungsbiografie und/oder Migrationsgeschichte haben.

Die Hintergründe für mangelnde soziale Mobilität sind vielfältig. Laut dem Soziologen Pierre Bourdieu sind ungleiche Startbedingungen vor allem auf folgende Punkte zurückzuführen:

  • fehlendes soziales Kapital (z.B. soziales Netzwerk der Familie)
  • fehlendes ökonomisches Kapital (z.B. zur Verfügung stehende finanzielle Mittel)
  • fehlendes kulturelles Kapital (z.B. Bildungsniveau der Eltern)

Während einige Jugendliche – klischeehaft gesprochen – bereits im Kindesalter mit den Top-Manager-Freund:innen der Eltern Golf spielen und auf einem Elite-Internat im Ausland zur Schule gehen können, fehlen in anderen Familien Ressourcen für einen anständigen Laptop und Nachhilfe. Während einige sich über verschiedene Karrierewege, Stipendien und Netzwerke informieren können, sehen andere nur die Spitze des Eisberges – also nur einen kleinen Teil der vielen Möglichkeiten.

Es ergibt sich ein zentrales Muster: Der elterliche Beruf prägt die Sichtweise, Informiertheit und Denkweise der Kinder auf die Arbeitswelt. Die familiäre Sozialisation wird maßgeblich durch fehlende Ressourcen beeinträchtigt. So sind die Heranwachsenden Teil eines sozialen Milieus, dem sie aus zahlreichen Gründen nicht entfliehen können. Was braucht es also, damit der Aufstieg gelingen kann?

Meine Geschichte: Eine Menge Glück und prägende Momente

Meine Eltern kamen Ende der 90er vom anderen Ende der Welt nach Deutschland – mein Vater aus einem kleinen Dorf in Sibirien, meine Mutter aus Wladiwostok. Russisch war demnach meine erste und einzige Muttersprache, bevor ich im Kindergarten anfing, Deutsch zu lernen.

Ich besuchte eine Grundschule, die von sozialen Spannungen geprägt war. In einer Klasse von 25 Kindern hatten 23 eine Migrationsgeschichte und kamen oft aus Haushalten, in denen sie wenig elterliche Unterstützung erhalten haben. Es fehlten Ressourcen – sei es Wissen, Geld oder Netzwerk. Entsprechend waren viele Lehrkräfte überfordert und die Kinder mit einem Gefühl der Perspektivlosigkeit zurückgelassen.

Ich jedoch hatte eine Menge Glück: Denn es gab immer wieder viele Unterstützerinnen und Unterstützer sowie einprägsame Momente, die mir geholfen haben. Ohne sie wäre ich, trotz meines eigenen Einsatzes, nicht so weit gekommen.

Meinen Eltern, beispielsweise, war Bildung sehr wichtig. Glücklicherweise hatten sie die Ressourcen, um mir vieles zu ermöglichen. Ich durfte diversen Hobbys nachgehen, wurde gefördert und auch gefordert. Ich war mir meiner Fähigkeiten bewusst, lernte, an mich zu glauben und baute Widerstandsfähigkeit auf, wobei gerade Selbstwirksamkeit und Resilienz positiv mit sozialem Aufstieg korrelieren.

Als ich 16 war, nahm ich gemeinsam mit einem Schulfreund am Gründerwettbewerb „Jugend gründet“ teil. Unsere Idee war ein Automat, der Badestrandbesucher automatisch mit Sonnencreme einsprüht. Wir landeten bundesweit auf dem dritten Platz. Das mag vielleicht nicht als großes Ding erscheinen, war für mich aber lange prägend.

Warum? Für mich war es das erste Mal, dass ich auf einer Bühne stand – zum ersten Mal konnte ich Gästen aus der Wirtschaft, Politik und Bildung meine Ideen präsentieren. Ich gab Interviews vor der Kamera. Und ich lernte andere junge Menschen kennen, die bereits erfolgreich waren: Die gegründet hatten, schwarze Löcher berechneten oder im Ausland zur Schule gingen.

Durch diese Erfahrung habe ich – neben einer neuen Perspektive – meine Leidenschaft für Entrepreneurship entdeckt und die WHU als relevante Universität kennengelernt, da sie im Kontext von „Jugend gründet“ sehr präsent war. Unter anderem deshalb entschied ich mich, dort zu studieren.

Die wichtigste Ressource: ein Netzwerk

An der internationalen Business School nahe Koblenz durfte ich viele tolle Menschen kennenlernen – und einen neuen Lebensstil. Studenten gingen zusammen Kaffee trinken und verabredeten sich in Restaurants zum Essen. Ein Konzept, das mir bis dato neu war. Gegessen wurde schließlich zu Hause. Erst mit den Jahren verstand ich, dass es dabei um viel mehr ging als das Essen, sondern um das Schließen von neuen Bekanntschaften und Netzwerken. Gerade im Kontext des sozialen Aufstieges ist ein Netzwerk super wichtig.

Ich persönlich lernte neue Kulturen kennen, durch internationale Studierende und Auslandssemester in Michigan, in den USA und in Madrid, in Spanien. Ich machte Praktika, lernte von anderen Gründerinnen und Gründern, entdeckte spannende Berufe. Mit den vielen neuen Eindrücken kamen mir neue Projektideen. Ich probierte mich aus und fand immer mehr Gefallen an der Startup-Szene. Ich verkaufte Social-Media-Dienstleistungen an Fitnessstudios und organisierte kostenfreien Musikunterricht für Geflüchtete.

In mir wuchs der Wunsch, weniger privilegierte Menschen auf ihrem Weg zu unterstützen. Forschung und Praxis zeigen, dass wir Chancen stiften können, wenn wir Ressourcen wie Wissen oder Kontakte zur Verfügung stellen. Ich hatte das Netzwerk, das anderen fehlte und so kam mir auch die Idee für meine Passion: das Social Start-up Legmon.

Gemeinsam mit einem Team von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern unterstützen wir Kinder und Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen. Dabei bieten wir ein kostenfreies Mentoring an und stellen durch einen YouTube-Kanal neue Lebensentwürfe sowie Stipendien, Berufe und Studiengänge vor. Zudem teilen wir inspirierende Geschichten von anderen Aufsteigerinnen und Aufsteigern und bauen eine Community auf. Alles mit dem Ziel mehr Chancengerechtigkeit, Glück und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen – damit jede und jeder den sozialen Aufstieg schaffen kann.

 

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