Männer gründen häufiger als Frauen: Die jährlichen Ergebnisse des Global Entrepreneurship Monitors Deutschland zeigen, dass seit dem Start im Jahr 1999 ein Gendergap besteht. Im Jahr 2024 zum Beispiel gründeten in Deutschland 11 Prozent der Männer ein Unternehmen, oder waren gerade dabei, ein Unternehmen zu gründen, während es unter Frauen nur 8,5 Prozent waren*. Zu bemerken ist aber, dass diese Gründungsquote der Frauen so hoch wie nie zuvor war. Sie stieg im Vergleich zum Vorjahr um 2,6 Prozentpunkte.
Zudem führt der höhere Zuwachs bei Gründungen von Frauen zu einer Verringerung des Gendergaps: Im Jahr 2024 waren von 100 Gründungspersonen 43 weiblich und 57 männlich. Zum Vergleich: In 2023 waren von 100 Gründungspersonen lediglich 38 Frauen und 62 Männer. Der Gendergap bei Gründungen schließt sich also immer mehr.
Abbildung 1: TEA-Gründungsquoten nach Geschlecht in Deutschland, 2005–2006 und 2008–2024
Warum weibliche Gründungen wichtig sind
Trotz dieser guten Nachricht ist der Gendergap in Deutschland nach wie vor ausgeprägt. Das Gründerinnenpotenzial in Deutschland ist bei Weitem nicht ausgeschöpft. Dieser Zustand ist aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht wünschenswert. Weibliche Gründungen leisten einen wichtigen ökonomischen Beitrag und die Kompetenzen gut qualifizierter Frauen haben ein großes Potenzial für die Wirtschaft.
Deswegen ist es wichtig, mehr Frauen in das Arbeitsleben zu integrieren. Nicht nur, um den Fachkräftebedarf der Wirtschaft zu decken, sondern auch, um die Innovationsfähigkeit der Unternehmen zu verbessern und damit den Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt zu stärken. Gerade unternehmerisch selbstständige Frauen können einen großen Beitrag leisten.
Warum Frauen gezielt zum Thema Gründung ansprechen?
In Deutschland bestehen vielfältige Beratungs- und Unterstützungsangebote für Frauen, die sich selbstständig machen möchten oder bereits selbstständig gemacht haben. Studien bestätigen, dass durch eine genderspezifische Ansprache (Verwendung von Bildmotiven mit Frauen sowie weibliche Textform) die Absicht von Frauen, an einem Gründungsförderungsprogramm teilzunehmen, gesteigert werden kann.
Deswegen ist das RKW Kompetenzzentrum der Frage nachgegangen, durch welche Inhalte und über welche Kommunikationskanäle Frauen von vorhandenen Formaten der Gründungsunterstützung erfahren können und wie mehr (potenzielle) Unternehmerinnen auf die bestehenden vielfältigen Angebote aufmerksam gemacht werden können.
Durchgeführt wurde eine qualitative Studie mit leitfadengestützten Fokusgruppeninterviews mit Expertinnen und Experten. Daraus abgeleitete Fragen wurden in den GEM aufgenommen.
Wie Frauen erfolgreich zum Thema Gründung ansprechen?
Relevante Inhalte für Frauen
Die GEM-Bevölkerungsbefragung 2024 ergibt bestimmte gründungsbezogene Themen, bei denen Frauen ein hohes Informationsinteresse haben. Grundlegend schätzen knapp ein Drittel der Frauen zwischen 18 und 64 Jahren in Deutschland ein, dass sie das Wissen, die Fähigkeiten und die Erfahrungen haben, ein Unternehmen zu gründen.
Die Einschätzung dieses Aspekts fällt in anderen im GEM untersuchten Ländern mit hohen Einkommen, die aufgrund der sozioökonomischen Struktur mit Deutschland vergleichbar sind, etwas höher aus. So beträgt der diesbezügliche Wert in Kanada und Italien (wo er am höchsten ist) rund 50 Prozent. Dies spiegelt sich auch bei den Informationsbedarfen zum Thema Gründung wider, die eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Unternehmensgründung sein können.
Gründerinnen wünschen sich am häufigsten Informationen zum Thema Recht und Steuern sowie Buchführung. Dieser Informationswunsch ist nicht frauenspezifisch, auch bei den Gründern belegt dieser Aspekt den ersten Platz, mit einem nahezu identischen Ergebnis.
Abbildung 2: Informationsbedarfe für TEA-Gründerinnen und -Gründer in Prozent (Mehrfachantworten möglich)
Präferierte Informationskanäle von Frauen
Wenn es um präferierte Kanäle geht, über die sich Gründerinnen häufig über Gründungsthemen informieren, präferieren Gründerinnen mit über 80 Prozent Webseiten, dicht gefolgt vom persönlichen Kontakt und persönlichen Gesprächen mit Gründungsunterstützungsorganisationen. Auch Social-Media-Kanäle sind mit über 75 Prozent ein präferierter Informationskanal.
Messen sind für 45 Prozent ein relevanter Informationskanal, sie belegen somit einen Platz im Mittelfeld. Dagegen wurden Kanäle wie Radio, Fernsehen und Printmedien sowie Newsletter deutlich seltener genannt. Interessant ist, dass bezüglich der präferierten Kommunikationskanäle generell nahezu keine Unterschiede in den Antworten der Gründerinnen und der Gründer bestehen.
Ansätze zur spezifischen Ansprache von Frauen
Zusätzlich zu den Themen und Ansprachekanälen wurden die Gründenden gefragt, welche Ansätze zur spezifischen Ansprache von Frauen zum Thema Gründung aus ihrer Sicht erfolgsversprechend sind. Sowohl für die Gründerinnen als auch Gründer ist die Gründungsberatung zu unterschiedlichen Tageszeiten (z.B. mittags oder abends) bzw. in unterschiedlichen Formaten (online bzw. in Präsenz) von großer Bedeutung, wobei die Gründerinnen diesen Ansatz häufiger als Gründer genannt haben.
Ebenfalls wichtig scheinen Informationen über Beratungsangebote zu sein, die bereits in der Orientierungsphase (vor der Gründung, erste Gründungsideen) ansetzen: 70 Prozent der Gründerinnen und mehr als 67 Prozent der Gründer halten diese für hilfreich. Darüber hinaus waren für die Gründerinnen ebenfalls mit etwa 68 % wichtig, Informationen über Beratungsangebote zu erhalten, die dem individuellen Lebensentwurf (z.B. Betreuung von Kindern bzw. Angehörigen) entsprechn.
Relativ hohe Zustimmungswerte von den beiden befragten Zielgruppen (über 60 Prozent) erhalten auch Bildmotive, bei denen sowohl gründungsinteressierte Frauen wie Männer gezeigt werden. Allerdings sind Bildmotive, in denen ausschließlich gründungsinteressierte Frauen gezeigt werden, nur für 48 Prozent Gründerinnen und 39 Prozent der Gründer von Bedeutung.
Der Ansatz, weiblichen Formen zu wählen, um spezifisch Frauen anzusprechen, bekam relativ wenige Zustimmungswerte von beiden befragten Zielgruppen im Vergleich zu anderen Ansätzen. Dagegen war die Verwendung von neutraler Sprache für über 60 Prozent der Befragten essentiell.
Gezielte Ansprache von Frauen: ein möglicher Ansatz für mehr Gründerinnen
Die dargestellten Ergebnisse zeigen, dass eine spezifische Ansprache von Frauen in der weiblichen Bild- und Textform ein Erfolgskriterium in der Kommunikation sein kann. Somit ist dies ein möglicher Ansatzpunkt, damit mehr Frauen als bisher die vorhandenen Gründungsunterstützungsangebote nutzen.
Dies bestätigen auch die Ergebnisse aus den Workshops, die das RKW Kompetenzzentrum mit rund 75 Beraterinnen und Beratern aus den Industrie- und Handelskammern in Kooperation mit der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) durchgeführt hat.
Daraus ergeben sich klare Handlungsfelder für Gründungsunterstützungsorganisationen:
Niederschwellige Zugänge für Erstkontakte schaffen: Workshops als Einstiegsformate für potenzielle Gründerinnen sind gut geeignet, um Hürden für die Kontaktaufnahme abzubauen.
Darstellung diverser Erfolgsgeschichten: Frauen in unterschiedlichem Alter und mit unterschiedlichen Migrationshintergründen sollten abgebildet werden, in technologieintensiven Start-ups wie im Social-Entrepreneurship. Die Bandbreite von weiblichen Gründungen kann in Fotomotiven zum Ausdruck gebracht werden. Die Bildsprache sollte aber ausgewogen alle Geschlechter adressieren.
Frauenspezifische Gründungsmuster wie zum Beispiel Teamgründungen oder Teilzeit-Gründungen können stärker in den Beratungsgesprächen berücksichtigt werden, ebenso die zeitliche Gestaltung.
Mut machen: Frauen sollten in der Kommunikation ermutigt werden, früh Kontakt zu Unterstützenden von Gründungen aufzunehmen. Eine erste grobe Geschäftsidee reicht meist aus, um Angebote zu nutzen. Eine Ermutigung durch die Etablierung einer Fehlerkultur kann Hemmschwellen abbauen.
Frauen in Alltagssituationen ansprechen: Um Frauen als potenzielle Gründerinnen zu aktivieren, sollte man sie dort suchen, wo sie häufig anzutreffen sind, zum Beispiel in Kitas, Sportvereinen, an der VHS, bei Führungstrainings oder auch in Restaurants und Cafés. Auch im Bereich der beruflichen Orientierung kann das Thema Gründung als Karriereoption an (junge) Frauen kommuniziert werden, hierfür bieten sich Berufsorientierungsmessen an.
Weitere Ergebnisse finden Sie im RKW-Leitfaden und hier.
Hintergründe der Studie
Durchgeführt wurde eine qualitative Studie mit leitfadengestützten Fokusgruppeninterviews mit Expertinnen und Experten – sowohl aus dem Netzwerk des Aktionsplans Mehr Unternehmerinnen für den Mittelstand des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie als auch aus der Gründungsunterstützungslandschaft. Daraus abgeleitete Fragen wurden in den GEM aufgenommen.
Der Global Entrepreneurship Monitor (GEM) ist weltweit die einzige Erhebung, die einen räumlichen und zeitlichen Vergleich der Gründungsaktivitäten, Gründungsmotive und Gründungseinstellungen in der Gesamtbevölkerung in Deutschland und in über 50 weiteren Ländern auf allen Kontinenten ermöglicht. Der GEM wurde 1999 das erste Mal veröffentlicht.
Das RKW Kompetenzzentrum in Eschborn untersucht im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE) gemeinsam mit dem Johann Heinrich von Thünen-Institut für Innovation und Wertschöpfung in ländlichen Räumen das Gründungsgeschehen in Deutschland in Form einer jährlichen repräsentativen Bevölkerungsbefragung sowie einer Befragung von Gründungsexpertinnen und -experten.
* Der Indikator für die Gründungshäufigkeit im Rahmen des GEM ist die TEA-Quote (Total Early-Stage Entrepreneurial Activity). Diese wird als Anteil derjenigen 18- bis 64-Jährigen definiert, die während der letzten 3,5 Jahre ein Unternehmen gegründet haben und/oder gerade dabei sind, ein Unternehmen zu gründen.
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