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Stadtentwicklung: Wie Kommunen den Einsatz von KI gestalten können

Künstliche Intelligenz kann Städte in Zeiten knapper Ressourcen unterstützen – aber nur, wenn sie als Instrument verstanden wird, das sich an die kommunale Realität anpasst, nicht umgekehrt.

Klimawandel, Wohnraummangel, Energiekrise, Fachkräftemangel: Kommunen stehen vor gewaltigen Aufgaben. Zugleich wächst die Hoffnung, dass Künstliche Intelligenz (KI) dabei helfen kann, mit knappen Ressourcen besser umzugehen, Entscheidungen datenbasiert zu treffen und Verwaltungsprozesse zu beschleunigen.

Doch so groß die Erwartungen sind, so missverständlich ist oft die Vorstellung davon, was KI in der Stadtentwicklung tatsächlich leisten kann. Denn die eigentliche Innovation liegt nicht im Algorithmus, sondern in der Art, wie Verwaltungen lernen, mit KI zu arbeiten und sie im Sinne des Gemeinwohls einzusetzen.

Vom Hype zur Anwendung: KI in der Stadtentwicklung heute

Im Rahmen der Begleitforschung des Förderprogramms Modellprojekte Smart Cities hat ein Team von Difu, Fraunhofer IESE und der Kanzlei BBH untersucht, wie Kommunen Künstliche Intelligenz bereits heute einsetzen und welche Potenziale sich daraus für die Stadtentwicklung ergeben. Eine wesentliche Erkenntnis der Studie: Der Einsatz von KI ist nicht in erster Linie eine technologische Frage, sondern eine Frage von Organisationskultur, Governance und Werteorientierung.

Dabei macht sich ein großes Spektrum an Einsatzbereichen zwischen Infrastrukturmonitoring, Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen sowie Bürgerservices auf. KI kommt dort ins Spiel, wo Daten in großer Menge vorliegen, Prozesse wiederkehrend sind und Entscheidungen auf Mustern beruhen.

Sie erkennt Schäden an Straßen und Grünflächen, analysiert Wärme- und Verkehrsflüsse, unterstützt Bauämter bei der Prüfung digitaler Bauanträge und wertet Beteiligungsbeiträge automatisch aus, um Planungsprozesse zu beschleunigen. Andere Systeme prognostizieren Energiebedarfe, optimieren Müllabfuhr-Routen oder erfassen den Zustand von Bäumen per Drohne und Bildanalyse.

Die Untersuchung macht deutlich, dass bereits eine Vielzahl von KI-Anwendungen in verschiedensten Bereichen der Stadtentwicklung zum Einsatz kommt. Gleichzeitig herrscht in vielen deutschen Kommunen nach wie vor eine große Unsicherheit, die durch eine Vielzahl an Softwareanbietern, mangelnde interne Kompetenzen und teils unklare rechtliche Rahmenbedingungen bedingt ist.

Die reine Betrachtung der technischen Möglichkeiten von KI für die Aufgaben der Stadtentwicklung greift daher zu kurz. Vielmehr braucht es ein Verständnis darüber, wie KI in die bestehenden kommunalen Prozesse eingebaut werden kann und welche Veränderungen damit einhergehen.

Zwischen Regulierung und Verantwortung

Mit der Verabschiedung des europäischen AI Acts wird der rechtliche Rahmen für KI sowohl konkreter als auch komplexer: Wollen Kommunen die Technologie anwenden, müssen sie nun auch Gestaltungsverantwortung übernehmen. Es geht weniger darum, KI zu nutzen, sondern sie im Sinne einer gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung zu gestalten und sich damit im Sinne der Ziele der integrierten Stadtentwicklung zu Nutze zu machen.

Dazu gehört, sich über die potenziellen Fallstricke und Risiken eines KI-Einsatzes im kommunalen Kontext frühzeitig bewusst zu werden:

  • Bias und Diskriminierung durch veraltete, fehlerhafte oder zu homogene Trainingsdaten
  • Intransparenz algorithmischer Entscheidungen
  • Abhängigkeit von proprietären Systemen, die die kommunale Souveränität gefährden

Vertrauenswürdige KI muss demnach vor allem im Kontext von Stadtentwicklung nachvollziehbar, erklärbar und überprüfbar sein. Kommunale KI-Anwendungen brauchen offene Standards und müssen klar definierten und kommunizierten ethischen wie rechtlichen Werten folgen.

Denn gerade der immens hohe Handlungsdruck in unseren Kommunen kann dazu führen, dass ethische Prinzipien wie Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Fairness zugunsten vermeintlicher Effizienzgewinne vernachlässigt werden. Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die von Kommunen eingesetzte Technologie ist aber die eigentliche Infrastruktur, auf der KI-Lösungen langfristig bestehen können.

Vom Werkzeug zum System

Damit KI in Städten tatsächlich Wirkung entfalten kann, muss sie passgenau auf die jeweilige Aufgabe und den kommunalen Kontext abgestimmt sein. Entscheidend ist, das Problem präzise zu analysieren und die Ziele klar zu benennen. Erst dann lässt sich bestimmen, welches KI-Werkzeug wirklich sinnvoll ist oder ob eine nicht-KI-Lösung diese Aufgaben ebenso gut lösen kann.

Die eigentliche  Wirkung entsteht im Zusammenspiel aus Problemstellung, Zieldefinition und Anwendung. Dabei greifen KI-Anwendungen in bestehende Prozesse und Entscheidungswege ein. Wenn ein Algorithmus Verkehrsflüsse steuert oder Bauanträge digital prüft, verschiebt sich nicht nur die Arbeitsweise, sondern auch das Verhältnis zwischen Fachwissen, Daten und Verantwortung.

Es wird also deutlich: KI ist kein isoliertes Tool, sondern Teil eines sozio-technischen Systems, in dem technische, organisatorische und gesellschaftliche Faktoren miteinander verwoben sind.

Über die sozio-technischen Grundbedingungen für eine sinnvolle kommunale KI-Integration herrscht weitgehend Konsens: auf technischer Ebene braucht es maschinenlesbare Daten und interoperable Infrastrukturen; auf sozialer Ebene erfordern die Mensch-Maschine-Interaktionen in Arbeitsprozessen und an der Schnittstelle zum Bürger neue Kompetenzen, und das nicht nur im technischen, sondern vor allem im organisatorischen und analytischen Sinne.

Kommunen benötigen Wissen darüber, wie Algorithmen Entscheidungen vorbereiten, welche Datenqualität sie erfordern und wie Ergebnisse kritisch bewertet werden können. Ebenso wichtig sind Fähigkeiten zur interdisziplinären Zusammenarbeit und zu einer realistischen Einschätzung der eigenen Daten- und Ressourcenlage. Einen hilfreichen Überblick über diesen Kompetenzmix und wo diese Kompetenzen bereits in den Kommunen vorhanden sind, liefert unter anderem diese Bertelsmann-Studie.

Damit rückt die Fähigkeit von Verwaltungen in den Mittelpunkt, mit Unsicherheit strategisch umzugehen, Experimente zuzulassen und zu verstehen, wie sich Entscheidungen und Abläufe über die Automatisierung hinaus verändern können oder sollen. Am Ende entscheidet diese Dynamik darüber, welche Wirkung KI im kommunalen Kontext tatsächlich entfalten kann und wo ihre Grenzen liegen.

Zwischen Anspruch und Realität

Zugleich darf dabei nicht übersehen werden, unter welchen Bedingungen Kommunen diese Aufgaben bewältigen müssen. Der Fachkräftemangel, insbesondere im IT-Bereich, begrenzte Haushalte und ein stetig wachsender Aufgabenkatalog führen dazu, dass viele Verwaltungen bereits im Tagesgeschäft an Kapazitätsgrenzen stoßen. Die Erwartung, zusätzlich umfassende Digital- und KI-Strategien zu entwickeln, wirkt daher häufig wie eine Aufgabe „on top“.

Gerade darin liegt jedoch die wesentliche Chance: Daten- und KI-Strategien sind das zentrale Werkzeug, um genau die Fragen zu beantworten, die sich Kommunen ohnehin stellen müssen: Was soll uns der Einsatz von KI bringen? und Wie können wir das mit unseren vorhandenen Ressourcen umsetzen?

Sie bieten einen Rahmen um den Status Quo zu erheben, Zielbilder zu formulieren, Prioritäten zu setzen, Regeln für den KI-Einsatz zu formulieren und sich Schritt für Schritt an neue technologische Entwicklungen anzunähern. Denn angesichts der Dynamik des Feldes kann es weniger um einen „Masterplan“ gehen als um einen sukzessiven Lern- und Gestaltungsprozess, der regelmäßig überprüft und angepasst wird.

Kommunen nicht allein lassen

Diese strategische Orientierung im wachsenden Feld der KI-Anwendungen kann jedoch nicht allein Aufgabe der Kommunen sein. Es braucht Leitlinien und Qualifizierungsangebote von Bund und Ländern, die die Kommunen bei der Einschätzung von Chancen und Risiken unterstützen.

Ebenso braucht es standardisierte und übertragbare Lösungen, die sich in unterschiedliche kommunale Kontexte einfügen lassen, ohne jedes Mal neu erfunden zu werden. Eine übergeordnete Bewertung und Bündelung solcher Ansätze – etwa durch Kompetenzstellen auf Bundes- oder Landesebene – kann dazu beitragen, den Aufwand für Verifizierung und Orientierung zu verringern und den Einstieg in die Praxis zu erleichtern.

KI kann dann einen echten Beitrag leisten, wenn sie nicht als Heilsversprechen oder Pflichtübung verstanden wird, sondern als Werkzeug gemeinsamer Orientierung und Reflexion. KI ist ein Werkzeug, das Verwaltungen dabei helfen kann, Wissen über ihre eigenen Prozesse, Ressourcen und Ziele zu gewinnen. In diesem Sinne markiert die aktuelle KI-Debatte auch einen Scheideweg: Es bleibt abzuwarten, ob es Bund, Ländern und Kommunen gelingt, eine marktgetriebene Technologie in den Dienst des Gemeinwohls zu stellen – oder ob sie sich von ihr treiben lassen.

Dieser Artikel basiert auf der im Auftrag des BBSR erarbeiteten Studie „Künstliche Intelligenz in smarten Städten und Regionen. Innovative Anwendungen für die Stadtentwicklung“ und wurde im Rahmen der Begleitforschung der Bundesförderprogramms „Modellprojekte Smart Cities“ des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesens erarbeitet. Die Studie bietet einen vertieften Einblick in Anwendungsfälle von KI in der Stadtentwicklung und eine Handreichung für die kommunale Praxis. Kostenloser Download hier.

 

 

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