Angesichts der drückenden politischen Stimmung und der schleppenden wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland muss es in den kommenden Monaten und Jahren darum gehen, neue Impulse zu setzen. Eine stabile, möglichst krisenfreie Transformation muss die sozialen Auswirkungen noch stärker als bisher im Blick haben. Ohne eine sozial gerechte Politik, in der nicht Risiken und Belastungen auf die Beschäftigen und Menschen mit mittleren Einkommen abgewälzt werden, lässt sich die erforderliche Akzeptanz nicht herstellen. Ohne Akzeptanz wird der anstehende Umbau in Wirtschaft und Gesellschaft nicht gelingen. Um die Bereitschaft zu erhöhen, an der Veränderung mitzuwirken und sie im besten Fall sogar voranzutreiben, bedarf es mehr als bisher klarer Zielbilder und der Kommunikation gelungener Transformationsbeispiele – die es in der Großindustrie, dem Mittelstand und auch der Start-up-Szene ja durchaus gibt.
Mit Ausnahme der AfD bestreitet niemand: Deutschland steht in den kommenden Jahren vor einer grundlegenden Transformation seiner Wirtschaft, die ohne historisches Beispiel ist. Die Folgen des Urteils des BVerfG zur Ausgestaltung der Schuldenbremse stehen dabei in krassem Widerspruch zur Größe der Aufgabe. Aktuell steht die deutsche Wirtschaft am Anfang eines Umbaus, der nach und nach die gesamte Weltwirtschaft dominieren wird. Die harte Lesart der Schuldenbremse darf im Ergebnis nicht dazu führen, dass in dieser sensiblen Schlüsselphase der Umbau unserer Industrie und Ökonomie in den kommenden Jahren nicht ausreichend finanziert ist.
Die Folgen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands wären schwerwiegend. Denn das was wir derzeit international beobachten können, ist ein robust ausgetragener Wettbewerb der Industriepolitik der großen globalen Wirtschaftsakteure, um die Zukunftsbranchen frühzeitig anzureizen und aufzubauen: strategische Abschottung im Verbund mit direkten Subventionen in China und dem (teilweise aus dem gescheiterten „Build Back Better Act“ hervorgegangen) Inflation Reduction Act in den USA mit großzügigen Investitionen, bzw. Förderungen, in den Klimaschutz, verbunden mit restriktiven Kriterien und Anforderungen.
Deutschland muss vor diesem Hintergrund industriepolitischer Treiber in Europa werden, das sich mit dem European Green Deal einen eigenen programmatischen und politischen Rahmen gesetzt hat.
Kreislaufwirtschaft – verstanden vom Produktdesign über Ressourceneffizienz in der Herstellung, die Produktverwendung bis hin zum Recycling – ist dabei eines der zentralen Felder dieser Transformation.
- Funktionierende Stoffkreisläufe, insbesondere funktionierende Rohstoffkreisläufe sichern die Resilienz einer Volkswirtschaft und sind die Basis für mehr Rohstoffsouveränität. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass mangelnde Rohstoffsouveränität zu hochriskanten Abhängigkeiten führen kann. Diese werden besonders gravierend, wenn es zu Störungen weltwirtschaftlicher Beziehungen und Lieferketten kommt, wie dies in der Coronakrise der Fall war. Hinzu kommen in letzter Zeit zunehmende geopolitischen Risiken. Geopolitische Risiken erfordern die Reduktion großer Abhängigkeiten (Lieferketten, Rohstoffe). Die Überwindung dieser Abhängigkeiten trägt zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands bei.
- Kreislaufwirtschaft ist ein wichtiger Wachstumsmotor der nächsten Jahre und Jahrzehnte. Bislang werden diese vorhandenen Potenziale unzureichend ausgenutzt. Neue (zirkuläre) Geschäftsmodelle eröffnen neue Verwertungschancen und sind so der Kern einer nachhaltigen Transformation. Diverse Studien wie beispielsweise die BDI/Deloitte Studie zeigen das Potenzial der circular economy auf. McKinsey schätzt dieses Marktpotenzial mittelfristig auf 650 Mrd. € p.a.
- Kreislaufwirtschaft macht überdies unsere Industrie fit für die Zukunft. Denn sie bietet einen enorm wichtigen Beitrag zur Steigerung der Effizienz bestehender industrieller Produktionsprozesse und senkt über Prozess- und Ressourceneffizienz die Kosten der Transformation. Dekarbonisierung lässt sich so schneller und günstiger erreichen. Zudem können Kohlenstoffkreisläufe geschlossen werden (CCUS), wobei darauf zu achten ist, unnachhaltige Geschäftsmodelle nicht zu prolongieren.
Kreislaufwirtschaft fällt aber nicht vom Himmel. Sie entsteht nicht einmal zwangsläufig von allein. Vielmehr braucht es einen – europäisch kompatiblen – politischen Ordnungsrahmen mit langfristigen, klaren und verlässlichen Zielen und geeigneten Maßnahmen. Dabei müssen Industriepolitik und Klima-/Umweltpolitik ineinandergreifen. Für die Umsetzung dieses Ordnungsrahmens bedarf es eines entsprechenden Instrumentenmixes, in dem sich idealerweise angebots- und nachfrageseitigen Instrumente ergänzen.
Aktuell arbeitet die Bundesregierung an der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie. In einem breit angelegten Beteiligungsprozess wird aktuell an einem ordnungspolitischen Rahmen hierfür gearbeitet. Der Transformationsgipfel zur Kreislaufwirtschaft, zu dem der Bundeskanzler die Allianz für Transformation eingeladen hatte, hat hier ein politisches Zeichen gesetzt.
Denn Deutschland kann und sollte in der Kreislaufwirtschaft europäischer Vorreiter werden. In Deutschland und Europa finden sich gute Voraussetzungen dafür – die starke industrielle Basis, der innovative, findige Mittelstand, die traditionell herausragende Ingenieurskunst sind wichtige Grundlagen zur Erlangung internationaler Technologieführerschaft und Entwicklung neuer Märkte. Der Einsatz digitaler Technologien wird dabei entscheidend sein: Denn am Ende werden diejenigen im Wettbewerb die Nase vorne haben, denen es gelingt, die digitale Infrastruktur, den digitalen Produktpass und digitale (zirkuläre) Daten-Ökosysteme zu gestalten. Dabei wird der zielgerichtete Einsatz von KI zusätzliche Effizienz- und Wachstumspotenziale gerade in zirkulären Wertschöpfungsprozessen sichern helfen.
Auch für die von der Ampel-Koalition getragene Bundesregierung bietet das gesamte Thema eine enorme Chance. Die Arbeit an einer circular economy Strategie ist eine Gelegenheit, gemeinsam wieder auf einem „Fortschrittspfad“ zurückzukehren. In der Umsetzung dieser Strategie wird es anschließend darum gehen, konzertiert Erfolgsprojekte zu entwickeln, Interessen auszutarieren und frühzeitig mögliche Konflikte zu entschärfen.
Dieser Beitrag erschien zuerst in BPÖ, Blog politische Ökonomie, er gibt die private Meinung der Autoren wider und ist keine offizielle Position des BMUV.
Das Thema Kreislaufwirtschaft ist auch ein Schwerpunkt der Innovationsprojekte der Bertelsmann Stiftung. Dazu hat sie kürzlich zusammen mit dem Wuppertal Institut und dem Fraunhofer ISI ein aktuelles Focus-Papier veröffentlicht:
Auch darin zeigt sich, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben und ressourceneffizient sowie klimaneutral zu wirtschaften, braucht es in Deutschland die Transformation zur Kreislaufwirtschaft. Allerdings hat man hierzulande in den vergangenen zwei Jahrzehnten die einstige Vorreiterstellung in diesem Bereich eingebüßt. Auf politischer Seite existieren diverse strategische Ansätze, um hierauf zu reagieren. Jedoch mangelt es an einer ressort- und sektorübergreifenden strategischen Abstimmung und an einer Konkretion der Umsetzungspläne. Das Focus Paper der Bertelsmann Stiftung zeigt auf, wie sich diese Schwachstellen durch einen Missionsorientierten Politikansatz adressieren ließen. Insbesondere sollten die politischen Akteure stärker als bislang kooperieren und gemeinsam verbindliche Ziele mit hoher gesellschaftlicher Relevanz definieren. Ebenso müssen bereits während des Missionsformulierungsprozesses die Steuerungs- und Umsetzungsmechanismen mitgedacht werden. Auch werden beispielhafte Vertiefungen für Kreislaufwirtschaftsmissionen aufgezeigt (bspw. in den Bereichen Batterietechnik, Bauwirtschaft und Chemisches Recycling).
Weitere Publikationen der Bertelsmann Stiftung zum Thema Kreislaufwirtschaft u.a.:
Kommentar verfassen