In der heutigen Wissensgesellschaft spielt die Komplexität von Wissen und Technologien eine zentrale Rolle. Mit dem technologischen Fortschritt nimmt auch die Komplexität von Wissen und der Technologien zu. Dieser Trend wird zunehmend wissenschaftlich untersucht und zeigt, dass Wissen sich aufeinander aufbauend entwickelt und dabei immer spezialisierter und vielfältiger wird.
Doch was bedeutet das genau? Kurz gesagt: Komplexes Wissen ist schwieriger zu erlernen, zu imitieren und anzuwenden als einfaches Wissen. Das macht es für Unternehmen und Volkswirtschaften besonders wertvoll.
Steigende Komplexität
Wissenskomplexität bezieht sich auf die Menge an Informationen, die benötigt wird, um ein bestimmtes Wissensgebiet zu verstehen. Je mehr verschiedene und miteinander verknüpfte Komponenten es gibt, desto komplexer ist das Wissen. Innovation entsteht im Kern durch die Kombination schon bestehender Ideen auf eine neue geniale Weise.
Zum Beispiel erfordert die Entwicklung von modernen Technologien oft eine Kombination aus vielen verschiedenen Erkenntnissen, Teilen und Prozessen, die alle zusammenarbeiten müssen, um zu funktionieren. Im Gegensatz zur Renaissance, die von Universalgelehrten geprägt war, die in zahlreichen Disziplinen bewandert waren, werden heutzutage hochspezialisierte Experten benötigt, die koordiniert zusammen an der Entwicklung neuer Technologien arbeiten.
Diese Komplexität hat wichtige Auswirkungen. Komplexes Wissen ist schwer zu kopieren. Das bedeutet, dass es weniger wahrscheinlich ist, dass es einfach an Konkurrenten weitergegeben wird. Das schafft einen Wettbewerbsvorteil für diejenigen, die es besitzen. Volkswirtschaften, deren Unternehmen über komplexes Wissen verfügen, zum Beispiel gebündelt in der Herstellung von komplexen Technologien, können daher höhere Gewinne erzielen und schneller wachsen.
Hohe Komplexität, hohes Risiko
Die Entwicklung komplexer Technologien ist jedoch oft mit hohen Risiken und erheblichen Investitionen verbunden. Private Unternehmen allein sind häufig nicht in der Lage, die erforderlichen Ressourcen bereitzustellen oder die Risiken zu tragen, die mit der Erforschung und Entwicklung solcher Technologien einhergehen.
Staatliche Unterstützung spielt hier eine entscheidende Rolle, indem sie die noch nicht kommerziell verwertbare Grundlagenforschung finanziert sowie finanzielle Anreize und Infrastruktur bereitstellt, die es privaten Unternehmen ermöglichen, in komplexen, hochriskanten und kostenintensiven Innovationsprojekten aktiv zu sein.
Diesbezüglich haben US-amerikanische Ökonomen einen interessanten Trend identifiziert: Innovationsprozesse sind zunehmend von staatlicher Unterstützung abhängig. Ersichtlich wird das unter anderem durch die steigende Anzahl von Patenten, die entweder im Besitz des Staates sind, durch staatliche Mittel finanziert wurden oder staatliche Forschung und Entwicklung zitieren.
Unsere Studie erweiterte diese Forschung, indem sie die Rolle der zunehmenden technologischen Komplexität in dieser Dynamik untersucht. Unsere Analyse von US-Patenten aus den Jahren 1981 bis 2016 zeigt, dass staatliche Unterstützung nicht gleichmäßig über alle Technologien verteilt ist, sondern sich zunehmend auf komplexe Technologien konzentriert. Dies kann bedeuten, dass der Staat gezielt interveniert, um Innovationen in Bereichen mit hoher Komplexität zu fördern. Allerdings ist bei diesen Technologien auch der höchste Bedarf an staatliche Unterstützung, da hier Kosten und das ökonomische Risiko besonders hoch sind. Unsere Studie schafft hier Klarheit.
Staatliche Unterstützung als Treiber für technologische Komplexität
Frühere Studien sind oft davon ausgegangen, dass Komplexität als „natürlicher Prozess“ aufgrund der kumulativen Natur des Wissens wächst. Zusätzlich verdeutlichen unsere Ergebnisse, dass gesellschaftliche Bedingungen – wie das Ausmaß an staatlicher Unterstützung für Innovationen in komplexen Technologien – das Tempo dieses Prozesses beeinflussen.
Konkret zeigen unsere Analysen, dass die staatliche Unterstützung von Forschungsaktivitäten die Innovationstätigkeit von privaten Unternehmen erhöht. Diese Zunahme an Innovationsaktivitäten wiederum führt nachfolgend zur Zunahme der Komplexität von Technologien.
Damit identifizieren wir die staatliche Unterstützung als eine treibende Kraft hinter dem Anstieg der technologischen Komplexität. Vom Staat entwickelte Technologien und vom Staat finanzierte Innovationsaktivitäten steigern private Forschungsaktivitäten in den entsprechenden Technologien.
Dies führt zu einer Zunahme der Anzahl privater Patente, welche die Grundlage für weiteren Fortschritt in hoch komplexen Technologien sind, beziehungsweise zu neuen, noch anspruchsvolleren Anwendungen bestehender Technologien. Kurz gesagt: Die staatliche Unterstützung der Grundlagenforschung bildet das Fundament dafür, immer komplexere Technologien und Anwendungen zu ermöglichen.
Dass die staatliche Unterstützung tendenziell komplexeren Technologien zugutekommt, obwohl die Komplexität selbst kein festgeschriebenes Kriterium für die Vergabe von Fördermitteln ist, kann daran liegen, dass technologische Komplexität oft mit anderen Dimensionen korrelieren, die bei der Gestaltung von Innovationspolitiken relevant sind. Ein Beispiel hierfür sind Technologien, die für die Transformation zu nachhaltiger Energie notwendig sind und meist sehr komplex sind.
Die Herausforderung der Innovationspolitik
Gleichzeitig zeigt die aktuelle Forschung, dass die Forschungsproduktivität trotz steigender Investitionen abnimmt. Höhere technologische Komplexität erschwert Fortschritte und macht sie teurer. Daher stellt sich die Frage, ob heutige staatlich ermöglichte (Sprung-)Innovationen und die Vorteile, die diese mitbringen, auf Kosten ressourcenintensiverer Forschung in der Zukunft erkauft werden. Anders formuliert legt unsere Studie nahe, dass heutige politische Förderungsentscheidungen das Tempo beeinflussen, in dem die zukünftige Forschung kostspieliger wird.
Damit wirft unsere Studie zahlreiche neue Fragen auf. Beispielsweise: Wann ist der richtige Zeitpunkt gekommen um in neue, noch komplexere Technologien zu investieren? Treibt der internationale Wettbewerb die Bereiche an, deren Erforschung heute noch gewaltige Kosten verursachen, die aber in einigen Jahren eventuell relativ günstiger zu erforschen wären – gerade in Bezug auf Rüstung, Forschung und Entwicklung?
In Zeiten knapper Forschungsressourcen und drängender Herausforderungen wie beispielsweise des Klimawandels ist die Politik angehalten, auch die intertemporale Verteilung der staatlichen Forschungsförderung in Bezug auf einzelne Technologien im Auge zu behalten.
Gleichzeitig sei aber darauf hingewiesen, dass unsere Studie eine der wenigen ist, die sich mit der Entwicklung der technologischen Komplexität und ihrer Treiber empirisch beschäftigt hat. Auch basieren die Ergebnisse ausschließlich auf US-amerikanischen Daten. Ob sie auf Europa übertragen werden können, ist noch unklar. Aufgrund mangelnder Daten konnten wir auch nicht untersuchen, ob die steigende Komplexität ursächlich für die massiv steigenden Kosten des technologischen Fortschritts ist. Gerade hier besteht weiterhin großer Forschungsbedarf.
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