Wettbewerb
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Danne
Christian Danne
2. September 2025

Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit als Innovationsstandort: ein internationaler Vergleich

Die kommenden Jahre werden entscheiden, ob Deutschland den Weg zurück zu einer breit aufgestellten, innovationsgetriebenen Ökonomie schafft – oder ob es zu stark an der Vergangenheit hängt und dadurch im globalen Wettbewerb weiter zurückfällt.

Es wird viel über die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschafts- und Innovationsstandorts Deutschland diskutiert. Hohe Energiekosten, Schwachstellen in den Lieferketten und die Herausforderungen des ökologischen Wandels stehen dabei häufig im Mittelpunkt der Diskussion.

Langfristig können allerdings nur Produkt- und Prozessinnovationen und die damit einhergehenden Produktivitätszuwächse die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland sichern. Entsprechend sind die institutionellen und regulativen Rahmenbedingungen ein weitaus wichtigerer Faktor für die Politik, wenn es um die Förderung und Erhaltung des Innovationsstandorts Deutschland geht (siehe auch Draghi Report und Letta Report).

Weniger Wettbewerbsfähigkeit in Schlüsselindustrien

Seit 2010 analysieren das DIW Berlin und DIW ECON, das Consulting-Unternehmen des DIW Berlin, im Auftrag der Expertenkommission Forschung und Entwicklung (EFI) die internationale Wettbewerbssituation Deutschlands in Forschungs- und Entwicklungsintensiven Industrien.

Die aktuelle Studie zeigt, dass Deutschland in vielen seiner Forschungs- und Entwicklungsintensiven Schüsselindustrien an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt hat – insbesondere im Fahrzeug- und Maschinenbau aber auch in der Chemischen Industrie. Dies ist kein neues Phänomen oder das Ergebnis der Lieferketten- und Energiepreisschocks der jüngsten Vergangenheit.

Die Ergebnisse zeigen, dass der Anteil der Wertschöpfung und der Anteil im internationalen Handel seit 2017 kontinuierlich fällt. Bisher handelt es sich allerdings eher um einen relativen als absoluten Bedeutungsverlust.

Relativer Bedeutungsverlust deutscher Technologiegüter

Mit einem Wertschöpfungsanteil der Produzenten hochwertiger Technologiegüter von knapp 11 Prozent bleibt Deutschland weiterhin die westliche Volkswirtschaft, die am stärksten auf die entsprechenden Wirtschaftsabteilungen spezialisiert ist.

Eine ähnliche Ausrichtung findet sich am noch ehesten in Japan und Korea, die ebenfalls eine hohe Spezialisierung aufweisen. In beiden Ländern machen die Produzenten hochwertiger Technologiegüter rund 9 Prozent der Wertschöpfung aus. Ganz anders dagegen ist die Situation in den USA, Kanada oder Israel. In diesen Ländern tragen die Produzenten hochwertiger Technologiegüter mit 3,2 Prozent und weniger nur einen geringen Anteil zur gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung bei.

Gleichzeitig hinkt die deutsche Volkswirtschaft in den Bereichen der Spitzentechnologie (Pharmaindustrie, Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen, sonstiger Fahrzeugbau) und den wissensintensiven Dienstleistungen (Telekommunikation und Informationsdienstleistungen, Forschung und Entwicklung) in internationalen Wettbewerbern hinterer. Der Anteil der Spitzentechnologie an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung liegt hierzulande bei etwa 3 Prozent. Damit reicht es unter den untersuchten 19 Ländern gerade mal für Platz 9. Im Falle der wissensintensiven Dienstleistungen belegt Deutschland sogar nur den 13. Platz.

Schleppender Handel: ein deutsches Problem

Ein wesentlicher Faktor für den relativen Bedeutungsverlust ist die Entwicklung der Arbeitsproduktivität in den FuE-intensiven Schlüsselindustrien. Zwar haben die betreffenden deutschen Wirtschaftszweige die Arbeitsproduktivität im Jahr 2022 um 18 Prozent gegenüber 2010 gesteigert. Diese Entwicklung war jedoch im internationalen Vergleich eher moderat. Außerhalb der Eurozone erzielten die Produzenten hochwertiger Technologiegüter in der Regel höhere Zuwächse als in Deutschland.

Während Deutschland zwar im Bereich der Spitzentechnologie große Produktivitätszuwächse verzeichnen kann, liegt der internationale Spezialisierungsgrad weit hinter dem der internationalen Mitbewerber.

Zwischen 2010 und 2022 stieg die Produktivität der deutschen spitzentechnologischen Industrien um 43 Prozent. Dies ist ein im internationalen Vergleich durchaus dynamisches Produktivitätswachstum. Jedoch ist Deutschlands Anteil am internationalen Handel mit diesen Gütern vergleichsweise gering.

Schleppende Entwicklung wissensintensiver Dienste: ein europäisches Problem

Während der Produktivitäts- und Bedeutungsverlust in internationalen Handel in den FuE-intensiven Waren, wie der Automobilindustrie und dem Maschinenbau, maßgeblich ein deutsches Problem ist, ist die schleppende Produktivitätsentwicklung bei wissensintensiven Dienstleistungen ein europäisches Problem.

Im Bereich der wissensintensiven Dienstleistungen kann Deutschland nur geringe Produktivitätszuwächse verzeichnen. Die Produktivität der deutschen wissensintensiven Dienstleistungen ist zwischen 2010 und 2022 um rund 8 Prozent gestiegen. Obwohl dieser Zuwachs schwach ist, stellt er im Vergleich zu anderen Eurozonenländern für den Zeitraum 2010 bis 2022 einen Spitzenwert dar.

Diese Entwicklung seit 2010 verdeckt jedoch die desaströse Phase zwischen 2000 und 2010, in der die Produktivität der betreffenden Dienstleistungen in Deutschland um mehr als 10 Prozent sank. Länder außerhalb der europäischen Union, wie die USA oder die Schweiz, erzielten deutlich größere Fortschritte, wobei die Produktivität der wissensintensiven Dienstleistungen in den USA seit 2000 um insgesamt 105 Prozent anstieg.

Diese Entwicklung ist insofern besorgniserregend, als dass die globale Wirtschaft seit Jahren von einer zunehmenden Digitalisierung und Tertiarisierung geprägt ist. Diese hat in vielen Ländern zu einem starken Wachstum der wissensintensiven Dienstleistungen geführt, in deren Folge auch der Beitrag dieser Dienstleistungen zur gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung beständig gestiegen ist.

Mehr Wettbewerb in Europa für wissensintensive Dienstleistungen

Trotz der schwachen langfristigen Entwicklung sind größere negative Auswirkungen auf Wertschöpfung oder Beschäftigung in Deutschland bislang ausgeblieben, da viele wissensintensive Dienstleistungen auf lokal begrenzte Märkte ausgerichtet und kaum internationalem Wettbewerb ausgesetzt sind. Dennoch bleibt die geringe Produktivitätsentwicklung ein zentrales Problem.

Vor diesem Hintergrund ist auch das Bemühen der EU zu begrüßen, den globalen Marktanteil der EU bei der Chipproduktion von derzeit etwa 10 auf 20 Prozent zu steigern. Inwieweit dafür tatsächlich Subventionen erforderlich sind, wie sie im Falle von Problemen jeder Art nur zu gern von der Politik genutzt und von Teilen der Wissenschaft gefordert werden, ist dabei nicht ausgemacht.

Vielmehr sollte die ausufernde Regulierung überdacht werden. Gerade die national unterschiedliche Umsetzung von EU-Vorschriften, wie die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), schränkt Innovationen und den transnationalen Wettbewerb innerhalb der EU stark ein. Anders als etwa in den USA, gibt es schlicht keinen einheitlichen Europäischen Markt im Bereich der Digitalwirtschaft. Dies verhindert, dass Unternehmen in stärkerem Maße wachsen und zu globalen Playern werden können.

Die fehlende Einheitlichkeit auf den digitalen Märkten ist genauso kontraproduktiv wie das Fehlen einer echten Kapitalmarktunion. Letzteres würde nicht nur eine Stärkung des Binnenmarktes, sondern auch eine Verbesserung der internationalen Wettbewerbssituation von Firmen bedeuten.

Allein in den letzten 5 Jahren hat die EU 13.000 neue Regulierungen erlassen, während es in den USA im gleichen Zeitraum nur 5.500 Regulierungen waren (Draghi Report). Und das ist nur die EU-Ebene, die einzelnen Ländern haben darüber hinaus weitere nationale und gegebenenfalls regionale Regulierungen erlassen. Es besteht somit erheblicher Handlungsbedarf.

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