China
Abby Yan, unsplash
Hubertus Bardt
Prof. Dr. Hubertus Bardt
15. Juli 2025

Abhängigkeiten von China: Innovation und Bergbau für die Versorgung mit Seltenen Erden

Die Produktion in Europa ist abhängig von Seltenen Erden aus China. Innovationen haben zu diesen Abhängigkeiten geführt, Innovationen können sie auch wieder begrenzen.

Innovationen haben den Bedarf an High-Tech-Rohstoffen drastisch erhöht. Bei deren Abbau und Handel hat China eine dominierende Marktposition. Im Handelskonflikt mit den USA hat China nun erneut damit gedroht, den Export Seltener Erden zu beschränken. Wichtige Teile der industriellen Produktion sind auf diese Rohstoffe angewiesen.

Europa ist weiterhin vollständig vom Import Seltener Erden aus China abhängig und daher besonders erpressbar. Andere Länder wie Japan und die USA haben in den letzten Jahren Schritte unternommen, um ihre Abhängigkeit zu verringern. Europa muss schnell handeln, um das politische Drohpotenzial im Systemkonflikt zu reduzieren – durch Innovation mit alternativen Rohstoffen und mit eigenen Investitionen in Förderprojekte.

Ohne Metalle keine Produktion

Die moderne Industrie ist auf vielfältige Vorprodukte angewiesen. Am Anfang aller Wertschöpfungsketten stehen natürliche Ressourcen, die entweder aus natürlichen Vorkommen gewonnen oder als Sekundärrohstoff wiederverwertet werden müssen. Bei zahlreichen metallischen Rohstoffen ist die Produktion von Primärrohstoffen aber zentral. Die Möglichkeit, diese Rohstoffe verlässlich einkaufen zu können, ist elementar für industrielle Wertschöpfungsketten und damit auch für wichtige Teile der industriellen Produktion.

Da es in Deutschland keinen aktiven Metallbergbau gibt, ist die deutsche Industrie nahezu vollständig auf die Einfuhr von Metallrohstoffen angewiesen. Dies kann entweder in Form des Rohstoffs selbst oder weiterverarbeitet in Zwischenprodukten erfolgen. Viele Unternehmen setzen keine Metalle in Rohstoffform ein, sondern nutzen die unterschiedlichsten Komponenten, die aber selbst auf Rohstoffen basieren. Wenn die Nutzung dieser Metalle nicht möglich ist, ist auch die darauf aufbauende industrielle Produktion unmöglich.

Durch Innovationen mehr Bedarf an Seltenen Erden

Neben den traditionellen Metallrohstoffen wie Eisenerz für Stahl, Bauxit für Aluminium oder Kupfer sind weitere Metalle für moderne Technologien unumgänglich. Dazu zählen Lithium und Kobalt, die für die Batterieherstellung und damit die Elektromobilität notwendig sind.

Von grundlegender Bedeutung für zahlreiche Anwendungen sind auch die Gruppe der Seltenen Erden, die beispielsweise für Hochleistungsmagnete benötigt werden, die in Generatoren und Elektromotoren eingesetzt werden. Auch hier sind Elektromobilität oder Windenergie wichtige Anwendungsfälle. Technologische Innovationen haben in den letzten Jahren den Bedarf an derartigen Rohstoffen deutlich erhöht. Sie sind aus unserer modernen Welt kaum noch wegzudenken.

Bei bedeutenden Metallen hat China als Anbieter eine dominante Stellung. Beim Bergbau, aber auch in den ersten Verarbeitungsstufen ist China in zahlreichen Fällen der wichtigste oder marktbeherrschende Anbieter. Bei den Seltenen Erden lag Chinas Anteil zwischenzeitlich bei über 95 Prozent des weltweiten Angebots. Heute kommen 68 Prozent der weltweiten Förderung aus China. Bei der Konzentration, also der ersten Verarbeitungsstufe der Rohstoffe, haben chinesische Unternehmen noch höhere Anteile und sind mit 91 Prozent marktbeherrschend.

Seltene Erden als politisches Machtinstrument

Die Weltwirtschaft ist auf das chinesische Angebot von Seltenen Erden angewiesen. Damit hat die chinesische Regierung ein hohes Drohpotential in Konflikten mit anderen Ländern. Ein wirkungsvoller und länger anhaltender Boykott würde erhebliche wirtschaftliche Schäden in den von der Lieferung ausgeschlossenen Ländern nach sich führen. Diese ökonomische Waffe ist keine leere Drohung, sondern ist bereits zwei Mal eingesetzt worden.

2010 hat China Japan von der Belieferung ausgeschlossen, obwohl Japan das wichtigste Exportland für chinesische Seltene Erden und damit nach China der zweitwichtigste Verbraucher war. Hintergrund war ein Territorialkonflikt um Inseln und damit verbundene Hoheitsrechte. Damit wurde deutlich, dass die Seltenen Erden für China nicht nur ein Handelsgut waren, das nach Marktbedingungen gehandelt wird, sondern auch ein politisch einsetzbares Machtinstrument.

Zum zweiten Mal kam die Seltenerd-Waffe im aktuellen Handelskonflikt mit den USA zum Einsatz. Nach der Ankündigung prohibitiv hoher Einfuhrzölle auf chinesische Waren regierte die Volksrepublik seinerseits mit Zöllen, aber auch mit weiteren Maßnahmen. So wurde der Kauf von amerikanischen Flugzeugen untersagt, die Ausfuhr von Seltenen Erden und darauf basierenden Hochleistungsmagneten in die Vereinigten Staaten wurde genehmigungspflichtig und unterlag damit politischer Entscheidung. Verwendung in militärischen Anwendungen wurde als unzulässig erklärt. Dies hatte auch Konsequenzen für andere Länder. So wurden zur Vermeidung von indirekten Lieferungen nach Amerika für alle anderen Abnehmer strenge Nachweispflichten auferlegt, dass die Rohstoffe tatsächlich beispielsweise in der Batterieproduktion verarbeitet und nicht weiterverkauft werden.

Politische Zugeständnisse durch ökonomische Schäden

Mit dieser doppelten Verwendung der marktbeherrschenden Stellung bei der Versorgung mit Seltenen Erden für politische Zwecke ist erwiesen, dass eine marktbasierte Beschaffung allein nicht die notwendige Versorgung sicherstellen kann. Das Risiko, dass die Versorgung aus politischen Gründen zusammenbrechen kann, ist im Zuge des sich verschärfenden Systemkonflikts jederzeit präsent.

Davon sind nicht nur die einzelnen Unternehmen betroffen, die ihre Produktion im Konfliktfall nicht mehr aufrechterhalten können. Auch alle Firmen, die Komponenten basierend auf Seltenen Erden verwenden, beispielsweise leistungsstarke Permanentmagnete, wären in einer solchen Situation bedroht. Für den Staat ergibt sich daraus ein Klumpenrisiko, aus dem sich zugleich die Wirkmächtigkeit der chinesischen Drohung ergibt: Durch Androhung schwerer volkswirtschaftlicher Schäden kann versucht werden, politische Zugeständnisse der westlichen Abnehmerländer abzupressen.

Staatliches Handel notwendig

Privatwirtschaftliche Investitionen in alternative Bergbauprojekte lassen sich jedoch kaufmännisch nicht abbilden. Die bisherige Produktion ist ausreichend, sodass eine weitere Förderung tendenziell preissenkend wirken würde. Zudem hätte China jederzeit die Möglichkeit, die Preise zu senken und die zusätzliche Produktion unwirtschaftlich zu machen. Daher lassen sich die hohen Investitionskosten am Markt nicht refinanzieren, sodass es ohne staatliches Handeln nicht rechtzeitig zu einem weiteren deutlichen Rückgang der chinesischen Marktmacht kommen wird.

Sowohl Japan als auch die USA haben zumindest partielle Antworten auf diese Herausforderungen gefunden. Japan hat sich nach der Erfahrung des ersten Boykotts mit Hilfe staatlicher Mittel an der Entwicklung der Seltenerd-Mine Mount Weld in Australien beteiligt und dafür als Gegenleistung Anteile an der Förderung erhalten. Damit konnte Japan den Importanteil aus China deutlich reduzieren und ist weit weniger erpressbar.

In den USA ist Mountain Pass wiedereröffnet worden, eine zuvor aufgrund steigender Umweltschutzkosten stillgelegte Mine. Sie musste nach Preissenkungen aber wieder schließen. Zudem haben die USA mit politischen Mitteln die Nutzung chinesischer Seltenen Erden eingeschränkt. So sind Elemente der Förderung im Rahmen des Inflation Reduction Acts an die Bedingung geknüpft, keine chinesischen direkten oder indirekten Zulieferungen zu beinhalten.

Europa kann eine Versorgung nicht sicherstellen

Europa und die Mitgliedsstaaten können die Versorgung im Krisenfall bisher nicht sicherstellen. Weder gibt es inländische Produktion noch stabile Liefergarantien, die beispielweise aus Beteiligungen erwachsen. Im Falle eines Konflikts und eines möglichen dritten Boykotts ist daher zu befürchten, dass nur wenige Seltenen Erden auf dem freien Markt zur Verfügung stehen, die nicht aus China stammen. Dies würde massive Versorgungsrückgänge und Preissteigerungen für die verbleibenden Mengen mit sich bringen.

Die traditionelle westliche Politik, die auf offene Märkte, stabile Beziehungen zu Rohstoffländern und Unterstützung der Governance dieser Länder setzt, reicht nicht aus. Um politische Erpressbarkeit zu verhindern, muss in konkrete Rohstoffprojekte, Verarbeitung und Recycling investiert werden.

Als Gegenleistung müsste zumindest im Konfliktfall ein faktisches Vorkaufsrecht geben. Die Hälfte der Reserven liegt außerhalb Chinas, beispielsweise in Brasilien, Indien oder Australien. Aber auch Grönland könnte damit beginnen, Seltene Erden zu fördern. Innereuropäische Vorkommen in Schweden werden derzeit entwickelt. Der Aufbau einer zusätzlichen Förderung und Verarbeitung ist langwierig und kann nicht erst kurzfristig als Reaktion auf Boykottdrohungen in Konfliktlagen erfolgen.

Den Bedarf durch Innovationen begrenzen

Aber die Versorgung mit neuen Rohstoffen ist nur ein Teil einer Strategie. Gleichzeitig müssen Innovationen vorangebracht werden, um den Bedarf dieser kritischen Metalle zu begrenzen. Dazu gehören Verbesserungen, bei denen weniger dieser Stoffe benötigt werden, als auch alternative technische Ansätze, die vollständig darauf verzichten.

Gleichzeitig muss Recycling vorangebracht werden – vor allem dort, wo die kritischen Metalle in ausreichender Menge vorkommen. Batterien und Permanentmagnete sind vielversprechende Potenziale. Aber auch dies braucht finanzielle Mittel und Zeit. Angesichts der geopolitischen Risiken können wir uns keine Verzögerungen leisten.

Eine Reihe von Projekten sind von der EU-Kommission als strategische bestimmt worden und können entsprechend unterstützt werden. Dazu gehören jeweils zwei Vorhaben zur Weiterverarbeitung und zum Recycling, aber auch die Entwicklung der Seltenerd-Förderung im schwedischen Kiruna. Auch wenn ein Anfang gemacht ist, bleibt auf absehbare Zeit ein hohes Risiko. Innovationen haben zu den bestehenden Abhängigkeiten geführt, Innovationen können sie auch wieder begrenzen.

Weitere Informationen finden Sie hier.

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